
Er bezieht sich auf prominente Vertreter, die sich in den vergangenen Jahren durchweg als Kritiker der neuen Bildungssteuerung hervorgetan haben. Aber auch die von ihm ins Visier genommenen Behavioristen, Reform-Apologeten und Verfechtern der Kompetenzorientierung kommen zu Wort, man müsse schließlich „dieses Richtliniengeschwafel wörtlich zitieren, um ein Gefühl für seine Nähe zur Lifestylewerbung zu bekommen“ (41). Diese Referenzen zeigen einen – für einen an Bildung interessierten Philosophen – hohen Stand an Informiertheit über bildungstheoretische und -philosophische Diskurse an. Allein der Verweis auf Pranges Zeigetheorie fehlt, was hinsichtlich Türckes Identifikation des Zeigens (vor Dritten) als elementarster Lehrhandlung überrascht.
Tatsächlich erfasst Türcke die aktuellen Transformationen des Bildungssystems und die dahinter liegenden bildungspolitischen Dynamiken in angemessener Breite und holt sogleich zum Rundumschlag aus: gegen Inklusion, gegen Neuro-Lernen, gegen Kompetenzorientierung und -modellierung, gegen Evidenzbasierung, gegen Abschaffung elementarer Kulturtechniken wie dem Innehalten, dem Lesen und händischen Schreiben, gegen arbeitsblattdominierten Unterricht – kurzum: gegen Abschaffung des Lehrens als Praxis, als Ethos und Beruf. Allein das letzte Drittel des Buches irritiert dann (sachlich, nicht vor dem biographischen Hintergrund des Autors) ob der Hineinnahme der Freud’schen Psychoanalyse und der Figur der Übertragungsliebe als Movens lehrender Handlungen.
Bei allgemeinpädagogisch versierten Lesern rennt der Autor meist offene Türen ein, obgleich vielzählige Entzündungsflächen bleiben. Als durchaus sinnvoll erweisen könnte sich seine essayistische Sammlung dennoch, als sie mittels ihrer verständlichen Sprache und Unterfütterung mit anschaulichen Beispielen eine Vermittlungsfunktion zwischen (kritischer) Bildungsphilosophie und alltäglicher Schulpraxis übernehmen kann. Die Rezeption bei den Betroffenen – Türcke adressiert sie als Kollegen und skizziert im Voraus den „Lehrer-Widerstand gegen die neoliberale Gehirnwäsche“ (137) – darf jedenfalls mit Spannung erwartet werden.