EWR 23 (2024), Nr. 3 (Juli)

Marc Fabian Buck
Ökonomisierung der Bildung
Eine EinfĂŒhrung
Weinheim: Beltz Juventa 2024
(106 S.; ISBN 978-3-7799-7792-6; 22,00 EUR)
Ökonomisierung der Bildung In den letzten ca. 25 Jahren ist es in Deutschland zu tiefgreifenden VerĂ€nderungen im Bildungssystem gekommen, welche oft unter der Bezeichnung „Ökonomisierung der Bildung“ gefasst werden. Auf der Hochschulebene etwa fanden im Rahmen der Bologna-Reform starke UmbrĂŒche statt und die EinfĂŒhrung allgemeiner StudiengebĂŒhren als ein entscheidendes, in vielen anderen Staaten bereits etabliertes Element der Ökonomisierung der Hochschulen wurde diskutiert, aber nicht vollzogen oder wieder rĂŒckgĂ€ngig gemacht (etwa in Hessen [1]). Diesen sowie weiteren PhĂ€nomenen und Debatten widmet sich die Monographie „Ökonomisierung der Bildung. Eine EinfĂŒhrung“ von Marc Fabian Buck aus dem Jahr 2024.

Aus einem Studienbrief an der FernuniversitĂ€t Hagen entstanden, richtet sich das Buch an Bachelorstudierende und SchĂŒler:innen der Sekundarstufe II (12). Die Ansprache ist aus dem Studienbrief ĂŒbernommen: Es werden direkt Studierende der PĂ€dagogik angesprochen, es wird auf ihr Vorwissen aus der Schule rekurriert und Ausblicke auf den weiteren Studienverlauf werden gegeben (z.B. 84).

Das Buch ist klar strukturiert und in drei Teile gegliedert. Nach einer Einleitung folgt der Hauptteil: „Definitionen und theoretische ZugĂ€nge zur Ökonomisierung“. Abgerundet wird das Buch durch Beispiele der Ökonomisierung aus fĂŒnf pĂ€dagogischen Bereichen.

In der Einleitung werden grundlegende Annahmen und Begriffe geklĂ€rt. Das Buch basiert mit Verweis auf Eugen Fink auf der Annahme, dass es unterschiedliche gesellschaftliche Praxen mit je eigenen BezĂŒgen und Aufgaben gibt. Normativ gesetzt wird mit Dietrich Benner, dass „keine Praxis ĂŒber einer anderen stehen und deren jeweilige Handlungslogik beeinflussen soll“ (15). Mit ‚Ökonomisierung der Bildung‘ wird nun die Verletzung dieses Grundsatzes beschrieben: Die ökonomische Logik beeinflusst die SphĂ€re des PĂ€dagogischen – und zwar weit ĂŒber den zum pĂ€dagogischen Handeln gehörigen „Umgang mit Knappheit“ (14) hinaus. Es handelt sich dabei um eine bestimmte ökonomische Logik – eine betriebswirtschaftliche (25, 77, 88), manageriale (88) und eben eine, die das „Knappheitsproblem“ (78) ins Zentrum setzt. Die Art der Beeinflussung ist dabei offen und unterschiedlich möglich; Buck schlĂ€gt Varianten vor, eine solche „Ökonomisierung“ [Hervorhebung im Original] zu denken: „als AnnĂ€herung, als Vermittlung, als feindliche Übernahme oder gar als Einladung durch die PĂ€dagogik?“ (16).

BezĂŒglich der Begriffsverwendung von ‚Bildung‘ wird ein soziologischer von einem pĂ€dagogischen Gebrauch unterschieden. „Soziologisch bedeutet Bildung Teilhabe am Bildungssystem einer Gesellschaft“ (13). Hier stehen etwa BildungsabschlĂŒsse, ZugĂ€nge zu Institutionen und deren AbhĂ€ngigkeit von Geschlecht und Herkunft im Vordergrund. „Im pĂ€dagogischen Sinne bedeutet Bildung jedoch seit der Antike etwas anderes“ (ebd.). Hier wird Bildung in knappem Rekurs auf Bildungstheorien von Wilhelm von Humboldt bis Hans-Christoph Koller vor allem im Sinne einer „Transformation [
] des Selbst- und WeltverhĂ€ltnisses“ (13) gefasst. In einer ausfĂŒhrlichen Fußnote werden weitere Referenzen und AnknĂŒpfungspunkte genannt (14), wodurch die KomplexitĂ€t des pĂ€dagogischen Bildungsbegriffs angemessen eingeholt wird. Buck verwendet ‚Bildung‘ in seiner EinfĂŒhrung in beiden beschriebenen Gebrauchsweisen: „In unserem Fall verstehen wir Bildung nicht nur als soziologische MessgrĂ¶ĂŸe, [...] sondern als elementaren Teil pĂ€dagogischen Denkens und Handelns und gehen somit ĂŒber die zĂ€hlend-beschreibende Ebene hinaus“ (ebd.).

Im Hauptteil werden drei theoretische ZugĂ€nge vorgestellt und ausgefĂŒhrt. Mit dem Ökonomisierungskonzept von Uwe Schimank und Ute Volkmann wird zunĂ€chst ein Ansatz der Systemtheorie in Anschluss an Niklas Luhmann prĂ€sentiert (22). Schimank und Volkmann gehen von einer Differenzierung moderner Gesellschaften in verschiedene SphĂ€ren mit je eigenen Leitwerten aus. Die ökonomische SphĂ€re sehen sie als geprĂ€gt von „Gewinnerzielung und -steigerung“ (23) an. Entsprechend kann mit Hilfe einer „Ökonomisierungsskala“ (27) in sieben Stufen erhoben werden, wie stark z.B. Organisationen an diesem Ziel orientiert (also in diesem Sinne ökonomisiert) sind. Das allgemein gehaltene Konzept von Schimank und Volkmann, das Ökonomisierungsprozesse in vielen unterschiedlichen SphĂ€ren beschreibt, wird von Buck entlang der „Merkmale der Ökonomisierungsdynamik in sechs Schritten“ (31) explizit auf den pĂ€dagogischen Bereich ĂŒbertragen. Als zweites wird Ökonomisierung in Anschluss an Pierre Bourdieu prĂ€sentiert. Dies ist gleichzeitig eine EinfĂŒhrung in Bourdieus Denken, indem zentrale Konzepte wie Habitus oder das Kapitalsortensystem anschaulich erlĂ€utert werden. Mit Verweis auf Thomas Höhne wird hier eine feldtheoretische Untersuchung der Ökonomisierung vollzogen – mit explizitem Bezug auf das „Feld der Bildung“ (56). Drittens erfolgt in Anschluss an Michel Foucault und Ulrich Bröckling eine Perspektive auf Ökonomisierung, die das Selbst und dessen Regierungsformen fokussiert. Auch hier erfolgt eine EinfĂŒhrung in Foucaults Denken sowie in Subjektivierungstheorien und Bröcklings Konzept des Unternehmerischen Selbst. Am Beispiel „PĂ€dagogische[r] Ich-AGs“ (76) wird die fundamentale Änderung leitender Ideen im pĂ€dagogischen Bereich eindrucksvoll illustriert. Der Hauptteil schließt mit einem Ausblick auf weitere Perspektiven auf Ökonomisierung, indem knapp auf die Analysen von Edgar Forster und Madeleine Scherrer, in denen die Ökonomisierung von Zeit im Mittelpunkt stehen, sowie auf Georg Francks Reflexionen zur Ökonomie der Aufmerksamkeit eingegangen wird.

Die Argumentation in dem theoretisch anspruchsvollen Hauptteil ist stets nachvollziehbar, die beschriebenen Werke werden zugĂ€nglich gemacht und durch Formulierungen wie „Denken Sie an 
“ an die Lebenswelt der Adressat:innen rĂŒckgebunden, etwa: „Denken Sie hier bspw. an den immer schlechter werdenden BetreuungsschlĂŒssel in KindertagesstĂ€tten oder in der Krankenpflege“ (42).

Auf der Basis der vorgestellten theoretischen ZugĂ€nge werden im letzten Kapitel pĂ€dagogische Beispiele der Ökonomisierung aus den fĂŒnf Bereichen Kindheit, Schule, Hochschule, Erwachsenenbildung/Weiterbildung sowie SozialpĂ€dagogik ausgefĂŒhrt. In diesen gut gewĂ€hlten Beispielen werden insbesondere die WidersprĂŒche deutlich, die entstehen, wenn verschiedene Logiken und Zielsetzungen aufeinandertreffen. Wenn etwa in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung teilweise im Sinne einer Effizienzlogik rĂŒcksichtslos mit „Momente[n] der Verzögerung, des Innehaltens und der Umwege“ (93) umgegangen wird, werden genau diejenigen Elemente verhindert, denen Autor:innen wie Andreas Dörpinghaus, die Buck an dieser Stelle anfĂŒhrt, ein besonders großes Potential fĂŒr Bildungsprozesse zusprechen. Dieses Kapitel erweist sich als anregend fĂŒr die Reflexion der eigenen Bildungserfahrung und -praxis sowie als aufschlussreich durch Einblicke in Bereiche, mit denen die Leser:innen wenig BerĂŒhrungspunkte haben.

Insgesamt handelt es sich bei dem Buch „Ökonomisierung der Bildung“ um eine gut lesbare und sachlich kohĂ€rente EinfĂŒhrung in das Thema. Didaktische Elemente wie Reflexionsfragen am Ende von Kapiteln strukturieren und orientieren das Buch zusĂ€tzlich. Der Personenkreis, fĂŒr den diese EinfĂŒhrung lohnend ist, ĂŒbersteigt meiner EinschĂ€tzung nach deutlich die vom Autor genannte Gruppe von SchĂŒler:innen und Bacherlorstudierenden und umfasst u.a. auch Erziehungswissenschaftler:innen jenseits des Bachelorstudiums, die sich dem Thema einfĂŒhrend und vertiefend nĂ€hern möchten. Insbesondere durch die zahlreichen Verweise, AnknĂŒpfungen und Hinweise zum Weiterlesen ist das Buch hierfĂŒr sehr gut geeignet.

[1] Preuß, M. (2008). Hessen kippt seine StudiengebĂŒhren. Tagesspiegel. https://www.tagesspiegel.de/politik/hessen-kippt-seine-studiengebuhren-1655134.html
Gregor Eckert (Darmstadt)
Zur Zitierweise der Rezension:
Gregor Eckert: Rezension von: Buck, Marc Fabian: Ökonomisierung der Bildung, Eine EinfĂŒhrung. Weinheim: Beltz Juventa 2024. In: EWR 23 (2024), Nr. 3 (Veröffentlicht am 14.08.2024), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978377997792.html