
Die vorliegende Monographie rekonstruiert und dokumentiert die Entstehung und Entwicklung des Leipziger Jüdischen Schulwerks (LJSW) von 1912 bis 1933. Gemeint ist damit zunächst die von dem neo-orthodoxen Rabbiner Dr. Ephraim Carlebach gegründete "Höhere Israelitische Schule". Die Bezeichnung "Schulwerk" ist insofern gerechtfertigt, als es sich im Laufe der Entwicklung um eine wechselnde Kombination verschiedener Schultypen (Volksschule, Höhere Töchterschule, Realschule für Knaben und Mädchen bis Klasse 10) gehandelt hat. Die wechselnden Bezeichnungen und mehrfachen Veränderungen bei den Schultypen innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne verweisen nicht nur auf den Kampf um eine möglichst weitgehende staatliche Anerkennung (bes. bei den Prüfungsberechtigungen) dieser Schule, sondern spiegeln auch die Veränderungen der schulpolitischen Rahmenbedingungen vom Kaiserreich über die Novemberrevolution bis zu den wechselnden politischen Konstellationen in der Weimarer Republik wider. Die Ursachen für die vielen Probleme, die dem Schulwerk bis 1933 entstanden, sind nach der Analyse der Verfasserin also nicht vorrangig auf antisemitische Motive zurückzuführen, obwohl diese sich auch schon vor 1933 auswirkten (vgl. S. 212 und 224 ff.).
Leipzig war insofern ein Sonderfall, als dort die "Ostjuden" ohne deutsche Staatsbürgerschaft die Mehrheit bildeten und dennoch eine Einheitsgemeinde bestand, in der die zumeist nicht orthodoxen deutschen Juden dominierten, da die Ostjuden nicht wahlberechtigt waren. Von der Gemeinde erhielt die Schule denn auch viele Jahre lang keine Unterstützung.
Nur eine deutsch-jüdische neo-orthodoxe Persönlichkeit wie Carlebach war in der Lage, ein solches Schulwerk mit beachtlichen Schülerzahlen (657 im Jahr 1922) ins Leben zu rufen und zu erhalten. Dabei gab ihm die Familie Carlebach eine große ideelle und materielle Unterstützung. Schulträger war der von orthodoxen Eltern gegründete Israelitische Schulverein Leipzig e.V., der auch für die Finanzierung sorgte.
Das Buch zeigt nicht nur die Entwicklung der Schule selbst, sondern auch das jeweilige politische und gesellschaftliche Umfeld. Zahlreiche Verbindungen werden auch zu Personen und Ereignissen hergestellt, die mit der Schule nicht direkt etwas zu tun hatten. Vielleicht ist es des Guten manchmal etwas zuviel. Auch manche Wiederholungen (etwa zu den Bildungszielen der Schule) erscheinen unnötig. Statt dessen wäre die Darstellung der gesamten Schulgeschichte bis zur Schließung 1942 in einem Band wünschenswert gewesen.
Doch liefert das Buch eine Fülle von gut dokumentierten Informationen und einen wertvollen Forschungsbeitrag. Dabei ist es stets angenehm zu lesen. Dazu tragen auch die aufwendigen Abbildungen von Photos, Schulakten, Zeitungsausschnitten etc. bei. Historisch interessierte Laien, die einen Einblick in jüdische Bildungsbemühungen bekommen wollen, sind mit dem Buch ebenso gut bedient wie wissenschaftliche Experten.