Es fällt schwer, einen systematischen Überblick über die Inhalte des Bandes zu geben, wird doch ein Konglomerat an Aspekten behandelt. Auswahlkriterium scheint gewesen zu sein, was die beiden Autoren für wichtig halten. Nicht von Vornherein muss dies ein Manko darstellen, dennoch erschwert es die Rezeption. Die Problematik eines unsystematischen Zugriffs wiederholt sich innerhalb der einzelnen Kapitel: Nicht immer behandeln sie das, was sie im Titel versprechen. Mal bleiben Lücken, mal geht die Darstellung über das hinaus, was im Titel angedeutet wird. Damit stellen sich für eine/n Leser/in die Fragen: Warum gerade diese Kapitel, warum die gewählten Aspekte innerhalb eines Kapitels, warum die jeweiligen Beispiele? Zur Illustration: Im Kapitel „Antinomien im Lehrerberuf oder: Über den dornigen Weg zum guten Unterricht“ wird schon die Verknüpfung zwischen den Titel-Bestandteilen vor und nach dem „oder“ nicht geleistet. Noch schwieriger wird der Nachvollzug, wenn man feststellt, dass in diesem Kapitel zudem Berufswahlmotive und Persönlichkeitseigenschaften von Lehrpersonen behandelt werden – und das Übungsvideo dann schließlich eine Unterrichtsstörung, genauer einen Konflikt zwischen zwei Schülern behandelt.
Dass mit diesem unsystematischen Vorgehen auch Glanzpunkte verbunden sind, soll nicht verhehlt werden. Zum Thema Unterrichtsbeobachtung haben die beiden Autoren faszinierende Beispiele zusammengetragen und anschaulich aufbereitet. Zwei Beispiele:
- Im kritisierten Kapitel zu Antinomien im Lehrerberuf wird eine Unterrichtsszene präsentiert, die auf den ersten Blick eine Interpretation als de-eskalierende Form der Konfliktlösung durch die Lehrerin nahe legt. Im Kapitel zur Unterrichtsbeobachtung wird dieses Beispiel wieder aufgegriffen. Durch die nun angleitete Beobachtung der Szene erfolgt eine exaktere Auseinandersetzung und es werden zuvor übersehene Aspekte deutlich, die eine völlig andere Interpretation nahe legen.
- Den Leser/innen werden acht Unterrichtsprotokolle zu Stunden präsentiert, in denen Lehrpersonen nach der Methode des entdeckenden Lernens unterrichten. Hinzugefügt sind Bewertungen der Stunden durch Experten, die sich hinsichtlich der Qualitätseinschätzungen deutlich unterscheiden. Der Clou ist nun – dies erfahren die Leser/innen aber erst, nachdem sie aufgefordert waren, sich selbst mit den Protokollen auseinander zu setzen –, dass sich Protokolle und Bewertungen auf ein und dieselbe Unterrichtsstunde beziehen. Sie wurden angefertigt, nachdem diese als Video vorgeführt wurde – auf diese Weise sollte es sehr gut gelingen, Studierende und Referendare für die Tücken der Wahrnehmung von Unterricht zu sensibilisieren.
Dem Band liegt eine DVD bei, die Videosequenzen und online-Übungen enthält. Hier zeigt sich dann wiederum der produktive Mehrwert eines umfangreichen Praxisbezugs, da so die Voraussetzungen geliefert werden können, die die im Titel des Bandes versprochene „erfahrungsfundierte“ Einführung erfordert. Die Möglichkeiten, Bild und Ton zu kombinieren sowie längere Unterrichtssequenzen zu zeigen, sind gerade in der Lehrerausbildung wichtig. Die mit der Beilage von DVDs verbundenen technischen Herausforderungen sind geschickt gelöst: Es sind nur Basis-Kenntnisse zur Computerbedingung erforderlich, die Videos liegen im wmv-Format, Texte und Darstellungen im pdf-Format vor, die beide mit frei im Internet zugänglicher Software gelesen werden können. Eine Erprobung der DVD durch die Rezensentin ging mit keinerlei technischen Schwierigkeiten einher. Für die online-Übungen ist ein Windows-Betriebssystem Voraussetzung, das bei Studierenden und Referendaren Standard sein dürfte.
Aus didaktischer Sicht bemerkenswert ist die Option, Musterlösungen aufrufen zu können, und zwar sowohl gute Lösungen als auch – aus Sicht der Autoren – weniger gelungene. Dies ist ein sehr aufwändiges Unternehmen, das für individuelles Lernen unter Lernkontroll-Gesichtspunkten nicht hoch genug bewertet werden kann. Die Autoren stützen sich dabei auf reale Beispiele von (vermutlich) Referendar/inn/en. Für die Bearbeitung der Übungen sind zwischen 25 und 75 Minuten einzuplanen. Darüber hinaus kann die DVD in universitären Lehrveranstaltungen eingesetzt werden, und zwar in der Fassung, wie sie dem Band beiliegt, oder aber – gegen Aufpreis – in einer aktualisierten und erweiterten Fassung.
Fazit: Für die Lehrerausbildung liefert der Band einen interessanten Pool an Aufgaben für Studierende und Referendare. Die Beispiellösungen stellen zudem eine fundierte Basis für Lernkontrollen dar. Für eine wissenschaftlich fundierte Erarbeitung der jeweiligen Themen muss jedoch weitere Literatur herangezogen werden.