
In dem Eingangskapitel werden der konzeptuelle Rahmen der Studie und das Forschungsinteresse begründet und dargestellt: Die Verfasserin verfolgt zwei Ziele: Sie möchte zum einen durch Erhebung der Sichtweisen von Grundschullehrkräften den Diskurs um außerschulisches Lernen bereichern, andererseits möchte sie das Forschungsprogramm Subjektive Theorien durch die Konstruktion und Anwendung von Methoden zur Erhebung und Analyse weiterentwickeln (15ff). Die Wahl des Kirchenraums als außerschulischer Lernort wird bereits hier reflektiert und dieser als hervorragend geeignet ausgewiesen, da er Lehrkräften den größtmöglichen Spielraum bei der Schwerpunktsetzung eröffne und man somit ihre subjektiven Theorien gut herausarbeiten könne (12).
Im zweiten Kapitel wird eine komprimierte, detaillierte Analyse des Begriffs ‚Außerschulisches Lernen‘ in mehreren thematischen Unterkapiteln vorgenommen. Detailliertes Wissen zu Begriffsbestimmung und Historie, zu aktuellen Konzepten, zu der Rolle von Lehrkräften als Expertin bzw. Experte wird referiert. Im dritten Teilabschnitt (45ff) wird der Frage nachgegangen, was den Kirchenraum als besonderen Lernort auszeichnet. Die Verfasserin vermag es zwar, die unterschiedlichen Dimensionen des Kirchenraums (liturgisch, spirituell, auratisch und kulturell) darzulegen, verengt die Perspektive aber von vornherein auf die Funktion als Lernort (19ff). Hier wäre aus theologischer Sicht zu fragen gewesen, ob nicht gerade die auratische Dimension als Ort des Heiligen einer unterrichtlichen Verzweckung als Lernort diametral entgegensteht. Die Differenz von profanem Außenraum und sakralem Innenraum verweist darauf, dass Kirchenräume eben gerade nicht Teil der Alltagswelt sind. Gleichwohl muss man der Verfasserin bescheinigen, dass sie sich sehr umfänglich in Konzepte der Kirchenraumpädagogik eingearbeitet hat und einen guten Überblick über die Forschungslage anbietet, aus der nach einem weiteren, Elemente der Kognitionspsychologie aufgreifenden Grundlagenkapitel zu Subjektiven Theorien zwei Fragestellungen extrahiert werden (89): Beabsichtigt ist erstens die Erforschung der subjektiven Theorien von Religionslehrkräften über Unterrichtsgänge im Kirchenraum anhand individueller Theorien und überindividuellen Inhalts-Struktur-Kombinationen und zum zweiten die Rekonstruktion dieser Theorien im Spannungsfeld von Konzepten außerschulischen und binnenschulischen Lernens durch die Lehrkräfte. Folgerichtig widmet sich das vierte Kapitel den Entscheidungen und Begründungen des Forschungsdesigns und der Methoden. In kleinschrittiger Differenziertheit und äußerster Sorgfalt gibt die Verfasserin den Nachweis ihrer wissenschaftlichen methodologischen Kompetenz; sie erläutert den Ablaufplan und dokumentiert die verwendeten Methoden der Datengewinnung und Auswertung durch Interviewleitfaden, Strukturlegemethode, qualitative Inhaltanalyse in Auseinandersetzung mit den Kriterien qualitativer Sozialforschung. Die Eigenständigkeit der Verfasserin zeigt sich insbesondere in der Modifikation der Strukturlegemethode, die sie als „Siegener Variante“ in Anlehnung an ihren Forschungsstandort bezeichnet (115ff): Aus den Interview extrahierte Aussagen werden auf Karten verschriftet und von den Befragten in einer videographierten Sitzung zu einer Struktur gelegt, zugeordnet und kommentiert.
Dem schließt sich das Hauptkapitel der Arbeit an, in dem auf mehr als 150 Seiten die subjektiven Theorien der acht Probandinnen und Probanden strukturiert und mit beeindruckender Präzision aufgezeigt werden. Besonderes Gewicht erhält dabei die Lehrerin Hanna (141-181), an deren Beispiel die Verfasserin entfaltet, wie insgesamt neun Cluster aus dem Interview gewonnen werden konnten, wie diese von der Probandin eigenständig in eine Beziehung gebracht wurden, um dann von der Forscherin analysiert und interpretiert zu werden. Die Darstellung der Subjektiven Theorien aller Beteiligten erfolgt in Kurzform anhand von differenzierten Clusterkarten (181-211). In der Analyse identifiziert die Verfasserin drei verschiedene Ordnungsprinzipien der Probanden, um die verschiedenen Aussagen erkenntnisleitend miteinander zu verbinden: Prinzip Lernort Kirchenraum, Prinzip zeitliche Abfolge des Unterrichtsprozesses und als drittes Prinzip, dass keine ordnende Strategie dominant auftritt. Bemerkenswert sind die Analysen, die anhand verschiedener Parameter – wie dem persönlichen Bezug zum Lernort, außerschulischen Lernsettings, den Zielen von Unterrichtsgängen, der Verbindung von Klassenzimmer und außerschulischem Lernort, dem Umgang mit Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler und der Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten – nunmehr überindividuelle Strukturen herausarbeiten (223-301). Diese werden in dem Abschlusskapitel (303-352) gebündelt und zusammengefasst, dabei wird auch die Methode einer kritischen Würdigung unterzogen.
Hier macht die Verfasserin deutlich, wie stark die eigene Beziehung zum Ort Kirche auch die unterrichtlichen Zielperspektiven der Probandinnen und Probanden prägt und dass die besondere Aura des Ortes auch vielfältige methodische Zugänge einschließt, die über kognitive Erkenntnisse hinausgehen und die sinnlich-ästhetische Erfahrung in den Vordergrund rücken, dies auch, um angesichts veränderter religiöser Sozialisationsbedingungen durch originale Begegnung positive Bezüge zur Kirche als Institution zu entwickeln. Speziell diese Ergebnisse können der religionspädagogischen Forschung anschlussfähige Impulse liefern, ob sich die erhobenen Kategorien dementsprechend auf andere außerschulische Lernorte übertragen ließen, müsste diskutiert werden.
Erwartungsgemäß besteht ein Großteil der Arbeit aus der Darlegung der zugrunde liegenden Methoden zur Datenerhebung, Auswertung und Darstellung der Ergebnisse und dürfte damit eher die Interessen von Forschenden als von Praktikerinnen und Praktikern ansprechen. Hervorzuheben ist, dass die Verfasserin die Arbeit interdisziplinär zwischen Erziehungswissenschaft und Psychologie verortet und darüber hinaus Fragestellungen der Religionspädagogik einbezieht. Allerdings ist zu konstatieren, dass sie einige Spezifika der religionspädagogischen Forschung trotz ihres ansonsten sehr breit ausgeführten und dokumentierten wissenschaftlichen Kenntnisstandes eher randständig berücksichtigt. Dies betrifft insbesondere die Rolle und das Selbstverständnis von Religionslehrkräften als besondere Lehrkräfte, die aufgrund der spezifischen Konstitution des Religionsunterrichtes als ‚res mixta‘ zwischen Staat und Religionsgemeinschaft immer in einem Spannungsverhältnis zwischen den Institutionen Schule und Kirche stehen. Dies hätte durchaus stärker berücksichtigt werden müssen, zumal es ja den Untersuchungsgegenstand ‚Lernort Kirche‘ betrifft. Es ist daher erstaunlich, dass die Verfasserin bei der Darstellung des Forschungsstandes die breite Anzahl von empirischen Studien zu Religionslehrkräften – insbesondere von den Forschungsgruppen um Andreas Feige und Werner Tzscheetsch – nicht berücksichtigt.
Nach meiner Einschätzung vermag es die Verfasserin hervorragend, multiperspektivisch anhand der doppelten Fragestellung qualitative Verfahren der Sozialforschung auf erziehungswissenschaftliche und psychologische Forschungslogiken anzuwenden. Wer selbst in Forschungsprojekten involviert ist, wird in den sorgfältigen Referaten und Analysen sowie der ausführlichen Bibliographie sehr hilfreiche Denkanstöße bekommen. Wer aber aufgrund des plakativen Titels Anregungen für eine Öffnung des Unterrichts auf die Lebenswelt hin erwartet, dürfte enttäuscht werden. Man kann der Verfasserin wünschen, dass sie losgelöst von den Zwängen wissenschaftlicher Formalismen ihre Ergebnisse lesefreundlicher und pointierter einer breiteren Leserschaft präsentieren könnte.