„Wer mit Handbüchern arbeitet, weiß, dass es zwar vorteilhaft ist, die jüngste Auflage oder Neuerscheinung zur Hand zu haben, dass das Neueste jedoch das Ältere eher ergänzt als überflüssig macht“ (Weinberg 1996, 110) [1]. Mit diesem Satz beginnt Johannes Weinberg seine Besprechung der ersten Auflage des hier in Rede stehenden Handbuchs Erwachsenenbildung / Weiterbildung und so analysiert Weinberg den Band auf Neues hin und verweist zugleich auf Älteres. Eingedenk dieses Prinzips möchte ich bei meiner Besprechung das Hauptaugenmerk auf die Erweiterungen und Überarbeitungen legen, ist es doch der explizite Anspruch der Herausgeber, durch eben diese Erweiterungen und Überarbeitungen eine „breite und synthetisierende Darstellung des Wissenstandes im Gebiet Erwachsenenbildung“ (19) vorzulegen. Dabei ist bereits vorab darauf zu verweisen, dass hier ein Band vorliegt, der im Zentrum der Fachdisziplin liegt. Tippelt und von Hippel weisen zu Recht darauf hin, dass die „starke Nachfrage der interessierten Fachöffentlichkeit aber auch die fachinterne Rezeption […] dieses Handbuch für den Bereich der Erwachsenenbildung / Weiterbildung zu einem Standardwerk [hat] werden lassen“ (9).
Die hier in Rede stehende dritte Auflage des Handbuchs umfasst insgesamt acht Kapitel, die sich im Vergleich zur zweiten Auflage von vor zehn Jahren teilweise in den Überschriften, deutlich jedoch in den Zuschnitten der Kapitel und aufgenommenen Themen verändert haben.
Das erste Kapitel, nun überschrieben mit „Geschichte der Erwachsenenbildung“, beinhaltet wie auch in der zweiten Auflage drei Beiträge. Dabei ist der gleichlautende Beitrag von Tietgens unverändert abgedruckt, während Feidel-Mertz ihren Beitrag zur „Erwachsenenbildung im Nationalsozialismus“ gänzlich, Siebert seinen mit dem Fokus auf alte und neue Bundesländer in Teilen überarbeitet vorlegen.
Im anschließenden Kapitel „Theoretische Ansätze der Erwachsenenbildung“ sind zwei Beiträge neu hinzugekommen, darüber hinaus wurden die Beiträge zu biographietheoretischen Ansätzen und systemtheoretischen Analysen in der Weiterbildung von neuen Autoren (Dieter Nittel sowie Harm Kuper und Katrin Kaufmann) vorgelegt. Mit Blick auf die neu aufgenommenen Beiträge trägt der Aufsatz von Kade, Seitter und Dinkelacker, überschrieben mit „Wissen(stheorie) und Erwachsenenbildung / Weiterbildung“ der Tatsache Rechnung, dass in den letzten zehn Jahren eine Vielzahl von (empirischen) Arbeiten in der Weiterbildung vorgelegt wurden, die einen wissenstheoretischen bzw. wissenssoziologischen Ausgangspunkt haben und von dort aus ihre Fragestellungen für die Erwachsenenbildung entfalten. Überraschend ist indes die Aufnahme eines Beitrages zu „Zeitfragen und Temporalität in der Erwachsenenbildung“ (vorgelegt von Sabine Schmidt-Lauff), da zumindest umstritten ist, inwiefern dieser Ansatz überhaupt als theoretische Perspektive (zumal in einem Rang mit Bildungs-, Sozialisations- und Systemtheorie) gelten kann und zudem die erwachsenenpädagogischen Arbeiten im Anschluss an dieses Konzept doch eher übersichtlich sind.
Das dritte Kapitel zu „Forschungsstrategien und Methoden“ sieht zwei Erweiterungen vor. Zum einen ist ein Beitrag von Sigrid Nolda zu Programmanalysen hinzugekommen. Zum anderen wurde ein Aufsatz zu „Messung und Zertifizierung von Kompetenzen in der Weiterbildung aus (inter-) nationaler Perspektive“ (Doris Edelmann) ergänzt, ein Themenbereich, der in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit innerhalb der Disziplin erfahren hat und zu dem inzwischen auch ein beachtlicher Kenntnisstand erarbeitet wurde.
Im Kapitel „Institutionelle, finanzielle, rechtliche und personelle Grundlagen“, mit insgesamt 18 Beiträgen das umfangreichste Kapitel, lassen sich ebenfalls umfassende Ergänzungen und Überarbeitungen verzeichnen. Zum einen sind diese mehr oder weniger überfälligen Charakters, wenn etwa der vormalige Beitrag „Weiterbildungsgesetze der Länder“ nun durch einen ausführlichen Beitrag „Rechtliche Grundlagen der Weiterbildung“ von Grotlüschen, Haberzeth und Krug ersetzt wurde. Als weiteres Beispiel lässt sich auch die Ergänzung eines Beitrages zu Fragen der Internationalität unseres Faches („Internationale Perspektiven der Erwachsenenbildung“, Christine Zeuner) nennen.
Zum anderen sind die Neuerungen in diesem Kapitel den Entwicklungen im Fach selbst geschuldet. Am deutlichsten wird dies bei der (erwachsenen-) pädagogischen Organisationsforschung, die sich in den letzten zehn Jahren zu einem umfassenden Forschungsstrang innerhalb unserer Disziplin mit bemerkenswerten empirischen und theoretischen Beiträgen entwickelt hat. Der Beitrag von Tippelt zu „Institutionenforschung in der Erwachsenenbildung / Weiterbildung“ fängt eben diese Entwicklung ein. Zugleich ist mit Blick auf die Dynamik der letzten zehn Jahre eine erneute Lektüre des gleichlautenden Beitrages von Strunk aus der zweiten Auflage aufschlussreich, nimmt dieser sich doch noch eher auf Forschungsdesiderate fokussiert und normativ aus.
Das fünfte Kapitel behandelt „Bereiche der Weiterbildung“. Die Komposition der Beiträge bleibt hier weithin stabil, einzig neu hinzu kommt der Beitrag zu „Erwachsenenbildung und Medien“ von Aiga von Hippel. Gleichsam werden die Beiträge umfassend überarbeitet von den gleichen Autoren oder aber komplett neu ausgearbeitet von neuen Autoren vorgelegt.
Das sechste Kapitel wird als solches im Vergleich zur vorangegangenen Auflage erweitert und neu strukturiert, da es sich nicht mehr nur auf Zielgruppen bezieht, sondern auch die Begriffe Adressaten und Teilnehmer einschließt. Strukturierende Funktion für dieses Kapitel hat insbesondere der erste Beitrag von Wittpoth, überschrieben mit „Beteiligungsregulation in der Weiterbildung“. Von diesem sehr guten Übersichtsaufsatz aus, der mit dem Begriff der Beteiligungsregulation die bereits in der Kapitelüberschrift angedeutete Perspektivenerweiterung nochmals unterstreicht, lassen sich sodann die einzelnen Spezialperspektiven erschließen, ohne den Gesamtzusammenhang und die Interdependenz der Einzelaspekte aus dem Blick zu verlieren.
Das Kapitel „Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung / Weiterbildung“ sucht ebenfalls mittels umfassender Überarbeitung der Beiträge durch jene Autoren, die den Beitrag bereits in der zweiten Auflage verfassten sowie durch die Vorlage neuer Beiträge dem Anspruch gerecht zu werden, die Entwicklungen der letzten zehn Jahre in diesem Bereich einzufangen. Allerdings wird das siebte Kapitel diesem Anliegen nur in Teilen gerecht und so ist festzuhalten, dass dieses Kapitel das schwächste des gesamten Handbuchs darstellt. Dies ist umso überraschender, als dieser Bereich doch – möchte man der Forschungslandkarte Weiterbildung [2] glauben – zu den forschungsstärksten gehört. Exemplarisch sei nur darauf verwiesen, dass der Band „Vom Lernen zum Lehren“ (Nuissl 2006) [3], der in den letzten Jahren eine der wegweisenden Arbeiten in diesem Bereich darstellt, in keinem der vorgelegten Beiträge in diesem Kapitel angeführt wird.
Das Handbuch endet mit einem Informationskapitel, das für den Bereich Erwachsenenbildung / Weiterbildung zentrale Internetquellen auflistet, die zur besseren Orientierung zudem mit erläuternden Kurzkommentaren versehen worden sind.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Tippelt und von Hippel ein umfangreiches, den Entwicklungen seit der im Jahre 1999 erschienenen zweiten Auflage cum grano salis Rechnung tragendes Nachschlagewerk vorlegen [4]. Es wird auch weiterhin Lehrenden und Studierenden an Hochschulen sowie Praktikern und Praktikerinnen eine hilfreiche Unterstützung sein, das eine zügige und umfassende erste Annäherung an ein Thema aus der Erwachsenenbildung / Weiterbildung erlaubt.
Die Tatsache, dass die dritte Auflage bereits vergriffen ist und derzeit eine vierte, überarbeitete vorbereitet wird, zeigt, dass dies bereits so gesehen wird.
[1] Weinberg, J: Rezension zu Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch der Erwachsenenbildung /Weiterbildung. Opladen 1994. In: Report – Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung. H. 38 (1996), 110-120
[2] Deutsches Institut für Erwachsenenbildung: Forschungslandkarte Erwachsenenbildung. Online unter http://www.die-bonn.de/forschungslandkarte.info/ (Stand: 24.1.2010)
[3] Nuissl, E. (Hrsg.): Vom Lernen zum Lehren. Lern- und Lehrforschung für die Weiterbildung. Bielefeld: 2006.
[4] Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung / Weiterbildung. Opladen: 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage 1999.
EWR 9 (2010), Nr. 1 (Januar/Februar)
Handbuch Erwachsenenbildung / Weiterbildung
(3., überarbeitete und erweiterte Auflage)
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009
(1105 S.; ISBN 978-3-531-15506-7; 79,90 EUR)
Michael Schemmann (Gießen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Michael Schemmann: Rezension von: Tippelt, Rudolf / Hippel, Aiga von (Hg.): Handbuch Erwachsenenbildung / Weiterbildung, (3., überarbeitete und erweiterte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften . In: EWR 9 (2010), Nr. 1 (Veröffentlicht am 05.02.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978353115506.html
Michael Schemmann: Rezension von: Tippelt, Rudolf / Hippel, Aiga von (Hg.): Handbuch Erwachsenenbildung / Weiterbildung, (3., überarbeitete und erweiterte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften . In: EWR 9 (2010), Nr. 1 (Veröffentlicht am 05.02.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978353115506.html