EWR 5 (2006), Nr. 5 (September/Oktober 2006)

Ingrid Gogolin / Marianne Krüger-Potratz
Einführung in die Interkulturelle Pädagogik
(Reihe Einführungstexte Erziehungswissenschaft; Bd. 9)
Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich; UTB 2006
(261 S.; ISBN 3-8252-8246-5; 14,90 EUR)
Einführung in die Interkulturelle Pädagogik Die „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“ ist der neunte Band einer insgesamt sechzehn Bände umfassenden „Lehrtextreihe“. Aus diesem Grund folgt die Publikation in ihrer inhaltlichen Gliederung eng dem Konzept, das allen „Einführungstexte(n) Erziehungswissenschaften“ dieser Reihe zugrunde liegt. Neben der Geschichte des Feldes und der Teildisziplinen werden Grundbegriffe und Theorieansätze dargestellt. Ebenso werden zentrale Forschungsfelder und Forschungsthemen aufgezeigt. Über diese Fragen hinaus benennen die Autorinnen auch Studiertipps bzw. Studienorte sowie Institutionen und Arbeitsfelder. Wie auch in den anderen Bänden wird zudem die Frage der Berufschancen für Absolventen thematisiert. Ausführliche Literaturempfehlungen stehen am Ende jeder Einführung. Die Publikationen dieser Reihe wenden sich vor allem an Studierende, die einen ersten Einblick in ein Fachgebiet erhalten wollen. Diesem Anliegen entspricht die Gesamtkonzeption dieser Reihe, vor allem durch den gut strukturierten inhaltlichen Aufbau der einzelnen Bände.

Die „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“ ist in sieben Kapitel untergliedert. Zu Beginn werden zunächst „die Herausforderungen der Pädagogik durch gesellschaftliche Heterogenität“ dargestellt. Im ersten Teil wird kurz die gegenwärtige gesellschaftliche Lage und ihre wahrscheinliche Entwicklung beschrieben („Heterogenität als Lebens- und Bildungsbedingung“). Mit Internationalen Migrationen als „Motoren für die Zunahme gesellschaftlicher Heterogenität“ setzt sich der zweite Teil des ersten Kapitels auseinander. Die Autorinnen zeigen auf, dass die „Diversifizierung der regionalen Herkünfte“ der Migranten von Bedeutung ist. Kritisch merken sie an, dass in Deutschland keine systematischen Daten über Sprachen existieren, obwohl dies bedeutsam ist. Denn neue Formen der Migration zeigen, dass die Annahme, dass man nach zwei bzw. drei Generationen mit einer „vollständigen Anpassung an die altansässige Bevölkerung rechnen könne“, nicht zutrifft (26). Daher müssen Pädagogische Handlungsfelder, wie die Autorinnen betonen, bei den neueren Entwicklungen des Migrationsgeschehens auch „Transmigration“ mit einbeziehen.

Bereits zu Beginn des Bandes weisen die Autorinnen zudem darauf hin, dass Interkulturelle Pädagogik sich „nicht auf eine bestimmte Zielgruppe als „Verursacher“ oder „Opfer“ von Heterogenität – beispielsweise die Gruppe der „Zuwanderer“ – konzentriert (13). Denn „das Merkmal Staatsangehörigkeit“ enthält an sich „keine für den Erziehungs- und Bildungssektor bedeutsamen Hinweise“. Dagegen unterstreichen die Autorinnen die Bedeutsamkeit von sozialen Aspekten, von religiösen oder weltanschaulichen Bindungen und der sprachlichen Situation, zudem die „Gestaltung des Migrationsprozesses“ (16).

Im zweiten Kapitel „Migration und sprachlich-kulturelle Heterogenität in Deutschland“ zeigen die Autorinnen, dass die weit verbreitete Auffassung, Migrationsgeschichte setze erst nach 1945 ein bzw. sei erst ab dieser Zeit für den Bildungsbereich von Bedeutung, nicht haltbar ist. Heterogenität ist, wenn man die Geschichte der Migration genauer betrachtet, vielmehr „historischer Normalfall“. An den Städten Berlin und Hamburg wird dies exemplarisch verdeutlicht.

Es verwundert nicht, dass bildungspolitische Auseinandersetzungen mit sprachlich-kultureller, ethnischer und nationaler Heterogenität und somit auch Ausgrenzungen bereits seit der Herausbildung der Nationalstaaten stattfanden. Im dritten Kapitel („Geschichte der Fachrichtung Interkulturelle Pädagogik in der Erziehungswissenschaft“) wird dies im ersten Teil näher ausgeführt. Im Gegensatz zur „historischen Genese“ steht die erst „kurze Geschichte“ der Disziplin, der Fachrichtung Interkulturelle Pädagogik, die erst in den 1960er/1970er Jahren begann. Diese wird in einem eigenen Abschnitt dargestellt und ebenso hinsichtlich ihres Umgangs mit Heterogenität kritisch hinterfragt.

Eine Auseinandersetzung mit dem Kernbegriff „Kultur“ wird zu Beginn des vierten Kapitels, in dem zentrale „Theorien und Konzepte“ Interkultureller Pädagogik vorgestellt werden, geführt. Die verschiedenen dargestellten Ansätze zeigen nicht nur hinsichtlich ihres Verständnisses des Kulturbegriffes bzw. seiner Funktion Differenzen. Auch die unterschiedlichen theoretischen Rahmungen, die sich durch die Bezugnahme auf verschiedene wissenschaftliche Disziplinen bzw. Subdisziplinen zeigen, verweisen auf wesentliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Ansätzen der Interkulturellen Pädagogik. Vor allem der essentialistische Ansatz, der „kulturelle(n) Differenz“ in einer kulturalisierenden Weise verwendet, wird von den Autorinnen beanstandet. Auch so genannte Kulturanthropologische Ansätze, die die Begegnung und den Dialog als Mittel sehen, um zur Anerkennung des Anderen zu kommen, sehen die Autorinnen kritisch, da gesellschaftliche Machtverhältnisse hierbei ausgeblendet blieben. Gesellschaftstheoretisch orientierte Ansätze dagegen suchten gezielt nach „Machtmechanismen“ und reflektierten in diesem Sinne auch die Verwendung des Kulturbegriffes („Von wem und zu welchem Zweck wird von der Berufung auf „Kultur“ Gebrauch gemacht?“).

Vor allem die in diesem Kapitel stets begründete Verknüpfung zwischen den zentralen Begriffen (Kultur, Ausländer, Nation) mit den dargestellten theoretischen Ansätzen führt hoffentlich dazu, dass Konstrukte wie beispielsweise das 'türkische Mädchen' oder 'Schulklassen mit vielen Kulturen' von Studierenden nach der Lektüre nicht mehr unhinterfragt verwendet werden.

Einen breiten Überblick über „ausgewählte Forschungsfelder und Forschungsthemen“ bietet das fünfte Kapitel. Dargestellt werden die folgenden fünf: 1. Bildungsgeschichtliche Forschung, 2. International und interkulturell vergleichende Forschung, 3. Interkulturelle Bildungsforschung, 4. Interkulturelle Schul- und Unterrichtsforschung und 5. Sprachbezogene Forschung in der Interkulturellen Pädagogik. Dabei werden in den einzelnen Unterkapiteln jeweils verschiedene „Analyseweisen“ ebenso wie „zentrale Forschungsergebnisse“ vorgestellt und diskutiert. Die Autorinnen zeigen auch, welche Untersuchungen ihrer Ansicht nach noch fehlen (beispielsweise „Studien, die der Frage nachgehen, welche strukturellen und organisationalen Veränderungen und pädagogischen Ansätze sich eignen, um den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu erhöhen“ (150).

Insbesondere Studienanfänger werden die beiden folgenden Kapitel interessiert lesen: „Praxisfelder, Studienangebote und Studiertipps“ werden im sechsten Kapitel vorgestellt und anschließend, im siebten Kapitel, werden „Hilfen zur Orientierung und zum wissenschaftlichen Arbeiten“ geboten. Auch das umfangreiche Literaturverzeichnis am Ende des Bandes ermöglicht weitere Studien. Diese Kapitel zeichnen sich, wie das Buch insgesamt, zum einen durch einen klaren, nachvollziehbaren Aufbau aus (Einführungen, Zusammenfassung, klare Überschriften) und zum anderen durch eine sprachliche Vermittlung, wie man sie sich für eine Einführung wünscht. Positiv kann zudem noch angefügt werden, dass bei dem Preis von nur 14,90 Euro die Anschaffung dieses Einführungsbandes allen Studierenden empfohlen werden kann.

Der Intention, die der gesamten Lehrtextreihe zugrunde liegt, Grundlagentexte für einführende Lehrveranstaltungen zu bieten, entspricht die „Einführung in die Interkulturelle Pädagogik“, wie aufgezeigt wurde, in vollem Maße.
Eva Gläser (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Eva Gläser: Rezension von: Gogolin, Ingrid / Krüger-Potratz, Marianne: Einführung in die Interkulturelle Pädagogik, (Reihe Einführungstexte Erziehungswissenschaft; Bd. 9). Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich; UTB 2006. In: EWR 5 (2006), Nr. 5 (Veröffentlicht am 29.09.2006), URL: http://klinkhardt.de/ewr/82528246.html