Mit dem Titel „Wissen was ich kann – Verfahren und Instrumente der Erfassung und Bewertung informell erworbener Kompetenzen“ greifen die Herausgeber ein aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema auf. Die Erfassung und Bewertung von informell erworbenen Kompetenzen wird seit einigen Jahren verstärkt diskutiert. Im Zuge dieser Diskussion ist eine Vielzahl an unterschiedlichen Verfahren entstanden, die zur Erfassung und Bewertung herangezogen werden.
An dieser Stelle setzt das vorliegende Buch an. Im Wesentlichen werden die Ergebnisse des von 2008 bis 2010 umgesetzten GRUNDVIG-Projektes „IBAK – Identifizierung, Bewertung und Anerkennung informell erworbener Kompetenzen“ geschildert. Ziel war die Inventarisierung von Verfahren und Instrumenten zur Erfassung und Bewertung von Kompetenz, die allen Interessierten in einer Datenbank als „virtueller Instrumentenkoffer“ zur Verfügung gestellt werden.
Anlass für die Auseinandersetzung mit der Thematik ist deren Bedeutsamkeit für die persönliche Lebensplanung und Gestaltung. Dies gelte in besonderer Weise für beruflich bedingte Veränderungen wie die Übernahme von Fach- und Führungsverantwortung, dem Wechsel von fachlichen Tätigkeiten, einer Neuorientierung oder einem Wiedereinstieg. Viele Bildungseinrichtungen hätten es sich daher zur Aufgabe gemacht, Personen bei solchen Umbrüchen zu unterstützen und nutzen dabei unterschiedliche Verfahren und Instrumente. Der vorliegende Band richtet sich in erster Linie an Professionals der Erwachsenenbildung und anderer Einrichtungen. Diese sollen durch praxiserprobte und -taugliche Materialien Impulse erhalten. (25)
Das Buch enthält neben der Einleitung acht Einzelbeiträge. Ein Glossar erklärt dem Leser, wie Begriffe aus dem Kontext der Kompetenzforschung verwendet werden. So wird beispielsweise deutlich gemacht, was unter der Anerkennung von Lernergebnissen verstanden wird und wie breit der Begriff der Kompetenzerfassung gefasst ist.
Der erste Beitrag von Flachmeyer richtet seinen Blick auf die europäische Diskussion und schildert das seit den 1980er Jahren stetig steigende Interesse an der Themenstellung. Im anschließenden Beitrag von Flachmeyer und Suppes werden die Entwicklungen in Deutschland aufgezeigt.
Vorliegende Systematisierungsansätze für Kompetenzerfassungsverfahren werden im Beitrag von Hemming und Suppes vorgestellt. Die Schwierigkeit einer Systematisierung besteht u.a. in der Vielfalt der Bezeichnungen für Verfahren und Instrumente, wie beispielsweise Kompetenzfeststellungsverfahren, Potentialanalysen oder Eignungstests. Hinzu kommt, dass mit solchen Verfahren „Kompetenzen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, Wissen, Haltungen und Dispositionen von Personen ermittelt, sichtbar gemacht und bewertet werden sollen“ (17). Dieses Zitat verdeutlicht wie vielfältig die Dinge sind, die unter Kompetenzerfassung diskutiert werden.
Die Auswahl der 51 dargestellten Verfahren erfolgte auf Basis einer Sammlung von Kompetenzerfassungsverfahren, zu denen ein unmittelbarer Zugang möglich ist und wurde durch eine 2009 durchgeführte Internetrecherche ergänzt. Die Informationen wurden aus Originalmaterialien (z. B. Handbücher oder Testbögen), Sekundärliteratur (z. B. Berichte und Studien), Webseiten der Anbieter sowie direkten Informationen der Entwickler zusammengetragen.
Die Verfahren sind alphabetisch dargestellt. Es erfolgt keine weitere Sortierung. Dies erschwert dem Leser etwas die Orientierung. Die Angaben zu den Verfahren sind in Tabellenform dargestellt und sehr knapp auf jeweils einer Buchseite festgehalten. Es werden Aussagen zu folgenden Punkten getroffen: Name des Verfahrens, Zielgruppe, Beschreibung, Methoden/Instrumente, Ziel/Ergebnis, Lizenzvergabe, Anbieter, Zeitbedarf, Kosten, Entwickler sowie zu ggf. weiteren Informationen. Die Zusammenlegung von Darstellungskategorien wie beispielsweise Ziel und Ergebnis ist etwas ungünstig, da zwischen diesen beiden Aspekten durchaus Differenzen auftreten können.
Viele der dargestellten Verfahren sind aus praktischen Handlungszwängen entstanden und verwenden „nur teilweise und wenn, dann häufig unsystematisch“ eine klare „Definition von Kompetenz“ (17). Für die praktische Anwendung von Verfahren seien in erster Linie die Handhabbarkeit der Verfahren und Kostenüberlegungen von Bedeutung.
Ein Großteil der dargestellten Verfahren richtet sich an Schüler/innen und Jugendliche mit dem Ziel die eigenen Kompetenzen zu identifizieren und den Berufswahlprozess zu unterstützen. Als am häufigsten verwandte Methode werden Fragebögen in Zusammenhang mit Selbsteinschätzungen genannt. Die Autoren betonen jedoch, dass diese Schwerpunktsetzung der Realität nicht gerecht wird, sondern auf Informationslücken der Datenbank zurückzuführen ist (28).
Die Schwachstellen der Inventarisierung werden vor allem in der „lückenhaften und verzerrenden Informationslage“ (28) gesehen. Betont wird, dass sich die Entwickler bei der Freigabe von Informationen überwiegend zurückhaltend verhielten. Zudem sind viele der Verfahren nicht evaluiert, was vor allem für kostenfreie Verfahren aus dem Non-Profit-Sektor gilt.
Die Ausführungen zu den Verfahren bieten dem Lesenden einen ersten Einblick, erfordern allerdings eine weitere Recherche. Wünschenswert wären weitere Angaben, die eine Einschätzung des Verfahrens zulassen wie beispielsweise zur Praktikabilität bzw. Anwendbarkeit, erreichbaren Qualitätsstandards oder zum Verbreitungsgrad.
In zwei weiteren Beiträgen werden spezifische Verfahren in den Blick genommen. Harthues und Honauer stellen die Möglichkeiten des Ehrenamtes und damit verbundene Entwicklungschancen dar. Sie sehen die Chance in der Hoffnung, erworbene Kompetenzen in andere Handlungszusammenhänge zu transferieren, verweisen aber gleichzeitig auf die Gefahr, das Ehrenamt zu instrumentalisieren. Der Beitrag von Hemming nimmt psychometrische Verfahren in den Blick, die zunehmend in Online-Fassungen zu finden sind. Deshalb werden sie häufig als “schnell durchführbar, unkompliziert anzuwenden und teilweise kostenlos“ (96) eingestuft. Im Ergebnis des Beitrages werden psychometrische Verfahren als fester Bestandteil in der Landschaft von Kompetenzerfassungsverfahren eingeschätzt, die Ausgangspunkte für Weiterentwicklungen bieten.
Harthues und Honauer nehmen abschließende eine kritische Betrachtung von Kompetenzerfassung vor. Sie warnen vor einer zunehmenden Ökonomisierung. Für Bildungseinrichtungen sei die Erfassung von Kompetenzen bereits jetzt ein stark umkämpfter Markt. Nach ihrer Einschätzung kommt es aber vor allem auf die gesellschaftliche Kompetenz an, das Leben zu gestalten.
Insgesamt zeichnet sich die Veröffentlichung durch sehr kurze und prägnante Beiträge aus, die den Leser auf den Stand der aktuellen Diskussion bringen. Die dargestellten Verfahren geben einen guten Überblick über die derzeit in Deutschland zugängigen und angewandten Verfahren zur Erfassung informell erworbener Kompetenz, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.
Die Autoren leisten mit der Veröffentlichung einen Beitrag zur Aufarbeitung vorhandener Verfahren und Instrumente und stellen damit wichtige Impulse für die verantwortlichen Anwender und Anwenderinnen zur Verfügung. Dies ist eine sehr schwierige Aufgabe, die konsequent fortgeführt und erweitert werden muss. Eine Herausforderung dabei wird sein, die unterschiedlichen Vorstellungen und Handlungserfordernisse von Wissenschaft und Praxis näher zueinander zubringen.
EWR 9 (2010), Nr. 5 (September/Oktober)
Wissen was ich kann
Verfahren und Instrumente der Erfassung und Bewertung informell erworbener Kompetenzen
MĂĽnster u.a.: Waxmann 2010
(113 S.; ISBN 978-3-8309-2349-7; 19,90 EUR)
Marisa Kaufhold (Paderborn)
Zur Zitierweise der Rezension:
Marisa Kaufhold: Rezension von: Flachmeyer, Marcus / Harhues, Ortrud / Honauer, Heike / Hemming, Andreas Schulte (Hg.): Wissen was ich kann, Verfahren und Instrumente der Erfassung und Bewertung informell erworbener Kompetenzen. MĂĽnster u.a.: Waxmann 2010. In: EWR 9 (2010), Nr. 5 (Veröffentlicht am 13.10.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383092349.html
Marisa Kaufhold: Rezension von: Flachmeyer, Marcus / Harhues, Ortrud / Honauer, Heike / Hemming, Andreas Schulte (Hg.): Wissen was ich kann, Verfahren und Instrumente der Erfassung und Bewertung informell erworbener Kompetenzen. MĂĽnster u.a.: Waxmann 2010. In: EWR 9 (2010), Nr. 5 (Veröffentlicht am 13.10.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383092349.html