
Retter platziert Petersen zwischen die Fronten der verschiedenen –ismen (Liberalismus, Sozialismus, Konservatismus) der Zeit (und bis heute) sowie der christlichen Soziallehre, die ihn alle beeinflusst haben, ohne dass er einer einzigen Richtung zugerechnet werden könne. Auch die „Lehrer“ Petersens, von Lorenz vom Stein bis Wilhelm Wundt und Karl Lamprecht, werden in diesem Kapitel ausführlich vorgestellt und die Fragen diskutiert, welche Bedeutung sie für Petersen hatten und wie dieser seine eigene Position jeweils formulierte. Schließlich wird im engeren Sinne eine systematische Analyse der Petersenschen Erziehungswissenschaft vorgenommen, die sich auf die pädagogischen, anthropologischen und soziologischen Grundbegriffe, hier insbesondere auf den zentralen Gemeinschaftsbegriff, bezieht.
Den dritten, im Verhältnis sehr kurzen Abschnitt bildet eine von Retter so genannte metahermeneutische Studie über die Kontroverse zu Petersens Verhältnis zum Nationalsozialismus, die seit den 1980er Jahren die Debatten prägt. Retter, selbst an dieser Kontroverse beteiligt, zeigt hier eine Perspektive auf die Kontroverse auf, in der er die Beteiligten (also auch sich selbst) in den jeweiligen Interessen und Beziehungsstrukturen verortet und dadurch die Kontroverse zwar nicht beendet, aber durchsichtig machen kann. Im Fazit kommt Petersen bei Retter nicht als strahlender Held, aber auch nicht als dunkler Bösewicht zum Vorschein, sondern – ähnlich wie bei Thorsten Schwan (vgl. die Annotation EWR 7 (2008) 6) als Pragmatiker, der unter allen Umständen seinem Jenaplan zum Durchbruch verhelfen wollte, was mit Anpassungen und Verdrehungen einherging, die auch noch die Rezeption Petersens nach seinem Tode kennzeichnen sollten. Ein lesenswertes Buch, nur leider sehr dick, wie so viele Studien, die sich an einer Person und deren Werk abarbeiten.