EWR 2 (2003), Nr. 6 (November/Dezember 2003)

Andreas Helmke
Unterrichtsqualität
Erfassen. Bewerten. Verbessern
Seelze: Kallmeyer 2003
(316 Seiten; ISBN 3-7800-1004-6; 19,90 EUR)
Unterrichtsqualität In den letzten Jahren ist immer mehr zu beobachten, dass das System Schule zunehmend in den Sog einer alle gesellschaftlichen Teilbereiche erfassenden Systemeffektivität gerät. Nicht zuletzt aufgrund des "TIMSS-Schock" und der "PISA-Katastrophe" wurde Schule bezüglich ihrer unterrichtlichen Wirkungen bei Schülerinnen und Schülern thematisiert und die sogenannte "Outputorientierung" proklamiert. Der Begriff zeigt, dass für dieses Anliegen häufig Anleihen aus der Wirtschaft adaptiert wurden, die teils kritisch, teils affirmativ Eingang in die fachliche Diskussion gefunden haben. Am Begriff der "Unterrichtsqualität" und seiner schnellen Verbreitung ist die Entwicklung fast beispielhaft abzulesen. Er beschreibt mit dem Bildungsprozess und dessen Ergebnis ein Doppeltes.

Andreas Helmke kommt nun das Verdienst zu, mit "Unterrichtsqualität. Erfassen. Bewerten. Verbessern." ein Buch geschrieben zu haben, das sich vor allem an die Praxis wendet. Als Adressaten benennt er primär Lehrkräfte und Schulleitungen, weiterhin Studierende des Lehramts – hier vor allem in der 2. Phase der Lehrerausbildung -, der Psychologie und Pädagogik und Schulpsychologen. Eine vorangegangene Fassung des Franz Emanuel Weinert gewidmeten Buches ist als "Studienbrief" im Rahmen des Lehrgangs "Schulmanagement" des Zentrums für Fernstudien und universitäre Weiterbildung an der Universität Kaiserslautern entstanden.

Dem Titel entsprechend bestimmen drei Leitfragen den Inhalt: Was ist guter Unterricht? Wie kann man die Wirksamkeit des Unterrichts erfassen und bewerten? Wie lässt sich Unterricht verbessern? Um diese Fragen zu beantworten, stellt Helmke im zweiten Kapitel zuerst die Theorien und Konzepte zur Unterrichtsqualität dar und wirft dabei ein Licht auf grundlegende Orientierungen, Zielkriterien des Unterrichts sowie Theorien und Forschungstraditionen zur Unterrichtsqualität. Nach der Schilderung theoretischer Modelle des Lernprozesses wird die Frage nach der Unterrichtsqualität aus zwei Blickwinkeln beantwortet: Welches sind die für guten Unterricht erforderlichen Kompetenzen und welche Merkmale sind für die Beurteilung der Unterrichtsqualität relevant? Daran schließt sich ein von Fend und Helmke & Weinert entwickeltes "Angebots-Nutzungs-Modell" an, das versucht, Faktoren der Unterrichtsqualität in ein umfassendes Modell der Wirkungsweise und der Zielkriterien des Unterrichts zu integrieren.

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Thema "Lehrerexpertise, Kontext und Unterrichtsqualität". Helmke geht dabei auf die Merkmale von Lehrpersonen ein, beschreibt Kontextbedingungen der Unterrichtsqualität und führt nach Beiträgen zur Motivierungsqualität und Klassenführung in einen längeren und wichtigen Teil zur diagnostischen Expertise über. Standards, hier weitgehend unter der Perspektive der Standards für die Lehrerbildung, bilden das vierte Kapitel. Der Tatsache, dass immer wieder auf unterrichtsrelevante Ergebnisse zentraler Studien der letzten Jahre zurückgegriffen wird, trägt der Autor in Kapitel fünf Rechnung und stellt knapp Anlage und Ergebnis von 17 Studien in Deutschland und der Schweiz vor. Vorbildlich wird hier – wie in der gesamten Veröffentlichung – eine Vielzahl an Literaturverweisen und weiterführenden Internetadressen angegeben. Die Ausführungen kulminieren in den beiden abschließenden Kapiteln "Erfassung und Bewertung von Unterrichtsqualität" sowie "Unterrichtsverbesserung: Bedingungen und Methoden". Während bei ersterem Evaluationsverfahren, Methodenvielfalt, Lehrerangaben und besonders Schülerangaben zum Unterricht als Möglichkeit zur Verbesserung der Unterrichtsqualität thematisiert werden, bilden im letzten Kapitel Unterrichtsdiagnose, Parallel- und Vergleichsarbeiten, Handlungstraining und Microteaching die wichtigen Schwerpunkte.

Vorbildlich gestaltet sich die sehr übersichtliche Aufmachung, die am Schluss Verzeichnisse der verwendeten Abkürzungen, der Kästen, Abbildungen und Literatur ebenso enthält wie ein Autoren- und Stichwortregister. Im Anhang werden ein Ratingbogen zur Unterrichtsqualität , das Formular eines Unterrichtstagebuches und ein Verzeichnis unterrichtsrelevanter Videofilme abgedruckt. 30 eingearbeitete Reflexionsaufgaben regen zum Vorausdenken und Reflektieren an oder sind für die Hochschullehre nützlich.

Dieses Buch habe ich bezüglich theoretischer Kenntnisse und praktischer Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Unterrichtsqualität mit großem Gewinn gelesen. Die beeindruckende Fülle von Forschungsergebnissen aus dem angelsächsischen Raum regt zur Weiterbeschäftigung an. Mit Recht darf vermutet werden, dass dieses Werk von Andreas Helmke künftig zur allgemeinen Standardliteratur über Unterrichtsqualität gehören wird und es bleibt zu wünschen, dass es vor allem der Praxis einen Anstoß gibt, denn: "Wer wirklich will, kann mit der Selbstvergewisserung, der Diagnose, Evaluation und Verbesserung des eigenen Unterrichts jederzeit – schon morgen – beginnen..." (237), so zumindest die optimistische These von Andreas Helmke.
Albrecht Wacker (Ludwigsburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Albrecht Wacker: Rezension von: Helmke, Andreas: Unterrichtsqualität, Erfassen. Bewerten. Verbessern, Seelze: Kallmeyer 2003. In: EWR 2 (2003), Nr. 6 (Veröffentlicht am 01.12.2003), URL: http://klinkhardt.de/ewr/78001004.html