Es gibt kaum eine sozialwissenschaftliche Disziplin, die in den vergangenen 20 Jahren keinen eigenen Beitrag zum Raumdiskurs geleistet hat. Mittlerweile stellt sich daher bei jeder Neuerscheinung zu diesem Themengebiet die Frage nach ihrem Mehrwert. Die vorliegende Dissertation versteht sich als „grundlagentheoretischer Nachtrag und Beitrag zu einer Pädagogischen Anthropologie des Raums“ (9). Im Kern verbindet der Autor die entwicklungspsychologischen, phänomenologischen und kulturwissenschaftlichen Raumdiskurse des 20. Jahrhunderts anhand der Werke von Jean Piaget, Otto Friedrich Bollnow und Michel Foucault mit den drei Grundbegriffen der pädagogischen Anthropologie – Lernen, Bildung, Erziehung – und diskutiert diese hinsichtlich ihrer sich ergänzenden, überschneidenden und verbindenden Momente. Die Auswahl der von Burghardt verhandelten Autoren wird zwar insofern schlüssig begründet, als „sie allesamt direkte und diversifizierte Anleihen in der […] anthropologischen Geschichte des Raums nehmen“ (13), eine Einordnung hinsichtlich ihrer Bedeutung in den von ihm aufgelisteten aktuellen Raumdiskursen (15f) bleibt jedoch aus. Gleichwohl ist die Beschäftigung z. B. mit dem Piagetschen Raumbegriff gerade deswegen anregend, weil Piaget aufgrund seines Verharrens in einem dreidimensionalen euklidischen Raumverständnis und der damit einhergehenden Vernachlässigung des sozialen Raums in den gegenwärtigen Raumdiskursen wenig Beachtung findet.

Obwohl Forscherinnen und Forscher sich schon seit Beginn des „spatial turn“ um Interdisziplinarität bemühen, stehen die verschiedenen Ansätze trotzdem meist unverbunden nebeneinander. Der Mehrwert von Homo spatialis liegt also zweifelsohne in der inhaltlichen Zusammenführung und kritischen Diskussion raumtheoretischer Ansätze unterschiedlicher Disziplinen.