Eine „gewisse Ordnung“ schaffen wollen die beiden Autoren mit ihrem Buch „in der Diskussion um Bildung“ (5), weil der Bildungsbegriff, obzwar „nicht beliebig“, einem Wandel unterliege und sich „streng systematisierenden Operationalisierungsversuchen entzieht“ (8). Ob dies allerdings die „recht lose Zusammenstellung ganz unterschiedlicher Textstücke“ (6), die Sammlung von „Ideen, Fragmente[n] und essayistischen Gedankengebilde[n]“ (8) leisten kann? Sollte man der konstatierten Unschärfe nicht gerade mit einer gewissen Strenge begegnen? Offenkundig verwenden die Autoren selbst den Bildungsbegriff aber gar nicht unscharf, sondern dezidiert in einer Tradition, die von einem emphatisch aufgeladenen Begriff dominiert wird. Diese Verwendungsweise wird freilich nicht diskutiert. Stattdessen finden sich gewollt innovativ aussehende Beiträge (so wenn Platons Höhlengleichnis und „The Fool on the Hill“ von den Beatles in ein Verhältnis gesetzt werden) neben fast schon klassisch zu nennenden Diskussionen zur Universität im Zeichen von Bologna, die mit Bildung nach Meinung der Autoren nicht viel, wenn überhaupt etwas zu tun hat. Dort, wo (bildungs)historische Kontexte (z.B. zur Schulgeschichte im Kapitel „Was ist Bildung?“) vorkommen, kann man über die Unvollständigkeit der Argumentationen nur staunen. Und wenn in einem Beitrag die „Geschichte der Pädagogik“ von Hermann Weimer entdeckt wird, als hätte noch nie jemand zuvor über dieses Büchlein und seine Geschichte geschrieben, beginnt Verdruss sich zu regen. Das heißt nicht, dass nicht einzelne Aspekte interessant sind – z.B. die Überlegungen zur Vorlesung als einer im Prinzip dialogischen Lehrform –, doch werden diese Passagen entwertet, wenn die historischen Kontextualisierungen in die Irre gehen – in diesem Falle dadurch, dass die Seminare als Gegenbild zur Vorlesung nicht in ihrem universitären Entstehungszusammenhang, sondern mit Verweis auf die Lehrerseminare des 19. Jahrhunderts thematisiert werden, wodurch sich ein völlig falsches Verständnis dieser für die Universitäten der Moderne wegweisenden Entwicklung ergibt. Fazit: Weder systematisch noch nicht-systematisch noch historisch können die Ausführungen überzeugen.
EWR 12 (2013), Nr. 2 (März/April)
Ideen zu einer allgemeinen Geschichte der Bildung in nicht-systematischer Absicht
Hochschuldidaktische Impulse und Vorlesungen
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2012
(145 S.; ISBN 978-3-8340-1096-4; 15,00 EUR)
Klaus-Peter Horn (Göttingen)
Zur Zitierweise der Annotation:
Klaus-Peter Horn: Annotation zu: Geister, Oliver / Reitemeyer, Ursula: Ideen zu einer allgemeinen Geschichte der Bildung in nicht-systematischer Absicht, Hochschuldidaktische Impulse und Vorlesungen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2012. In: EWR 12 (2013), Nr. 2 (Veröffentlicht am 03.04.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978383401096.html
Klaus-Peter Horn: Annotation zu: Geister, Oliver / Reitemeyer, Ursula: Ideen zu einer allgemeinen Geschichte der Bildung in nicht-systematischer Absicht, Hochschuldidaktische Impulse und Vorlesungen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2012. In: EWR 12 (2013), Nr. 2 (Veröffentlicht am 03.04.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978383401096.html