Der rezensierte Band wurde von der Universität Hildesheim im Jahr 2012 als Dissertation angenommen. In seiner empirischen Studie zeichnet Andreas Bach die selbsteingeschätzte allgemeindidaktische Planungskompetenz von Studierenden und deren lehrerspezifische Selbstwirksamkeit über ein vierwöchiges Praktikum und im Anschluss über weitere drei Monate hinweg nach. Zentrales Anliegen ist es, „zu untersuchen, inwiefern sich die allgemeindidaktische Planungskompetenz [...] unter Berücksichtigung zentraler Bedingungsfaktoren verändert und wie stabil die erreichten Lerneffekte sind“ (13).
Die theoretischen Kapitel 1 und 2 sind kundig verfasst und referieren viele Zugänge und Einzelbefunde zu Kompetenzen und Selbstwirksamkeit. Der historische Abriss zur Entwicklung der Schulpraktika (Kapitel 3) ist für sich genommen sehr lesenswert, findet aber keine weitere Berücksichtigung. Auf die voraussetzungsvolle Forderung einer Verzahnung von Theorie und Praxis wird nur verwiesen und die später ausführliche Darstellung des Verhältnisses von Wissen und Handeln (Kapitel 4) schließt kaum daran an. Diese Verhältnisbestimmungen sind von großer Relevanz, besonders hinsichtlich des eigenen Anspruches, Aussagen über die Wirksamkeit von Schulpraktika treffen zu wollen. Das deskriptive Abwägen verschiedener und sich z.T. widersprechender Wissensbegriffe und Handlungsstrukturen lässt aber offen, welche Ansätze letztlich für die eigene Studie maßgeblich sind. Dies bleibt leider auch in der Diskussion unbeantwortet, die von einer stärkeren Bezugnahme auf die theoretische Vorarbeit hätte profitieren können.
In Kapitel 5 werden entlang der im ersten Absatz erwähnten Interessen drei konkrete Forschungsfragen formuliert und in neun Hypothesen ausdifferenziert, die einer quantitativ-empirischen Prüfung unterzogen werden. Befragt wurden Studierende zwischen dem 3. und 4. Semester vor Beginn eines vierwöchigen Praktikums (N=424). Nach dem Praktikum wurden sie erneut (N=451) und zusätzlich deren Mentoren (N=188) befragt. Die Studierenden nahmen drei Monate nach Ende des Praktikums an einer Follow-Up-Erhebung teil (N=240). Der Prozess des personenbezogenen „Matching“ zwischen den Erhebungszeitpunkten wird nicht explizit beschrieben (Welche Konsequenz hat es z.B., dass zu Beginn des Praktikums weniger Studierende befragt wurden als an dessen Ende?). Die Darstellung der Auswertung mittels Strukturgleichungsmodellen erfolgt konzise, die der modellbasierten Imputation fehlender Werte ebenso. Verschiedene Testverfahren zeigen die Güte der Skalen und Daten. Die statistische Analyse erfolgt auf sehr hohem Niveau. Es werden überwiegend Veränderungen zwischen jeweils zwei Erhebungszeitpunkten analysiert. Eine ergänzende simultane Analyse über alle drei Zeitpunkte hinweg (Panelanalyse) hätte die (inter-)individuellen Veränderungen insgesamt verdeutlichen können.
Bach kann mit seiner Studie zeigen, dass allgemeindidaktische Planungskompetenz interindividuell variiert und – konform zur Forschungslage – insgesamt einen hohen Ausgangswert hat. Im Praktikumsverlauf zeigt sich dennoch ein moderater signifikanter Anstieg. Der Kompetenzanstieg fällt unter Studierenden geringer aus, die zu Praktikumsbeginn höhere Werte aufweisen. Dies scheint Deckeneffekten geschuldet und ist nicht zwingend Hinweis geringerer Entwicklung aufgrund von Selbstüberschätzung. Dass im weiteren Verlauf bis drei Monate nach dem Praktikum keine weitere Entwicklung stattfand, wird auf die in dieser Zeit fehlenden einschlägigen curricularen Lern- und Übungsgelegenheiten zurückgeführt.
Ob die Studierenden im Praktikum tatsächlich Planungskompetenz erwerben, kann anhand der Selbsteinschätzungen nicht beantwortet werden. Hinsichtlich des Titels des Bandes erscheint es daher ungünstig, dass von „Planungskompetenz“ gesprochen wird, als würde testbasiert die reale Performanz erfasst. Treffender geht es um die Entwicklung berufsspezifischer Selbsteinschätzungen im Praktikum. Dieses Spannungsverhältnis von Kompetenzerwartungen und realen Kompetenzen wird zwar explizit thematisiert (44-46; 195; 209-210), die daraus resultierenden Konsequenzen für die Dateninterpretation werden aber nur selten explizit.
Selbsteinschätzungen der Studierenden und Fremdeinschätzungen der Mentoren korrelieren nur moderat, die Mittelwerte sind ähnlich. Die Fremdbeurteilung fällt konform zur Forschungslage etwas besser aus als die Selbsteinschätzung. Auf Ebene der Einzelfälle teils deutliche Divergenzen zwischen Selbst- und Fremdbild werden als „nicht unbeträchtlicher Anteil von Selbstüberschätzungen bzw. Selbstunterschätzungen bei den Studierenden“ (195) interpretiert. Folglich wird unkritisch angenommen, dass die Fremdbeurteilungen der Mentoren objektiver sind und als Referenz dienen können.
Während des Praktikums steigt die Selbstwirksamkeit moderat an. Das Schulpraktikum wird daher als Lerngelegenheit verstanden. Die Interpretation, überhöhte Selbstwirksamkeit könne „eine abträgliche Wirkung auf die Bereitschaft zur Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen haben“ (196) steht gängigen Annahmen gegenüber: Selbstwirksamkeit gilt in der Literatur uneingeschränkt als Leistungsindikator [1]. In den drei Monaten nach Ende des Praktikums nimmt die Selbstwirksamkeit geringfügig ab. Die wegfallenden schulpraktischen Erfolgserfahrungen gelten als Erklärung. Höhere Selbstwirksamkeit zu Praktikumsbeginn spricht für deren geringere Entwicklung im Praktikum.
Die Parallelität der Entwicklungen von Kompetenzerwartungen und Selbstwirksamkeit ist auffällig und wird in der Literatur explizit erwähnt [1]. Sie könnte Hinweis auf die nicht diskutierten aber vermutlich starken Interkorrelationen zwischen beiden Konstrukten sein (Multikollinearität), die auch die Beobachtung erklären könnten, dass sich „keine signifikanten Wirkungsbeziehungen zwischen beiden Konstrukten“ (200) ergeben.
Didaktisches Wissen hat kein prognostisches Potenzial für die Planungskompetenz. Eine „deutliche Kluft zwischen dem universitär erworbenen Wissen [...] und den Lernprozessen im Praktikum“ (198) kann aus den Selbsteinschätzungen aber nicht abgeleitet werden, weil sich aufgrund solcher Daten keine Aussage über das Gelernte selbst treffen lässt. Auch der Verweis auf angrenzende Forschung, die solche Zusammenhänge zeigt, kann den Eindruck nicht entkräften, dass hier die Daten interpretativ überlastet werden. Die postulierte Entkopplung von akademischem Wissen und praktischem Handeln erscheint zu einfach erklärt – diese hätte z.B. unter Rückgriff auf den theoretischen Diskurs in Kapitel 4 plausibler erfolgen können. Auch bleibt offen, warum angesichts der angenommenen Trennung von Wissen und Lernen im Praktikum später die Forderung nach einer stärkeren „theoretischen Begründung [...] von Schulpraktika“ (213) erhoben wird. Der Autor repliziert, dass pädagogische Vorerfahrungen für die spezifischen Tätigkeiten im Lehramt von geringer oder keiner Bedeutung sind. Höhere Beziehungsqualität zwischen Mentor und Praktikant prognostiziert eine positive Entwicklung der Planungskompetenz. Dies legt eine große Bedeutung von Erfolgserfahrungen im Praktikum für die professionelle Entwicklung nahe.
Bei aller Kritik im Detail: Insgesamt hat Andreas Bach eine dichte und informative Monografie vorgelegt, die große Anerkennung verdient. Die theoretischen Kapitel sind sehr informativ, wenngleich die Auswahlkriterien der einzelnen Ansätze zu wenig offengelegt werden und eine Rückbindung der Empirie an die Theorie nur punktuell erfolgt. Die empirische Studie ist methodisch sehr anspruchsvoll, das unkritische Nebeneinander von Selbstwirksamkeit und berufsspezifischen Kompetenzerwartungen allerdings problematisch. Abschließend ist die erfreuliche und dringend überfällige Versachlichung des häufig populärwissenschaftlichen Diskurses zur Schulpraxis zu würdigen.
[1] Vgl. Schwarzer, R./Warner, L.M. (2011): Forschung zur Selbstwirksamkeit bei Lehrerinnen und Lehrern. In: Terhart, E./Bennewitz, H./Rothland, M. (Hrsg.): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. MĂĽnster: Waxmann, 496-510.
EWR 13 (2014), Nr. 2 (März/April)
Kompetenzentwicklung im Schulpraktikum
Ausmaß und zeitliche Stabilität von Lerneffekten hochschulischer Praxisphasen
MĂĽnster: Waxmann 2013
(270 S.; ISBN 978-3-8309-2834-8; 25,50 EUR)
Colin Cramer (TĂĽbingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Colin Cramer: Rezension von: Bach, Andreas: Kompetenzentwicklung im Schulpraktikum, AusmaĂź und zeitliche Stabilität von Lerneffekten hochschulischer Praxisphasen. MĂĽnster: Waxmann 2013. In: EWR 13 (2014), Nr. 2 (Veröffentlicht am 26.03.2014), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383092834.html
Colin Cramer: Rezension von: Bach, Andreas: Kompetenzentwicklung im Schulpraktikum, AusmaĂź und zeitliche Stabilität von Lerneffekten hochschulischer Praxisphasen. MĂĽnster: Waxmann 2013. In: EWR 13 (2014), Nr. 2 (Veröffentlicht am 26.03.2014), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383092834.html