Die beiden Herausgeber der Reihe Basiswissen Sozialer Arbeit sind bzw. waren an der Universität Trier beschäftigt. Jörgen Schulze-Krüdener arbeitet am Fachbereich Sozialpädagogik, Hans Günther Homfeldt ist emeritiert.
Gegenstand der vorliegenden sechs Bände ist es, Lebensalter als institutionelles Arrangement bzw. soziale Figuration zu analysieren und darin eingebettet seine Bedeutung für die Disziplin und Praxis Sozialer Arbeit aufzuschließen. Neben den ersten Band mit grundlegenden Darstellungen zu den Lebensaltern und deren Erklärungswert für die Soziale Arbeit treten fünf Bände, die sich mit den einzelnen Lebensaltern auseinandersetzen:
• Bd. 1 – Eine Einführung (hrsg. von Andreas Hanses und Hans Günther Homfeldt)
• Bd. 2 – Kindheit (hrsg. von Heinz Sünker und Thomas Swiderek)
• Bd. 3 – Jugend (hrsg. von Jörgen Schulze-Krüdener)
• Bd. 4 – Junges Erwachsenenalter (hg. von Tim Rietzke und Michael Galuske)
• Bd. 5 – Erwachsenenalter (hrsg. von Wolfgang Schröer und Steve Stiehler)
• Bd. 6 – Ältere und alte Menschen (hrsg. von Kirsten Aner und Ute Karl).
Gemeinsam ist allen Bänden, dass sie das jeweilige Lebensalter aus pädagogischer und / oder soziologischer Perspektive thematisieren sowie aktuelle sozialpolitische Entwicklungen, bezogen auf die jeweiligen Lebensalter, und Aufgaben für die sozialarbeiterische Praxis formulieren. Die Klammer der sechs Bände bildet das grundlegende Thema Lebensalter, die inhaltliche Ausgestaltung oblag den jeweiligen HerausgeberInnen der einzelnen Bände.
Alle Bände sind thematisch gegliedert und enthalten neben einem inhaltlichen Zu-gang bzw. Vorwort zum jeweiligen Lebensalter – durch die HerausgeberInnen der jeweiligen Bände – eine Reihe von Beiträgen (Bd. 1: 13 Beiträge; Bd. 2: 7 Beiträge; Bd. 3: 11 Beiträge; Bd. 4: 10 Beiträge; Bd. 5: 15 Beiträge; Bd. 6: 19 Beiträge).
Hans Günther Homfeldt und Jörgen Schulze-Krüdener als Herausgeber der Reihe gehen von der Annahme aus, dass Lebensalter sowohl „soziale Konstruktionen jeweiliger gesellschaftlich-historischer Herausforderungen“ (Bd. 1, 1) als auch räumlich und zeitlich gebunden sind. Diesem Grundgedanken folgend, erhalten die Lebensalter bei der konkreten Ausgestaltung professioneller Handlungsgrundsätze Sozialer Arbeit immense Bedeutung. Die Autorinnen und Autoren der vorliegenden Bände leiten hieraus die Position ab, dass Theorie und Praxis Sozialer Arbeit nicht nur Themen und Organisationen als Analysegegenstand wahrzunehmen haben. Aufgabe Sozialer Arbeit ist es ebenso – bei gleichzeitiger Wahrnehmung der Entgrenzung von Lebensaltern und der Entstandardisierung von Lebensentwürfen –, die komplexen Lebenslagen von Individuen sowie deren individuelle Lebensgestaltung zu reflektieren.
Erst dadurch kann es Sozialer Arbeit möglich werden, den je spezifischen, sich an Lebensalter und Biografie orientierenden individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf abzubilden, zu benennen und passgenaue Hilfeangebote anzubieten. Anders formuliert: nicht ausschließlich Sachfragen und Themenfelder sind bedeutsam für die Soziale Arbeit, sondern ebenso die „Analyse der jeweiligen spezifischen Charakteristika einer Lebensphase“ sowie von „Veränderungen in den Lebensverläufen und Lebensentwürfen“ (ebd., 2). Homfeldt / Schulze-Krüdener sehen hierin das innovative Potential der Bände, auch in Fortführung der bisherigen Lebensalterforschung innerhalb Sozialer Arbeit, die sie besonders mit dem Namen Lothar Böhnisch verknüpfen.
Jedoch werden die von den Herausgebern formulierte Grundthese und die anvisierte Stringenz der Bände – ausgehend vom jeweiligen Lebensalter und der biografischen Dimension aktuelle und perspektivische Aufgaben für die Soziale Arbeit zu formulieren – nicht immer in jedem Band und jedem Text offenbar, was höchst wahrscheinlich der Anlage der Bände (verschiedene HerausgeberInnen der einzelnen Bände sowie eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren mit heterogenen theoretischen und empirischen Zugängen) geschuldet ist.
Im einführenden Band 1 zu Lebensalter und Sozialer Arbeit werden neben einem grundlegenden Zugang zu den Lebensaltern zentrale Kategorien eingebracht, die in einem engen Zusammenhang zu Lebensaltern und Sozialer Arbeit stehen: Biografie, Körper / Leib, Geschlecht, Familie, Generation, Institution, Gesellschaft / das Soziale sowie, als fundamentale Übergänge, Geburt und Sterben. In den Bänden 2-6 wird zum jeweiligen Lebensalter durch einführende Beiträge zu Theorie und Geschichte hingeführt, um darauf aufbauend Aspekte der aktuellen sozialwissenschaftlichen Forschung zum Lebensalter sowie die jeweiligen sozialarbeiterischen Dimensionen der Thematik zu erörtern.
Band 1 der Reihe ist als grundlegender Band zum Thema „Lebensalter und Soziale Arbeit“ angelegt. Neben die Erörterung von Kategorien treten Perspektiven auf ein-zelne Lebensalter sowie Übergänge. Während die Systematik der Lebensalter strin-gent ist, erschließt sich die Systematik der „Kategorien der Lebensalter“ dem Leser nicht unmittelbar. So bleibt zunächst offen, warum Kategorien wie Migration, soziale Lage, Klasse / Schicht, Religion, Weltanschauung etc. und deren Interdependenzen nicht mit aufgenommen wurden.
Die Auswahl der Kategorien wird nachvollziehbarer, wenn man der grundlegenden Feststellung des Bandes folgt, dass die Soziale Arbeit von einem Bedeutungsgewinn durch das Wissen um „biografische Erfahrungen, die ‚narrativen Ressourcen’ und die Verschränkung zwischen dem subjektiven Erleben und sozialen Rahmen“ sowie den „Biografiebezug als professionelles Profil“ (Hanses, Bd. 1, 22) auszugehen habe. Die biografische Dimension als grundlegend erachtend, können nachfolgend durch verschiedene Autorinnen und Autoren weitere Kategorien im Kontext von Lebensalter und Sozialer Arbeit diskutiert werden.
Für Bettina Hünersdorf steht fest, dass Körper bzw. Leib aus zentralen sozialpäda-gogischen Diskussionszusammenhängen – u.a. der lebensweltorientierten Sozialpädagogik – „verdrängt“ wurden, jedoch aktuell von einer „Wiederkehr des Körpers“ gesprochen werden kann. Die Bedeutung der „Körperkarriere“ für sozialpädagogische Theorie und Praxis sieht Hünersdorf vor allem dadurch gegeben, dass sich gesellschaftliche Erwartungshaltungen an den Einzelnen auch und gerade im Körper widerspiegeln bzw. sich die Anforderungen ebenfalls auf den Körper beziehen. Hierbei hat die Soziale Arbeit zugleich die „doppelte Gegebenheit des Körpers – als objektiver Körper und als gelebter Körper – zur Kenntnis zu nehmen“ (Hünersdorf, Bd. 1, 42). Diese Position festigt die Autorin nachfolgend am Zusammenhang von „Gesundheit und Körperkarriere“, wobei sie dies je spezifisch auf die Lebensalter Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und Alter bezieht. Die Soziale Arbeit sieht Hünersdorf vor allem dahingehend in der Pflicht, nicht nur Angebote zur Gesundheitsprävention und -intervention bereitzustellen, sondern die individuelle Lebensführung zu reflektieren und hieraus gemeinsam mit den AdressatInnen Sozialer Arbeit Handlungsoptionen zu entwickeln.
Als weitere zentrale Kategorien für die biografische Entwicklung werden „die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht“ sowie die Generationenzugehörigkeit gesehen (Maurer, Bd. 1, 49). Die Geschlechter- und Generationendimension bedürfen nach Meinung von Susanne Maurer der Wahrnehmung von strukturellen, symbolischen, interaktiven und individuellen Aspekten. Für den Beitrag wäre es wünschenswert gewesen, dezidierter die Bedeutung von Geschlecht und Generation für die Soziale Arbeit zu betonen, gerade unter der Prämisse der diagnostizierten „Relativierung der Kategorie Geschlecht“ (ebd., 57).
Martina Richter geht in ihrem Beitrag auf die „Wirkmächtigkeit gesellschaftlicher Konventionen und Normierungen“ ein, die auch die Annahmen zu Familie betreffen und der Vielfalt und Pluralität familiärer Lebenskonzepte nur bedingt gerecht werden. Für die Soziale Arbeit leitet die Autorin hieraus den Auftrag ab, „normierende und regulierende Argumentationsweisen aufzudecken, zu skandalisieren und zu verschieben“ (Richter, Bd. 1, 73f).
Im Beitrag von Heinz-Jürgen Dahme / Norbert Wohlfahrt offenbart sich, dass Soziale Arbeit Gesellschaft und Institutionen als grundlegende und gleichwertige Analysekategorien zu erachten hat. Institutionen setzen Rahmenbedingungen, die „die Kontinuität des biografischen Status gewährleisten“ (Dahme / Wohlfahrt, Bd. 1, 90) und von Dahme / Wohlfahrt als „Herrschafts-, Ordnungs- und Sanktionsmechanismen“ definiert werden, die „das Dasein von Individuen in einer bestimmten Art und Weise regeln“ (ebd., 78). Die Autoren sehen Institutionen der Sozialen Arbeit im Umbruch, bedingt durch das normative Leitbild des ermöglichenden Wohlfahrtsstaates – der die individuelle Selbstverantwortung ins Zentrum rückt und „staatliche Versorgung durch die Befähigung zur Selbstsorge“ zentral werden lässt (ebd.). Unbeachtet bleiben in dem Beitrag jedoch Fragen der Befangenheit von Institutionen in bürokratischen Rationalitäten und die Ausblendung lebensweltlicher Strukturen durch Institutionen.
Begriffsverständnisse von „Gesellschaft“ innerhalb der Sozialen Arbeit diskutieren Fabian Kessl / Holger Ziegler in ihrem Beitrag. Gesellschaft ist für sie ein aus dem sozialpädagogischen Diskurs nicht wegzudenkender Begriff, auch wenn sich ein Bezug auf Gesellschaft häufig in fachpolitischen Diskussionszusammenhängen nicht finden lässt. Die aktuellen Transformationsprozesse verweisen jedoch auf das Erfordernis einer „angemessene[n] sozialtheoretische[n] Vergewisserung in der Sozialen Arbeit“ (Kessl / Ziegler, Bd. 1, 108). Die von den beiden Autoren benannten Gesellschaftsbegriffe und -konzepte innerhalb der Sozialen Arbeit können ihrer Meinung nach die Grundlage „für eine angemessene gesellschaftlich-theoretische Verortung der Frage von Lebensaltern im Kontext Sozialer Arbeit“ sein (ebd., 109).
Im nachfolgenden Teil des Bandes 1 werden grundlegende Aspekte der Lebensalter durch Magdalena Joos (Kindheit), Jürgen Blandow (Jugend), Eberhard Raithelhuber (Junge Erwachsene), Margret Dörr (Erwachsene) und Ulrich Otto (Alter / alte Menschen) entwickelt. Abgerundet wird der Band durch zwei Beiträge zu fundamentalen Übergängen: (a) ungeborenes Leben (Margret Dörr / Hans Günther Homfeldt) und (b) Sterben (Hugo Mennemann). Die Autorin und die Autoren nehmen Thematiken in den Blick, die sich bisher nur selten im Zusammenhang sozialpädagogischer Diskussionszusammenhänge finden lassen. Während Mennemann berechtigterweise einen neuen sozialen Umgang mit Sterben und Tod einklagt, und
(1) von der Forschung fordert, sich verstärkt mit dieser Thematik auseinanderzu-setzen sowie
(2) die „Frage nach der Professionalisierung der Strukturen der Hospizbewegung in Deutschland“ aufwirft,
fragen Margrit Dörr und Hans Günther Homfeldt nach den Positionen Sozialer Arbeit zur pränatalen Betreuung und zum ungeborenen Leben. Ihr Plädoyer für eine „Soziale Arbeit des ungeborenen Kindes“ ergibt sich zum einen aus ihren wissenschaftsbasierten Darlegungen zum ungeborenen Leben und zum anderen aus ihrer Annahme zur Sozialen Arbeit, die „Entwicklungsaufgaben, Statuspassagen und Krisensituationen“ zum Gegenstand hat. Da Eltern (werdende Mütter und ihre Partner) in Krisenlagen geraten können, sehen Dörr / Homfeldt Handlungsbedarf für die Soziale Arbeit, „die Lebensphase ungeborenes Leben in ihren Horizont aufzunehmen“ (Dörr / Homfeldt, 242).
Im Band zum Lebensalter Kindheit wird in den Beiträgen insbesondere auf ein ver-ändertes Verständnis von Kindheit in der Gegenwart insistiert. Die Lebensphase Kindheit kann, so die grundlegende Annahme im Band, als Phase bestimmt werden, die mit den Begriffen Eigenständigkeit und Selbstbestimmung im Spannungsverhältnis von Autonomie und Abhängigkeit zu beschreiben ist. Bedeutsam für die Soziale Arbeit ist, wenn es um den Aspekt der „Bedingungen kindlichen Lebens und Erlebens“ geht, dass nicht nur die „materiellen Bedingungen“ in den Blick zu nehmen sind, sondern die gesamten „Lebensweise[n] von Kindern“ (Sünker / Swiderek, Bd. 2, 1).
Deutlich wird in dem Band, das Kindheit bis heute durch Gesellschaft und gesetz-liche Festschreibungen (wie SGB VIII: KJHG) immer noch als „lange und beschützte Lebensphase“ definiert wird und „Kinder als Objekte der Besorgnis“ (Bühler-Niederberger / Sünker Bd. 2, 18f.) und „schutzbedürftige Menschen“ (Kotthaus Bd. 2, 71) gelten. Dadurch schreibt sich zugleich „soziale Ungleichheit nach Geschlecht und Klasse / Schicht“ fort. Im Gegensatz dazu fordern die Autorinnen und Autoren des Bandes ein neues Verständnis der Lebensphase Kindheit, wodurch Kinder als „Personen mit eigener Stimme wahrgenommen“ werden können und sollen (Bühler-Niederberger / Sünker Bd. 2, 19, vgl. Swiderek Bd. 2). Die Umsetzung der Annahme, dass Kinder Rechtssubjekte und Gestalter ihres Lebens sind, steht nach Ansicht der Autorinnen und Autoren in der Kinder- und Jugendhilfe noch aus. „Die Aufgabe der Sozialpädagogik wird es sein, die Position des Kindes im Hilfeverlauf als eigenständige Qualität wahrzunehmen“ (Kotthaus Bd. 2, 74).
In den Beiträgen rücken, durch die Orientierung am realen Kinderleben sowie an zivilen Rechten, Positionen zur Wahrnehmung von Kindern als kompetente Akteure, das Generationenverhältnis und Themen wie soziale Ungleichheit, Bildungschancen von Kindern und Bildungsinstitutionen in den Mittelpunkt.
Ludwig Liegle plädiert in seinem Beitrag nicht nur für das Erfassen von Bildung als Selbstbildung und Weltaneignung mit allen Sinnen, sondern fordert auch eine hochwertig qualifizierte Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie einen Betreuungsschlüssel von einer Fachkraft für fünf Kinder in der institutionellen Kleinkinderziehung.
Cornelia Giebler zeichnet in ihrem Beitrag aktuelle Linien der Elementarpädagogik nach, wobei aber offen bleibt, wo innerhalb der verschiedenen Professionen die der Sozialen Arbeit zu verorten ist. Dies wird nachfolgend für den Gegenstand „Jugend-hilfe und Ganztagsangebote“ durch Gertrud Oelerich verhandelt.
Sabine Andresen beschreibt in ihrem Beitrag den Zusammenhang von Lebenslage und Wohlbefinden, wobei sie sich auf prekäre Lebenslagen von Kindern konzentriert und auf „Erfahrungen der Ungleichheit“ von Kindern aufmerksam macht.
Im Band zu Jugend wird sowohl auf aktuelle Forschungen zu diesem Lebensalter eingegangen, als auch die gegenwärtige Entwicklung in der Jugendarbeit und Ju-gendhilfe dargestellt. Der Band gliedert sich in drei Abschnitte: Forschung zu Jugend, Ausdrucksformen von Jugendlichen und Lebensorte von Jugendlichen.
Ein Teil der Autorinnen und Autoren macht auf die fehlende Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit durch den individualisierenden Zugang des „Förderns und Forderns“ als auch die Ausblendung des spezifischen Bedarfs von Jugendlichen (begründet in der Lebensphase Jugend) aufmerksam (Schulze-Krüdener; Seckinger / van Santen).
Rolf Göppel stellt in seinem Beitrag vor dem Hintergrund der Vielfalt der Lebenslagen und Lebensorientierungen von Jugendlichen die Frage nach dem Auftrag von Jugendtheorien. Die von ihm aufgeworfenen Fragestellungen können hierbei ein erstes Gerüst für (noch zu erarbeitende) Jugendtheorien sein.
Die Komplexität der Thematik Jugendalter verdeutlicht Andreas Walther, indem er Ergebnisse der Jugendforschung im europäischen Vergleich beschreibt und hierbei auf unterschiedliche Strukturen von Jugendhilfe und Begriffsbestimmung von Jugend in europäischen Ländern verweist.
Die Bedeutung der Kategorie Geschlecht fĂĽr (Jugend-) Forschung und sozialarbeiterische Praxis wird von Sabine Andresen analysiert, wobei sie sich in ihrem Beitrag insbesondere auf die weibliche Jugend konzentriert.
Benno Hafeneger macht in seinem Beitrag auf die fortbestehende Bedeutung von jugendkulturellen Aspekten für die aktuelle Jugendforschung aufmerksam, dabei sieht er Jugendkultur nicht nur in ihrer „selbstverwirklichenden progressiven Ausrichtung“, sondern ebenso in ihrer „fremdenfeindlichen, rechtsextremen und antimodernen“ Form (Hafeneger Bd. 3, 123).
Nadia Kutscher erörtert die Thematik Jugend und Medien, wobei der Umgang von Professionellen mit (neuen) Medien – welcher mitentscheidend für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist – ausgeblendet bleibt.
Im Beitrag von Hans Günther Homfeldt wird der Zusammenhang von Gesundheits-bewusstsein und -handeln von Jugendlichen aus biografischer und geschlechtsspezifischer Perspektive beleuchtet und auf die Bedeutung der Sozialen Arbeit für Prävention und Gesundheitsförderung verwiesen.
Geschlechtsspezifisches Problemlöseverhalten wird von Barbara Rendtorff in ihrem Beitrag zur Sexualität thematisiert. In den Beiträgen zu Lebensorten und Lebensbe-reichen von Jugendlichen stehen Fragen der Lebensformen und -entwürfe (Gille / Sardei-Biermann), der Schule als Lern- und Lebensort (Hummrich) sowie des Über-gangs in Arbeit im Fokus (Oehme).
Obwohl Michael Galuske und Tim Rietzke als Herausgeber des Bandes zum Jungen Erwachsenenalter von einer „Normalisierung postadoleszenter Lebensformen“ (Bd. 4, 3) ausgehen, wird in dem Band zugleich auf die Problematik der Lebensaltereinteilung (besondere Kennzeichen des Lebensalters Junge Erwachsene und dessen Abgrenzung bzw. Verhältnis zu den Lebensaltern Jugend und Erwachsenenalter) und die Schwierigkeiten, die sich mit dem jungen Erwachsenenstatus verbinden (Beziehung, Herkunftsfamilie, Migration, Armut, Geschlecht), verwiesen. Einig sind sich die Autorinnen und Autoren des Bandes darüber, dass bis heute – obwohl „die Ära des Normalarbeitsverhältnisses [vorbei]“ ist (Galuske / Rietzke, Bd. 4, 4) – von einer engen Bindung des Jungen Erwachsenenalters als institutionelles Setting an Erwerbstätigkeit und Arbeitsgesellschaft ausgegangen wird. Ziel des Bandes ist, lebenslagenspezifische Anforderungen zu formulieren und Lebensbewältigungsstrategien von jungen Erwachsenen aufzuzeigen.
Entgrenzung und Entstandardisierung sowohl der Lebensalter als auch von Er-werbsarbeit werden in den Beiträgen von Andreas Walther und Andreas Oehme / Wolfgang Schröer zur Grundlage für ihre Darlegungen zum Jungen Erwachsenenalter. Hieraus leiten die Autoren Anforderungen für die Soziale Arbeit ab. Walther spricht deshalb auch von einer „Sozialpädagogik des Übergangs“, der die Aufgabe zukommt, auf Bewältigungsleistungen Junger Erwachsener „jenseits normalbiografischer Lebensführung“ Antworten zu finden (Walther, Bd. 4, 26).
Autonomie, eigene Partnerschaft und Übergang zur Elternschaft im Jungen Erwachsenenalter einerseits und weiterhin bestehende Bindungen an die Herkunftsfamilie andererseits stehen bei Inge Seiffge-Krenke und Christiane Papastefanou im Mittelpunkt, womit die Autorinnen begründen, dass „die Entwicklungsphase ‚emerging adulthood’ […] als entscheidende Schnittstelle“ erachtet werden muss (Seiffge-Krenke, Bd. 4, 48).
Papastefanou beleuchtet speziell das Auszugsverhalten von Jungen Erwachsenen aus dem Elternhaus und sieht den „Spätauszug […] als Teil eines verlängerten Moratoriums“ (Papastefanou, Bd. 4, 66).
Auf die Thematik sozialer Ungleichheit machen Karin Bock, Axel Pohl und Karl Au-gust Chassé in ihren Beiträgen anhand von Armut, Migrationshintergrund und Ost-West-Differenzen aufmerksam.
Barbara Stauber beschreibt doing gender Prozesse im Jungen Erwachsenenalter, wobei sie „das Zusammenspiel“ von Struktur-, Institutions- und individueller Ent-scheidungsebene als zentral für entsprechende Analysen erachtet (S. 140).
Die Bedeutung des Jungen Erwachsenenalters für Theorie und Praxis Sozialer Arbeit erörtern Nicole Rosenbauer und Sarina Ahmed. Während Rosenbauer die rechtlichen Rahmenbedingungen thematisiert und empirische Daten zur Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung durch Junge Erwachsene diskutiert – und hier auf den Handlungsbedarf von Sozialpolitik und Fachöffentlichkeit verweist –, erörtert Ahmed den berufsbezogenen Übergang von sozial benachteiligten jungen Frauen und Männern. In ihrem Beitrag werden insbesondere die Schwierigkeiten durch die politischen und fachlichen Rahmenbedingungen für den Übergang besprochen (schnelle Vermittlung statt nachhaltiger Integration, Zwang zum Gehorsam, Ausbeutung statt Ausbildung), eine Herangehensweise, die man sich von vielen anderen Beiträgen in den Bänden gewünscht hätte.
Das Erwachsenenalter ist Gegenstand des 5. Bandes. Die im Band versammelten Beiträge beschreiben verschiedene Aspekte dieses Lebensalters, wobei hier auf die Problematik der fortbestehenden Bindung Sozialer Arbeit an die Erwerbsarbeitsge-sellschaft – mit dem Ziel, Individuen in Erwerbsarbeit zu bringen – verwiesen und deshalb zugleich eine Neuorientierung Sozialer Arbeit gefordert wird. Das Erwachsenenalter ist, so Wolfgang Schröer und Steve Stiehler als Herausgeber des Bandes, immer noch durch die „Bedeutungsambivalenz von (meist institutionell anerkannten) Erfolgen und (wenig antizipierbaren) Verlusten gekennzeichnet“, was die Frage nach der „Anpassung persönlicher Entwicklungsziele an neue soziale Entwicklungen“ für die Soziale Arbeit aufwirft (Schröer / Stiehler, Bd. 5, 2f.).
Der Band gliedert sich in 3 Abschnitte: Handlungsspielräume Erwachsener, Zugänge der Sozialen Arbeit zum Erwachsenenalter und Soziale Arbeit mit Erwachsenen. Im Teil zu den Handlungsspielräumen Erwachsener werden die Themen Lebensbewältigung und geschlechtsspezifische Bewältigungskonstellationen (Lothar Böhnisch), alltägliche Lebensführung von Erwachsenen und Risiken von Multioptionalität (Andreas Lange/Barbara Keddi), Veränderung der Arbeitsgesellschaft und das Ende des Normalarbeitsverhältnisses (Oliver Bierhoff), persönliche Beziehungen (Karl Lenz) sowie Fürsorge und soziale Gerechtigkeit (Margrit Brückner) verhandelt.
Die Hindernisse, die sich aus den verschiedenen erörterten Aspekten für das Selbstverständnis einer modernen Sozialen Arbeit ergeben, werden vor allem von Oliver Bierhoff angerissen. Als Grundthematiken, denen die Soziale Arbeit im Umgang mit Erwachsenen Beachtung schenken muss, werden soziale Unterstützung (Julia Günther), bürgerschaftliches Engagement (Chantal Munsch), lebenslanges Lernen und Erwachsenenbildung (Claudia Köpernick) und Gesundheitshandeln von Erwachsenen (Hans Günther Homfeldt) erörtert.
Im 3. Teil des Bandes werden Methoden Sozialer Arbeit im Umgang mit Erwachse-nen thematisiert. Insbesondere Fallarbeit (Burkhard Müller), Beratung in Krisen (Ute Karl), Laufbahnberatung (Ursel Sickendiek), Gemeinwesenarbeit (Christian Reutlin-ger) und regionale Netzwerkarbeit (Theresa Lempp) werden weiterführend behan-delt. Als besondere Form der Arbeit mit Erwachsenen wird Elternarbeit von Petra Bauer diskutiert, wobei sich Elternarbeit nicht explizit wie die anderen Methoden ausschließlich an die Erwachsenen richtet, sondern auf die Familie und das Kindeswohl fokussiert. Für die Soziale Arbeit ergibt sich für Petra Bauer aus den aktuellen Entwicklungen insbesondere die Aufgabe, Eltern nicht als defizitäre Objekte professionellen Handelns wahrzunehmen, sondern ihre „unterschiedlichen Lebensweisen und Erziehungsformen […] zu achten“ (Bauer, Bd. 5, 225).
Im abschließenden Band der Reihe wird auf das Lebensalter Ältere und alte Men-schen eingegangen, wobei vor allem der Unterstützungsbedarf älterer Menschen – durch professionelle Hilfe und zivilgesellschaftliches Engagement – im Zentrum steht. Im Band wird einerseits auf die noch bestehenden Schwierigkeiten Sozialer Arbeit verwiesen, das Lebensalter Ältere und alte Menschen als Gegenstand professioneller Hilfe- und Unterstützungsangebote zu entdecken und andererseits für die Ausweitung präventiver und pflegenaher Angebote plädiert.
Dabei gehen die Herausgeberinnen Kirsten Aner und Ute Karl von der Annahme aus, dass „im höheren Lebensalter sowohl soziale Benachteiligungen als auch Privilegien oft nicht nur kumulieren, sondern sich auch biografisch aufschichten“ (Aner / Karl, Bd. 6, 1). Aufgabe Sozialer Arbeit ist nach ihrem Verständnis, „drohende Desintegrationsprozesse“ abzuwenden und „biografische Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten bzw. wiederherstellen“ (ebd., 3).
Der Band gliedert sich in drei Teile: Lebenslagen älterer Menschen im Kontext ge-sellschaftlicher Entwicklung, Herausforderungen für die Soziale Arbeit und Perspektiven sozialpädagogischer Altersforschung. Im ersten Teil werden vor allem Fragen der Sozialpolitik und Entwicklung des Sozialrechts (Peter Hammerschmidt, Felix Welti), des demografischen Wandels und eines entsprechenden Unterstützungsbedarfs älterer Menschen (Dietrich Engels) sowie Lebenslauf und Lebenslagen (Karin Stiehr / Mone Spindler und Frank Schulz-Nieswandt) be-trachtet.
Im zweiten Teil des Bandes werden sowohl institutionelle Settings (Ulrich Otto, Ro-land Schmidt, Elke Olbermann, Wolfgang Schröer / Cornelia Schweppe) als auch Methoden der Arbeit mit älteren Menschen (Meinholf Peters) und Lernarrangements (Ute Karl, Franz Kolland) thematisiert. Von besonderem Interesse in diesem Band ist das zivilgesellschaftliche Engagement älterer Menschen, das durch Fred Karl, Kirsten Aner, Franz Bettmer und Gisela Notz aus unterschiedlichen Blickwinkeln (Generation, Sozialpolitik, Biografie, Kooperation, Geschlecht) diskutiert wird.
Der dritte Teil ist theoretischen Erörterungen zur sozialarbeiterischen Verortung von „Alter“ vorbehalten. Die von den Autorinnen und Autoren aufgeworfenen Fragestel-lungen: Potentiale des Alters (Kirsten Aner), Sozialpädagogische Theoriebildung und Alter(n)sforschung (Ute Karl / Wolfgang Schröer) sowie Interdisziplinarität und Internalisierung (Fred Karl) zeigen ausdrücklich auf, dass es neben „der Stärkung von Subjektstrukturen“ auch der Wahrnehmung „entsprechender gesellschaftlicher Strukturen“ bedarf, da diese die „erwünschte[] autonome[] und kritische[] Lebensführung im Alter“ fördern und ihr „nicht im Wege stehen“ sollten (Gisela Notz, Bd. 6, 240).
Das Anliegen der Bände, Soziale Arbeit im Bezug auf die Lebensalter zu diskutieren, ist begrüßenswert und macht auf einen noch zu wenig erörterten Zugang – im Sinne der Biografieorientierung in der Sozialen Arbeit – aufmerksam. Für die HerausgeberInnen und AutorInnen der einzelnen Bände wird die Frage nach der Fragilität der Lebensplanung ebenso zentral wie der durch soziale Arrangements vorstrukturierte Lebenslauf. Jedoch können die Bände dieses hoch ambitionierte Ziel nicht durchgängig umsetzen, da der anvisierte doppelte Blick auf Lebensalter (Biografie und Struktur) sich nicht in allen Beiträgen wiederfindet. Einem Teil der Beiträge ist des Weiteren nicht abzusprechen, dass sie aus anderen Forschungszusammenhängen kommen und einer dem Anliegen der Bände entsprechenden intensiveren Bearbeitung bedurft hätten. Wünschenswert wäre für die Bände gewesen, wenn sich die im einführenden Band aufgeworfenen Kategorien dezidiert in den anderen Bänden wiedergefunden bzw. sich die einzelnen Bände intensiver auf die Beiträge und Kategorien aus Band 1 bezogen hätten.
Die aufgeworfenen interessanten Fragen über den Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Lebensalter bleiben mitunter unverbunden stehen wie auch die sozioökonomische Dimension von Lebensaltern, die soziale Strukturierung des Lebenslaufs und professionelle sozialarbeiterischer Handlungsanforderungen in den Bänden mitunter zu kurz kommen. Ferner bleiben Problematiken, die sich aus den politischen und fachlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Themas und dem Umgang der Sozialen Arbeit mit ihm ergeben, weitgehend außen vor. Von Interesse wäre gewesen, auf das Erfordernis der Vernetzung und Kooperation der Sozialen Arbeit mit anderen Professionen (z. B. Schule, Pflegedienste) einzugehen.
So bleibt es dem Leser bzw. der Leserin weit gehend überlassen, sich grundlegende Annahmen zur Thematik Lebensalter und Soziale Arbeit in ihrer Komplexität und Vielfalt zu erschließen, was für den geübten Leser / die geübte Leserin kaum problematisch sein dürfte. Schade ist, dass im Band 5 Vor- bzw. Nachnamen verschieden geschrieben wurden (Steve wurde zu Sven, aus Köpernick wurde Koepernick).
Für ein Fachpublikum ist die Reihe eine lesenswerte und anregende Vertiefung in das Themengebiet Lebensalter und Soziale Arbeit. Die Texte setzen mitunter Grundkenntnisse zur Disziplin und Profession Sozialer Arbeit voraus, was es für fachfremde Leserinnen und Leser, Studienanfänger und Praktikerinnen und Praktiker nicht einfach macht, den (heterogenen) inhaltlichen Positionen Folge zu leisten.
EWR 9 (2010), Nr. 4 (Juli/August)
Lebensalter und Soziale Arbeit
(Basiswissen Soziale Arbeit)
6 Bände
6 Bände
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2008
(1485 S.; ISBN 978-3-8340-0432; 80,00 EUR)
Gerd Stecklina (Dresden)
Zur Zitierweise der Rezension:
Gerd Stecklina: Rezension von: Homfeldt, Hans GĂĽnther / Schulze-KrĂĽdener, Jörgen (Hg.): Lebensalter und Soziale Arbeit, (Basiswissen Soziale Arbeit) 6 Bände. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2008. In: EWR 9 (2010), Nr. 4 (Veröffentlicht am 10.08.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/38340.html
Gerd Stecklina: Rezension von: Homfeldt, Hans GĂĽnther / Schulze-KrĂĽdener, Jörgen (Hg.): Lebensalter und Soziale Arbeit, (Basiswissen Soziale Arbeit) 6 Bände. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2008. In: EWR 9 (2010), Nr. 4 (Veröffentlicht am 10.08.2010), URL: http://klinkhardt.de/ewr/38340.html