Brücken bauen – Damit verbindet sich am Schulanfang eine biographische Herausforderung, die im systemischen Übergang aus pädagogischer Sicht entwicklungstheoretische Perspektiven, soziokulturelle Voraussetzungen und didaktische Gestaltungen in den Blick nimmt. Aktuelle Diskussionen um (früh-) kindliche Förderung, Kompetenzentwicklungen und Bildungsstandards auch im (vor-) schulischen Bereich machen – vor allem in Folge der (inter-) nationalen Leistungsvergleichsstudien – die Notwendigkeit einer dialogischen Zusammenarbeit zwischen Erzieherinnen, Grundschullehrkräften und Eltern deutlich. Bildungspartnerschaften fließen in Bildungsvereinbarungen ein, in denen statt der defizit- eine ressourcenorientierte Diagnostik frühkindlicher Bildung grundgelegt ist. Sie zielt auf die Herstellung anschlussfähiger Bildungsprozesse um Startchancen beim Schuleintritt zu verbessern.
Als pädagogische Konsequenz wird eine an Bildungsplänen orientierte enge Vernetzung des Elementar- und Primarbereiches formuliert, die neben strukturellen Veränderungen – z.B. einer Neugestaltung der Schuleingangsphase – vor allem auf eine Implementierung protektiver Lernkulturen sowie eine anschlussfähige Vermittlung von Basiskompetenzen ausgerichtet ist. Hierzu zählen insbesondere die – Transitionen bewältigende – Resilienz, aber auch die – Selbst-, Sozial-, Sach- und Methodenkompetenzen integrierende – Lernkompetenz sowie die Entwicklung und Stärkung eines positiven Selbstkonzeptes. In professioneller Absicht sind alle Bildungsbegleiter eines Kindes aufgerufen, sich den notwendigen Herausforderungen einer individualisierten Lernförderung entwicklungsunterstützend zu stellen.
Die in jüngster Zeit geführten Debatten um die Herstellung von Anschlussfähigkeiten und konstruktivistische Deutungen des Lernens haben zur Entwicklung eines interaktiven, prozessual definierten Bildungsverständnisses beigetragen, das wesentlich auf einen solchen Kompetenzerwerb und die Unterstützung positiver Selbstzuschreibungen des Kindes ausgerichtet ist. Auf individueller Ebene zeichnet sich damit ein empathiegeleiteter Verstehensprozess ab, der das kindliche Autonomieerleben unterstützt. Die interaktionale Ebene fordert dazu Partizipationsmöglichkeiten im kooperativen Geschehen ein. In diesem Rahmen versteht sich die hier vorgestellte Publikation „Bildungsbrücken bauen“ als eine praxis- und theoriegeleitete Handreichung für die den Übergang vom Kindergarten zur Grundschule mitgestaltenden Pädagoginnen und Pädagogen. In einem ersten Teil, der die Beziehung zwischen Kindergarten und Grundschule sowie die gemeinsamen Grundlagen ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit fokussiert, wird mit aktuellen Sichtweisen auf ein ko-konstruktives, individuelle Entwicklungsverläufe nach dem Modell der Salutogenese unterstützendes Verständnis von Lernen thematisiert, das seitens der beteiligten Bildungspartner ein verändertes, das Kind in seiner Selbstbildung unterstützendes Rollenverständnis sowie die inhaltlich-pädagogisch anschlussfähige Abstimmung zwischen den Institutionen einfordert.
Diese theoriegeleiteten, weiterführende Literaturhinweise aufgreifenden Ausführungen bilden die Basis für den im zweiten Teil vollzogenen Perspektivenwechsel, mit dem ein Instrumentarium zur Qualitätsanalyse von Anschlussfähigkeiten in der eigenen Erziehungs- und Bildungsarbeit vorliegt. Acht Instrumente – (1) Status-Analyse zum Stand der Kooperation, (2) Verständnis vom Kind, (3) Basiskompetenzen zur Einschulung, (4) Schriftspracherwerb, (5) Beobachtungs- und Dokumentationsverständnis, (6) Vorstellungen zum didaktisch-methodischen Umgang mit Kindern, (7) Abstimmung zwischen den Pädagoginnen und Pädagogen, (8) Lernfördernde Kulturen – geben in Form von Einschätzungsskalen Anlass, Aspekte inhaltlicher Fortführungen und institutioneller Kooperationen kritisch zu reflektieren und über die Berechung individueller Mittelwerte selbstkritisch zu analysieren. Damit liegt erstmals ein Instrument vor, das es jenseits einer umfassenden wissenschaftsgeleiteten Empirie erlaubt, eine Evaluation der eigenen situationsorientierten pädagogischen Arbeit vorzunehmen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Instrument kann Ansprüche, die an repräsentative wissenschaftliche Forschungen gerichtet werden, nicht erfüllen. Das ist auch nicht der Zweck. Vielmehr geht es darum, die „Qualität der Zusammenarbeit bzw. des Brückenbaus zwischen Kindergärten und Grundschulen [...] im Hinblick auf das Profil und die Arbeitsweisen [...] gemeinsam durch die Pädagoginnen und Pädagogen aus beiden Institutionen“ (7) zu überprüfen. Unter dieser Zielsetzung verspricht die komprimierte und strukturiert zielgerichtete Darstellung ein bedeutsamer Handlungsleitfaden für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte und bereits in der Praxis tätigen Studierenden sowie Referendarinnen und Referendare zu werden, der das Umdenken von Bildungsansprüchen im Elementar- und Primarbereich handhabbar macht, indem dialogische Interaktionen der Kinder untereinander sowie mit den Erwachsenen, aber auch die Zugangsweisen der Kinder zum Wissen berücksichtigt werden.
Was zu wünschen bleibt? Eine Fortführung der Thematik, die einerseits Hinweise auf Handlungsoptionen der pädagogischen Arbeit vor Ort, andererseits aber auch stärkere Bezugnahmen auf bildungspolitische Zielperspektiven und eine konzeptionelle Weiterentwicklung der pädagogischen Ansätze aufgreift. Der Autor möge sich zu einem solchen zweiten Band ermuntern lassen.
EWR 8 (2009), Nr. 6 (November/Dezember)
BildungsbrĂĽcken bauen zwischen Kindergarten und Grundschule
Anschlussfähige Bildungsprozesse anregen und evaluieren
Berlin; DĂĽsseldorf: Cornelsen Scriptor 2009
(61 S.; ISBN 978-3-589-24625-0; 14,95 EUR)
Renate Hinz (Dortmund)
Zur Zitierweise der Rezension:
Renate Hinz: Rezension von: Hopf, Arnulf: BildungsbrĂĽcken bauen zwischen Kindergarten und Grundschule, Anschlussfähige Bildungsprozesse anregen und evaluieren. Berlin; DĂĽsseldorf: Cornelsen Scriptor 2009. In: EWR 8 (2009), Nr. 6 (Veröffentlicht am 01.12.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978358924625.html
Renate Hinz: Rezension von: Hopf, Arnulf: BildungsbrĂĽcken bauen zwischen Kindergarten und Grundschule, Anschlussfähige Bildungsprozesse anregen und evaluieren. Berlin; DĂĽsseldorf: Cornelsen Scriptor 2009. In: EWR 8 (2009), Nr. 6 (Veröffentlicht am 01.12.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978358924625.html