EWR 12 (2013), Nr. 1 (Januar/Februar)

Armin Poggendorf
Angewandte Teamdynamik
Methodik für Trainer, Berater, Pädagogen und Teamentwickler
Berlin: Cornelsen 2012
(440 S.; ISBN 978-3-589-24204-7; 36,00 EUR)
Angewandte Teamdynamik Mit den Worten „Teamdynamik – einfach in der Form, verblüffend in der Wirkung“ wird das Vorwort im Buch von Armin Poggendorf eröffnet. Einfach in der Form, wohl deshalb, weil die Methode ohne jegliches technisches Medium auskommt und einzig mit den Teilnehmern, dem Trainer und den entsprechenden Stühlen funktioniert. Keine Tische und keine Technik, dies stellt Armin Poggendorf schon auf den ersten Seiten seines Werkes sicher und beschreibt darüber hinaus die Wirkungsweise, die der „face to face-Kontakt“ mit sich bringt. Das Buch beantwortet die Frage, wie man als Trainer, Berater, Pädagoge oder Teamentwickler gruppendynamische Prozesse in Teams für alle sichtbar, erlebbar und transparent machen kann. Themen wie Konflikte und Integration von Teammitgliedern sind ebenso fokussiert wie die Rollenfindung des Einzelnen. Das vorgestellte Konzept der Angewandten Teamdynamik beinhaltet alle Faktoren und Stichworte zum Thema Gruppendynamik und hat den Anspruch, nicht nur ein Team produktiver zu machen, sondern die persönliche Kompetenz jedes Teilnehmers zu entwickeln. Dabei ist die Vision des Autors, mit dieser Methodik stilprägend zu sein.

Das umfassende, deutlich praxisorientierte Buch kann sowohl als ausführliche Anleitung, als auch als Nachschlagewerk zum Konzept der Angewandten Teamdynamik angesehen werden. Es ist in fünf Teile gegliedert.

Der erste Teil gibt einen Überblick über die soziale Dynamik im Team. In Kapitel 1 wird erklärt, was „Angewandte Teamdynamik“ bedeutet, wie diese erforscht wurde und erlebt wird. Armin Poggendorf stellt vier Methodenbündel vor: „Kreis und Mitte“, „Platz und Position“, „Systemische Inszenierung“ und „Integrative Übungen“. Diese Methodenbündel stellen die Basis für die Theorie und Praxis der Angewandten Teamdynamik dar. Die zugrundeliegenden Definitionen werden in einzelnen Abschnitten erläutert.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Bedeutung und der Wirkungsweise des Kreises als Grundform. Dabei wird die älteste Versammlungsform der Welt wissenschaftlich erklärt. Der Autor geht detailgenau auf zahlreiche Aspekte ein und macht deutlich, warum er den team-dynamischen Kreis nicht nur als Interaktionsform sieht, sondern auch als ein lernfähiges soziales System.

Der Autor widmet sich in Kapitel 3 der Form und dem Inhalt eines team-dynamischen Trainings. Er macht deutlich, dass es sich um keine vorprogrammierbare Seminarstruktur handelt und beschreibt anschließend seine Erwartungen an den Trainer. Diese werden idealistisch formuliert. Der Trainer sollte beispielsweise über ein hohes Maß an Freiheit und Flexibilität verfügen, um auf die einzelnen unvorhersehbaren Geschehnisse im Prozess eingehen zu können. Dafür braucht er Handwerkszeug und findet in diesem Buch gezielt Übungen und Interaktionsformen, aus denen er für jede Situation spontan und kreativ wählen kann. Dabei wird das Programm eines team-dynamischen Trainings als eine „vorgesehene Reihenfolge von Übungen“ betrachtet, die durch die entstehenden dynamischen Prozesse verändert und angepasst werden. Die Gruppengröße und damit auch die Anwendbarkeit liegt im team-dynamischen Kreis bei 10 bis 15 Teilnehmern. Um die team-dynamische Methode bei anderen Teamgrößen effektiv umzusetzen, bedarf es folglich einiger Adaptionen des Lesers, die nicht erläutert werden.

Die Ziele der Angewandten Teamdynamik sind die Teamentwicklung und die Steigerung der Produktivität und Kreativität in Teams. Parallel dazu steht die Förderung der methodischen, sozialen und emotionalen Kompetenzen der einzelnen Teilnehmer. Die Arbeit im team-dynamischen Kreis stärkt u.a. die Kooperationsfähigkeit, die Präsentationsfähigkeit, das Selbstbewusstsein und die Empathie. Der Autor zeigt, dass Unternehmensziele ebenso wie die persönlichen Ziele der Teilnehmer Berücksichtigung finden. Inwiefern die genannten Ziele mit der Methode erreicht werden, ist wissenschaftlich allerdings nicht belegt.

Wer die Methode als Trainer nutzen möchte, findet in Kapitel 4 einen ausführlichen Katalog von Kompetenzen, die für die Leitung einer team-dynamischen Veranstaltung wichtig sind. Die Kompetenzen unterliegen hierbei der hohen idealistischen Vorstellung des Autors und sind geprägt durch seine langjährige Erfahrung mit dieser Methode. Weiterhin werden der Trainer, der Co-Trainer und der „stille Helfer“ in Rolle, Funktion und Position beschrieben. Im Abschnitt „Der Trainer ist auch Teilnehmer“ (86) wird die übliche Abgrenzung und höherrangige Position des Trainers relativiert und eine Begegnung auf „Augenhöhe“ vorgeschlagen. Dass der Autor diese Aussage lebt, ist im Buch durch unterschiedliche Teilnehmerstimmen erkennbar. Wie dies für den Leser umsetzbar ist, bleibt dagegen unbeantwortet.

Der zweite Teil beinhaltet die Kapitel 5 – 7 und beschäftigt sich mit den Ebenen der Dynamik. Systemisches Herangehen bedeutet für Poggendorf vor allem, dass die Aufmerksamkeit des Trainers gleichzeitig auf das Individuum und auf das größere Ganze gerichtet ist. Es geht um die Frage, wie sich der Einzelne in das Ganze einpasst, so dass das Ganze wiederum die Basis für die teilnehmenden Individuen werden kann. Das Trainingsteam spiegelt dabei nicht nur sich selbst, sondern auch die Systeme, die jeder Teilnehmer mitbringt: Familie, Arbeitsbeziehungen und Paarbeziehungen, Freundschaften usw.

Proxemisch bedeutet, dass in der Angewandten Teamdynamik die Systeme und die sozialen Konstellationen räumlich und körperlich abgebildet werden. Es wird das ganze sozio-emotionale Geschehen, praktisch die Beziehungen der Teilnehmer, plastisch veranschaulicht. Den einzelnen Aspekten geht der Autor gründlich nach (135ff) und zeigt, wie Tiefgang im Seminar entsteht und die sozio-dynamischen Phänomene erklärt und behandelt werden können.

In Kapitel 7 verweist der Autor auf die Einbeziehung der körperlichen, geistigen und emotionalen Ebene des Menschen. Die Kommentare von Teilnehmern unterstreichen die Wirkung dieser „ganzheitlichen“ Methode und bieten dem Leser einen lebendigen Einblick, der ohne die zitierten Kommentare schwer erfassbar ist.

Der dritte und vierte Teil des Buches beschäftigen sich mit der detaillierten Erklärung der Methodenbündel „Kreis und Mitte“ und „Platz und Position“ und bergen somit das zentrale Know-how der Methodik. Dabei geht es in Kapitel 8 um die Stellung der Stühle, die Bedeutung der Plätze im Kreis und die Variationen der Kreisform. Hier wird der Unterschied zur üblichen Verwendung des Stuhlkreises deutlich. Die Angewandte Teamdynamik grenzt sich von anderen Methoden ab, die den Stuhlkreis, beispielsweise bei der Supervision, für Gruppengespräche nutzen. Der Kreis beinhaltet in der Angewandten Teamdynamik verschiedene Gesprächsformen, zeigt Vernetzungen auf, bildet Systeme ab und wird bewusst und unbewusst zur Eigendarstellung gebraucht.

In Kapitel 9 werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Kreis zur Kontaktaufnahme genutzt werden kann, oder wie der Einzelne im Kreis zu Wort kommt. Im nachfolgenden Kapitel veranlasst der Autor den Einzelnen, sich für seinen Gesprächsbeitrag in die Mitte des Kreises zu stellen. Dort bezieht er Stellung, muss argumentieren, kämpfen und sich zeigen. Dabei wird er von der Gruppe genau beobachtet, gespiegelt und bekommt Impulse, sich zu entfalten und zu qualifizieren. Unangenehm, angenehm und ungewöhnlich, aber sehr wirksam, glaubt man den Teilnehmerfeedbacks in diesem Buch. Poggendorf beschreibt glaubhaft, dass es sich hier nicht nur um ein Experiment handelt, sondern um eine Praxis, die sich bewährt hat. Trainer und Teilnehmer sind gleichermaßen Anhänger des Sprechens aus der Mitte, weil sich in dieser Konstellation zeigt, was sonst verborgen bleibt. Die detailgetreue Beschreibung bietet dem Leser die Chance, diesen Prozess nachzuvollziehen. Daraufhin werden in Kapitel 11 alle Konstellationen und Übungen beschrieben, mit deren Hilfe sich die Teilnehmer verorten, vernetzen, einreihen und wie sie sich als Team zeigen.

Auch im nachfolgenden Kapitel 12 bricht der Autor mit den Übungen ein Tabu. Er beschreibt und empfiehlt Übungen, bei denen sich die Teilnehmer in eine Reihenfolge stellen, um Rangfolgen und somit auch Positionen und Plätze in Teams deutlich zu machen. Es geht zum Beispiel nach Alter, Kompetenz, Einsatz, Leistung oder sonstige Potenziale. Dem Leser wird hier schnell klar, dass viel Konfliktpotential in diesen Übungen steckt. Diese Übungen geben durch die möglicherweise intensiven Gefühlsregungen der Teilnehmer Anlass zum Zweifel an dem Vorgehen. Armin Poggendorf ist sich dieser Tatsache bewusst und macht daher alle Übungen und Übungsschritte deutlich, plausibel und argumentiert gewissenhaft.

Als eine wertvolle Form für Feedback beschreibt er die Form der organisierten Reihengespräche. Diese Form beschreibt omnilaterale Beziehungen im Team, bei der jeder mit jedem in eine Beziehung tritt.

Der fünfte Teil erläutert in drei Kapiteln einige Methoden wie Rollenspiel, Psychodrama, Aufstellungen, systemische Inszenierungen und Sketche, wodurch die die Teamdynamik eine spielerische Ergänzung bekommt.

Für Leser mit wenig Zeit, bietet der Autor im Anhang eine komprimierte Übersicht über alle vier Grundsäulen und einer guten Zusammenfassung der gesamten Methodik.

Armin Poggendorf bietet ein umfangreiches, kleinschrittiges, pragmatisch vorgehendes Werk zur Umsetzung der Angewandten Teamdynamik an. Das Buch eignet sich als Nachschlagewerk ebenso wie als Prozessbegleiter. Einzelne Übungen können auch, ohne das ganze Buch gelesen zu haben, umgesetzt und ausprobiert werden. Um nach dem Konzept in vollem Umfang trainieren zu können, wird der erfahrene Leser erkennen, dass die Methode vorher selbst erlebt werden sollte. Dies und der begrenzte Rahmen von 10 bis 15 Teilnehmern ist dabei eine auffindbare Hürde beim Ausprobieren.

Mit lebendiger Art, teils mit einem Augenzwinkern, teils mit beherzter Konkretheit liest sich dieses Buch einfach und flüssig. Die Anreicherung mit Bildern, Skizzen und mit Kommentaren von Teilnehmern ist zugleich erfrischend wie hilfreich. Die Methode nach Armin Poggendorf kann in eine Rubrik mit Systemischer Beratung, Mediation, Supervision, NLP und Aufstellungsarbeit gestellt werden. Wie in dieser Rubrik üblich, zeigt sich der Erfolg allerdings an anderen Stellen. Anhand jahrelanger Erfahrung des Autors auf dem Gebiet der Teamdynamik, ausgebuchten Workshops, hoher Nachfrage und den positiven Feedbacks der Teilnehmer scheint die Angewandte Teamdynamik eine erfolgreiche Methode zu sein, mit noch wenig Bekanntheitsgrad. Das Buch kann als ein Grundlagenwerk für Trainings und deren Akteure im Bereich der Team- und Persönlichkeitsentwicklung gesehen werden. Es ist für eine breite Leserschaft im Bereich des Trainings, der Pädagogik und der Beratung zu empfehlen. An dieser Stelle muss allerdings auf die teils fehlende empirische, wissenschaftliche Fundierung der Angewandten Teamdynamik hingewiesen werden.
Stefanie Konrad (Rostock)
Zur Zitierweise der Rezension:
Stefanie Konrad: Rezension von: Poggendorf, Armin: Angewandte Teamdynamik, Methodik für Trainer, Berater, Pädagogen und Teamentwickler. Berlin: Cornelsen 2012. In: EWR 12 (2013), Nr. 1 (Veröffentlicht am 19.02.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978358924204.html