Im Mittelpunkt der von Andrea Riedinger verfassten Dissertation stehen die von staatlichen Fortbildungsinstitutionen angebotenen Lehrerfortbildungsveranstaltungen für das berufliche Schulwesen im Land Baden-Württemberg. Zentrales Anliegen der Arbeit ist es zu analysieren, inwieweit angebotene Fortbildungsveranstaltungen die berufliche Handlungskompetenz von Lehrenden fördern und ein Wissenserwerb im Rahmen der Veranstaltungen stattfindet. Die Untersuchung möchte einen Beitrag zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Lehrerfortbildung leisten (14).
Die Dissertation gliedert sich in fünf Kapitel und wird durch einen Anhang ergänzt, der die Erhebungsinstrumente sowie Auswertungsergebnisse der durchgeführten Dokumentenanalyse enthält.
Zunächst erfolgt in der Problemstellung eine kurze Abhandlung über die Bedeutung von Lehrerfortbildungen für im Schuldienst tätige Lehrerinnen und Lehrer sowie eine Erläuterung der Struktur der Lehrerfortbildung im Land Baden-Württemberg.
Zur Ableitung der konkreten Fragestellungen erfolgt im zweiten Kapitel eine Aufarbeitung des Forschungsstandes der letzten zwanzig Jahre. Dabei werden ausschließlich Studien und Evaluationen betrachtet, in denen sowohl die Thematik der Lehrerfortbildung als auch die Zielgruppe der Untersuchung – Lehrende an beruflichen Schulen – Berücksichtigung finden. Insgesamt werden sechs Studien hinsichtlich der zentralen Fragestellung, des Untersuchungsdesigns, der Teilnehmer/-innen, zentraler Ergebnisse sowie sonstiger Besonderheiten und Anmerkungen in tabellarischer Form dargestellt und diskutiert. Auf Grundlage der vorgestellten Studien eröffnet die Autorin Forschungsdesiderate, die sich in zwei zentralen Fragestellungen widerspiegeln:
- „Fördern die Inhalte der Lehrerfortbildungsveranstaltungen den Aufbau beziehungsweise den Erhalt der beruflichen Handlungskompetenz von Lehrkräften?“ (31)
- „Werden adäquate Verfahren gewählt, damit Wissen aufgebaut werden kann?“ (32)
Schwerpunkt des dritten Kapitels bildet die theoretische Darstellung des Konzepts der beruflichen Handlungskompetenz von Lehrenden an beruflichen Schulen. Leserinnen und Leser, die eine fundierte theoretische und differenzierte Auseinandersetzung hinsichtlich des Kompetenzbegriffs sowie kompetenztheoretischer Modelle erwarten, könnten enttäuscht sein. Unter der Teilüberschrift „Berufliche Handlungskompetenz – ein unumstrittenes Konzept?“ wird von der Autorin in sehr knapp gehaltener Form die Inkonsistenz des Konzepts „Berufliche Handlungskompetenz“ bemängelt (37).
Mit dem Hinweis auf eine zunehmende inflationäre Erweiterung des Kompetenzbegriffs durch je nach Bedarf neu zu definierende Teilkompetenzen sowie dem Problem der Nicht-Messbarkeit von Kompetenzen wird in der Forschungsarbeit ein anderer Zugangsweg zum Konzept der beruflichen Handlungskompetenz gewählt. Andrea Riedinger bezieht sich hier auf den Expertenansatz und die Analyse des Expertenwissens von Lehrpersonen. Unter der Fragestellung, welche Aufgaben Lehrende im beruflichen Schulwesen wahrnehmen und welche Inhalte von Wissen sie zur Erfüllung ihrer beruflichen Aufgaben benötigen, erfolgt eine Annäherung an das Konzept der beruflichen Handlungskompetenz unter einer wissenspsychologischen Perspektive (44). Hierbei werden insbesondere die Arbeiten von Shulmann (1986/87) sowie Borko und Putnam (1996) berücksichtigt.
Den Abschluss des Kapitels bildet die grundlegende Auseinandersetzung einerseits über den Erwerb von Wissensinhalten sowie andererseits über die Aktivierung vorhandener Wissenssysteme in der beruflichen Praxis von Lehrenden. Ausschlaggebend hierfür ist die Gestaltung effektiver Lernumgebungen. Dazu werden theoretische Gestaltungsprinzipien aufgezeigt.
Im vierten Kapitel der Arbeit werden die Durchführung sowie die Instrumente der Untersuchung beschrieben und erläutert. Zudem werden – wenn auch aus der Kapitelüberschrift nicht ersichtlich – die Ergebnisse der Studie vorgestellt. Die Studie ist sowohl als Längsschnitt- als auch als Querschnittsuntersuchung angelegt. Für die im Untersuchungsdesign festgelegte Dokumentenanalyse wurden die Ausschreibungstexte der Fortbildungsveranstaltungen für die Lehrkräfte an beruflichen Schulen aus den Schuljahren 2004/05-2006/07 mit Hilfe eines vorab entwickelten Kategoriensystems analysiert.
Das zugrunde gelegte Kategoriensystem orientiert sich an den im dritten Kapitel theoretisch hergeleiteten Wissensinhalten für ein kompetentes berufliches Lehrerhandeln. Daneben werden weitere Analysedimensionen, wie beispielsweise die Schulart oder berufliche Fachrichtung als Kategorien aufgenommen. Das erstellte Kategoriensystem wird theoretisch begründet und übersichtlich in Tabellenform dargestellt. Die Auswahl der untersuchten Dokumente sowie die Anwendung des Kategoriensystems werden beschrieben.
Im Zeitraum März bis Juli 2007 wurden zusätzlich sowohl die Teilnehmenden als auch die Lehrerfortbildner der Veranstaltungen mittels Fragebögen hinsichtlich ihres in den Fortbildungsveranstaltungen erworbenen Wissens und der Bedeutung von ausgewählten Wissenserwerbsverfahren befragt. Insgesamt konnten 399 Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden.
Im Anschluss an die Beschreibung der Durchführung und Instrumente der Studie erfolgt die Darstellung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Sie zeigen auf, dass im untersuchten Zeitraum ein für die berufliche Handlungskompetenz von Lehrenden notwendiges Professionswissen in den angebotenen Fortbildungsveranstaltungen Berücksichtigung fand. Insbesondere für den Bereich der Entwicklung und Realisation von Lernumgebungen wurde ein vielfältiges und differenziertes Angebot identifiziert. Fortbildungsveranstaltungen zu optionalen Aufgabenfeldern, wie beispielsweise Qualitätsmanagement, Wissensmanagement oder auch Belastungsreduktion wurden kaum beziehungsweise gar nicht angeboten. Auch hinsichtlich der in den Fortbildungsveranstaltungen eingesetzten Wissenserwerbsverfahren zeigte sich, dass diese weitgehend den Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmenden entsprachen.
Kapitel fünf beinhaltet eine zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse getrennt nach Fragestellungen. Dies unterstützt die Leserinnen und Leser im Verständnisprozess, da hier noch einmal die zentralen Aussagen der Studie in knapper Form zusammengefasst dargestellt werden. Die Darstellungen der Ergebnisse münden in zentrale Empfehlungen, die sich nicht allein auf das Angebot und die Gestaltung von Fortbildungsveranstaltungen beziehen. Der Autorin gelingt es, durch die Berücksichtigung weitergehender Faktoren und Rahmenbedingungen Empfehlungen für eine nachhaltige Lehrerfortbildung auszusprechen.
In einer kritischen Reflexion der durchgeführten Studie am Ende der Forschungsarbeit werden insbesondere die Schwierigkeiten und Grenzen der Dokumentenanalyse thematisiert und aufgezeigt.
Bisherige Untersuchungen zur Lehrerfortbildung fanden vorrangig unter einer nachfrage- sowie teilnehmerorientierten Perspektive statt. Durch die Schwerpunktsetzung auf die Analyse des Angebotes von Fortbildungsveranstaltungen wird in der Arbeit von Andrea Riedinger eine andere Herangehensweise an das Themengebiet der Lehrerfortbildung aufgezeigt.
Insbesondere durch die Begrenzung auf die Schulform der beruflichen Schulen sind für diesen Bereich erstmals konkrete Aussagen und die Formulierung von Handlungsempfehlungen möglich. Auch wenn in der Arbeit das Lehrerfortbildungssystem von Baden-Württemberg im Mittelpunkt steht, so lassen sich aus den Ergebnissen der Untersuchung bundeslandübergreifend Gestaltungsempfehlungen für ein effektives und nachhaltig zu gestaltendes Lehrerfortbildungssystem generieren.