In den bildungspolitischen Diskussionen der letzten Jahre rückt das Verlangen nach einer Stärkung der internationalen Dimension im Lehramtsstudium in den Fokus und avanciert zum Kernthema bildungspolitischer und wissenschaftlicher Debatten. Deutsche Hochschulen reagieren auf die Forderungen mit Internationalisierungsstrategien und die Hochschulrektorenkonferenz zeichnet Beispiele guter Praxis aus. Zudem gibt es vermehrt Fachtagungen und Publikationen mit Konzepten zur Steigerung der Internationalisierung der Lehrer/innenbildung und mit Einblicken in die Umsetzung. Auch die Herausforderungen des heterogener werdenden Klassenzimmers verlangen ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz seitens der Lehrkräfte.
Unter Internationalisierung wird im Kontext des Lehramtsstudiums vor allem die Verflechtung von Internationalisierungsprozessen at home und abroad, die Internationalisierung der Curricula sowie die Auslandsmobilität Studierender verstanden (1). Die Herausgeber/innen des Sammelbandes „Internationalisierung des Lehramtsstudiums“ möchten diese und andere Sektionen aktueller Diskussionen kritisch-reflexiv betrachten, den Diskurs um die Internationalisierung der Lehrerinnenbildung aufnehmen und weiterführen, indem Konzepte zur Internationalisierung, Beispiele aus der Praxis und empirische Befunde zu Effekten von Auslandsaufenthalten geliefert werden. Zudem will der Band Fragen zur strategischen Planung von Bildungskooperationen beantworten.
Der Sammelband gliedert sich nach einer strukturierenden Einleitung in vier Kapitel. Das erste Kapitel „Zugänge und Konzepte zur Internationalisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ betrachtet unterschiedliche Ansätze der Internationalisierung der Lehramtsausbildung. Kapitel 2 „Reflektierte Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis“ stellt sechs Beispiele aus Jena, Potsdam, Erfurt, Ludwigsburg und Köln vor. Das dritte Kapitel „Befunde und Berichte zur Mobilität und Persönlichkeitsentwicklung“ stellt empirische Befunde zur Mobilität im Lehramtsstudium vor, diskutiert diese kritisch und exemplifiziert sie. In Kapitel 4 „Strategische Bildungskooperationen“ geht es um strategische Bildungsplanung im Bereich internationaler Bildungskooperationen.
Der Band möchte den interdisziplinären Diskurs zur Internationalisierung der Lehrer/innenbildung weiterführen. Das gelingt ihm zum einen, indem er Einblicke in empirische Befunde und praktische Beispiele der Modellierung und Umsetzung von Auslandsaufenthalten liefert. Die Beiträge von Frederik Ahlgrimm, Andrea Westphal, Anne Wallert und Sebastian Heck sowie von Jan Kercher und Martin Schifferings nutzen empirische Befunde zu Motiven und Hürden für Auslandsmobilität von Lehramtsstudierenden in Deutschland und leiten daraus Implikationen und praktische Ansätze zur Erhöhung der Auslandsmobilität ab.
Eine Vielzahl praktischer Beispiele stellt der Band im Hinblick auf Hürden, Nutzen und mögliche Adaption verschiedener Umsetzungskonzepte vor. Susann Eberhardt, Nancy Grimm und Carolin Thiel stellen beispielsweise das „Praxissemester im Ausland“ der Universität Jena vor. Die Universität etablierte Schulpartnerschaften mit deutschen Auslandsschulen und nationalen und internationalen Schulen weltweit. Ein weiteres Beispiel präsentieren Frederik Ahlgrimm und Daniel Kubicka von der Universität Potsdam, an der Lehramtsstudierende im Zuge ihres Praxissemesters ein Schulpraktikum an Deutschen Auslandsschulen absolvieren können. Auch die Universität Erfurt nutzt das „Komplexe Schulpraktikum“ als Mobilitätsfenster im Lehramtsstudium. Madlen Protzel und Sigrid Heinecke stellen in ihrem Beitrag dar, wie die Studierenden das webbasierte Open-Source E-Portfoliosystem Mahara zur Kommunikation mit Kommilitonen, für das Anfertigen eines Lerntagebuchs und für das Sammeln und Verwalten von Dokumenten, Bildern und Videos nutzen. Auch die Begleitung und Betreuung durch die Universität erfolgt über Mahara (147f).
Astrid Krämer und Jan Springob stellen in ihrem Beitrag das Modellprojekt „Teaching Practice for Europe“ der Universität Köln vor. Die Hochschule kooperiert mit der PH Stefan Zweig in Salzburg, der Hope University Liverpool und der Universidad Europea de Madrid und konzeptioniert eine internationale Praxisphase mit eigenständigem Seminarformat. Binationale Studierendentandems bearbeiten über digitale Medien Aufgaben und reflektieren nach dem Praktikum an einem der vier Standorte gemeinsam die Auslandsaufenthalte (204f).
Neben Beispielen aus der Praxis präsentiert der vorliegende Sammelband Effekte von Auslandsaufenthalten auf den berufsbezogenen Kompetenzerwerb und die Persönlichkeitsentwicklung der Lehramtsstudierenden. Kercher und Schifferings erstellen eine Meta-Analyse von insgesamt 33 internationalen Studien, um Aussagen zu Erträgen und Wirkungen von Auslandsaufenthalten auszumachen. Aus zwei Erfahrungsberichten der Jenaer Lehramtsstudierenden Paul Menger und Miriam Ullmann geht eine starke Persönlichkeitsentwicklung im Hinblick auf Selbstständigkeit und Situationsbewältigungskompetenz sowie auf Zeitmanagement und interkulturelle Kompetenz hervor. Frederic Rossié verbindet in seinem Beitrag seine Erfahrungen von Auslandsaufenthalten in Großbritannien, Russland, Tansania und Indien mit dem Zuwachs persönlicher Kompetenz, die er besonders im Hinblick auf kulturelle Heterogenität und Offenheit steigern konnte.
Anreize schafft der Sammelband für die Lehrerbildung durch das Vorstellen strategischer internationaler Bildungskooperationen und Mobilitätsprogramme. Andreas Jantowski zeigt zunächst Rahmen- und Gelingensbedingungen, Grenzen und Gefahren in der Umsetzung strategischer Planungsprozesse im Bildungsbereich auf. Am Beispiel der Kooperation zwischen der Universität Jena und der E.E. Waddell Language Academy, Charlotte, USA, zeigt Bernd Nuss, wie eine internationale Kooperation im Rahmen eines Schulpraktikums gelingen kann.
Das Mobilitätsprogramm SCHULWÄRTS! des Goethe-Instituts München stellen Tobias Trutz und Jennifer Waag vor. Das stipendienbasierte Programm vermittelt Schulpraktika für Lehramtsstudierende an vom Goethe-Institut betreute Schulen im Ausland. Eine weitere Wirkungsstätte der Internationalisierung der Lehrer/innenbildung sind die deutschen Auslandsschulen, die Carola Förster in ihrem Beitrag mit Bezug zur Geschichte und zu den Handlungsfeldern darlegt.
Den Herausgebern des Bandes gelingt es, den Diskurs um die Internationalisierung der Lehrer/innenbildung weiterzuführen. Vor allem die weitreichenden, unterschiedlichen Konzepte zur Durchführung von Auslandsschulpraktika dienen der Inspiration und zeigen, welche Probleme, wie beispielsweise die Wahl der (digitalen) Lernform für die universitäre Begleitung während des Auslandspraktikums oder der Gewährleistung eines universitären Anteils im Praxissemester im Ausland, gelöst werden können. Eine besondere Stärke des Bandes sind die vielfachen Empfehlungen und Beispiele für die Gründung bildungspolitischer Kooperationen zwischen Schulen und Universitäten. Detailliert werden dem Leser bzw. der Leserin dabei nicht nur die vielen Möglichkeiten, sondern auch Grenzen oder Hürden aufgezeigt.
Dem Attribut „international“ wird der Sammelband leider insofern nicht gerecht, dass nur die deutsche Perspektive und deutsche Praxisbeispiele ausschließlich von deutschen Autor/innen in ihm zu finden sind. Dies verengt den Blickwinkel. Zudem vermisst man Beispiele über die Verankerung internationaler Aspekte in den Curricula. Der Fokus des Bandes liegt stark auf Auslandsmobilität und bearbeitet daher die Internationalisierung „at home“ zu wenig. Darüber hinaus wäre es wünschenswert gewesen, die Mobilität der Lehramtsstudierenden auch vor dem Hintergrund der Bildung für nachhaltige Entwicklung reflektiert zu sehen, da die Internationalisierung des Lehramtsstudiums einhergehen sollte mit der Sensibilisierung zukünftiger Lehrer/innen für globales Lernen.
Insgesamt bleibt der Sammelband trotz dieser Einschränkungen ein lesenswertes Buch, das den Erfahrungsraum praktischer Umsetzungen erweitert und überzeugende Anregungen für lehrerbildende Institutionen liefert.
EWR 18 (2019), Nr. 2 (März/April)
Internationalisierung des Lehramtsstudiums
Modelle, Konzepte, Erfahrungen
Paderborn: Ferdinand Schöningh 2019
(412 S.; ISBN 978-3-506-72845-6; 99,00 EUR)
Sarah Wedde (Kassel)
Zur Zitierweise der Rezension:
Sarah Wedde: Rezension von: Falkenhagen, Charlott / Grimm, Nancy / Volkmann, Laurenz (Hg.): Internationalisierung des Lehramtsstudiums, Modelle, Konzepte, Erfahrungen. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2019. In: EWR 18 (2019), Nr. 2 (Veröffentlicht am 10.05.2019), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978350672845.html
Sarah Wedde: Rezension von: Falkenhagen, Charlott / Grimm, Nancy / Volkmann, Laurenz (Hg.): Internationalisierung des Lehramtsstudiums, Modelle, Konzepte, Erfahrungen. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2019. In: EWR 18 (2019), Nr. 2 (Veröffentlicht am 10.05.2019), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978350672845.html