Zur Besprechung des vorliegenden Bandes werden zunächst dessen Aufbau und Inhalt skizziert. Anschließend erfolgt die inhaltliche Diskussion.
Im Vorwort verweist der Autor darauf, dass in seinem Buch der sonderpädagogische Förderschwerpunkt Sprache im inklusiven Bildungssystem vorgestellt wird. Dabei weist er darauf hin, dass sich die Sprachbehindertenpädagogik, die das Feld der Integration und Inklusion die letzten 30 Jahre weitgehend vernachlässigt hat, mit diesem Buch nun auch an der Diskussion zum Thema Integration und Inklusion beteiligt. Das Buch soll die „Reflexions- und Handlungsbereiche für die Grundschul- und Sonderpädagogik“ (8ff) zusammenführen. Ziel des Buches ist es: „theoretische, didaktische und methodische Einblicke in diese Spezialisierung aller Lehrkräfte im Grundschulunterricht für Unterricht Beratung und Kooperation“ (9) zu geben.
Kapitel 1 beschreibt „Spezifische Sprachförderung im inklusiven Unterricht“. Inhaltlich wird geklärt, was Sprache für den Autor bedeutet und welche Bedeutung Kommunikation und Sprache und deren Behinderungen im Bildungssystem haben. Des Weiteren stellt Jörg Mußmann Probleme der inklusiven Pädagogik und der exklusiven Sprachförderung vor und weist Grenzen der Inklusion im Bildungssystem auf.
Kapitel 2 stellt „Sprache als Medium des schulischen Lernen und sozialen Handelns“ dar. Hier wird die Sprachentwicklung sowohl im Erst- als auch im Zweitspracherwerb aufgezeigt. Ebenso werden mögliche Sprachentwicklungsstörungen sowie organisch bedingte Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen angesprochen.
In Kapitel 3 werden „Handlungsfelder mit dem Förderschwerpunkt Sprache in inklusiven Settings“ erläutert. Dieses Kapitel umfasst sowohl Überlegungen zur unterrichtsintegrierten Sprachförderung als auch zu bestimmten Interaktionsformen. Es bietet außerdem Überlegungen zur Elternberatung und -partizipation sowie zur Beratung von Kolleginnen und Kollegen der Regelschule. Außerdem werden Möglichkeiten der Unterrichtsreflexion thematisiert.
Kapitel 4 greift das Thema „Didaktik für den Förderschwerpunkt Sprache im inklusiven Unterricht“ auf. In diesem werden sämtliche didaktische Aspekte der Unterrichtsplanung dargestellt.
Das Buch schließt mit dem 5. Kapitel „Zusammenfassung und Ausblick“ ab.
Jörg Mußmann bietet mit seiner Herangehensweise an „Inklusive Sprachförderung in der Grundschule“ einen guten Überblick über sprachbehindertenpädagogische Überlegungen in Bezug auf Aspekte des gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Sprachbehinderungen. Wie alle Bücher dieser Reihe (UTB Pädagogik) ist es mit Symbolen, Literaturhinweisen und online-Zusatzmaterial versehen, so dass Kernaussagen schnell gefunden werden können und sich interessierte Lesende weiter in einzelne Aspekte vertiefen können.
Der Band bietet Studierenden und Berufsanfänger/-innen der Sonderpädagogik einen guten Überblick darüber, welche Aspekte eine Sprachförderung im sonderpädagogischen und integrativen Unterricht beinhalten kann. Ebenso kann es für Grundschulpädagogen/-innen, die sich intensiver mit dem Thema Kinder mit Sprachauffälligkeiten im Unterricht beschäftigen wollen, interessant sein. Es gelingt dem Autor Kommunikations-, Sprach- und Sprechstörungen differenziert darzustellen. Zugleich werden sowohl Kooperationsmöglichkeiten mit Eltern und Kollegen/-innen als auch didaktisch-methodische Ansätze erläutert. Alle genannten Aspekte werden aus sonderpädagogischer Sicht dargestellt. Pädagogen/-innen anderer Fachrichtungen müssen sich unter Umständen in das verwendete Vokabular einarbeiten.
Das Buch hat den Anspruch, die neuen Bedingungen von Kindern mit Lern- und Entwicklungsschwierigkeiten in der Regelschule für die Sprachbehindertenpädagogik zu klären (vgl. 8). Dies gelingt am Anfang des Kapitels, indem das Thema Inklusion einleuchtend beschrieben wird und wo Mußmann auch „Grenzen des Inklusiven Bildungssystems“ aufzeigt. Der Autor greift hier auf die Darstellung der Dimensionen von Behinderungen der ICF zurück. Allerdings ist zu fragen, ob die ICF wirklich dazu herangezogen werden kann, Grenzen der Inklusion zu beschreiben oder ob diese Darstellung nicht vielmehr aufzeigen sollte, wo pädagogische Unterstützung – auch im Regelschulsystem – notwendig wäre. Es ist dem Autor zuzustimmen, wenn er schreibt: „Bei der Frage, wie sich Unterricht hinsichtlich seiner Zieldifferenzierung und Anforderungen an die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten anpassen muss, muss geklärt werden, welche Lernbehinderungen überhaupt zu Barrieren und damit zur Behinderung des Schülers mit individuellen Beeinträchtigungen führen können“ (21). Aus Rezensentinnensicht sollte es Anliegen dieses Buches sein, dazu Möglichkeiten aufzuzeigen und nicht schon im ersten Kapitel darauf zu verweisen, dass manchen sprachlichen Behinderungen nur durch exklusive Maßnahmen begegnet werden kann.
Insgesamt bietet der Band einen guten Überblick über Sprach-, Sprech- und Kommunikationsstörungen, Kooperations- und Beratungsmöglichkeiten für Eltern und Kollegen/-innen und mit dem Hamburger Modell auch ein didaktisch-methodisches Beispiel für inklusiven Unterricht. Damit erfüllt das Buch die vom Autor im Vorwort genannte Zielstellung. Leider bleibt zur Frage, wie inklusive Sprachförderung in der Grundschule gestaltet werden könnte, am Ende jedoch vieles offen und man kann sich dem Autor in folgender Aussage anschließen: „Eine spezielle inklusive Didaktik gibt es ebenso wenig wie eine exklusive Didaktik für den Förderschwerpunkt Sprache“ (112). Auch nach der Erarbeitung dieses Buches wird jede Lehrerin sich für ihr inklusives Setting und für die von ihr betreuten Schüler/-innen überlegen müssen, wie sie gemeinsam mit den Kollegen/-innen den Unterricht für Schüler/-innen mit (sprachlichen) Behinderungen konzipiert.
EWR 12 (2013), Nr. 1 (Januar/Februar)
Inklusive Sprachförderung in der Grundschule
München und Basel: Ernst Reinhardt Verlag 2012
(144 S.; ISBN 978-3-8252-3752-3; 19,99 EUR)
Annette Damag (Koblenz-Landau)
Zur Zitierweise der Rezension:
Annette Damag: Rezension von: Mußmann, Jörg: Inklusive Sprachförderung in der Grundschule. München und Basel: Ernst Reinhardt Verlag . In: EWR 12 (2013), Nr. 1 (Veröffentlicht am 19.02.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382523752.html
Annette Damag: Rezension von: Mußmann, Jörg: Inklusive Sprachförderung in der Grundschule. München und Basel: Ernst Reinhardt Verlag . In: EWR 12 (2013), Nr. 1 (Veröffentlicht am 19.02.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382523752.html