Die Etablierung der wissenschaftlichen Pädagogik mit universitären Lehrstühlen und fachlichen Kommunikationsmedien in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist das Thema der Dissertation an der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Autorin orientiert sich für ihre Untersuchung an Standards der Disziplingeschichtsschreibung, wie sie in Deutschland vorliegen (freilich z.T. mit lückenhafter Bezugnahme auf wichtige Literatur). Sie arbeitet heraus, dass die Etablierung der Erziehungswissenschaft in China im Kontext von Reformbemühungen im Schulsystem und der Lehrerausbildung stand, die wiederum im Kontext der allgemeinen Modernisierungsbestrebungen der Zeit zu sehen sind. Im Zentrum steht eine quantitative Inhaltsanalyse zweier Fachzeitschriften aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, wobei die Auswahl der untersuchten Jahrgänge und die Gestaltung des der Analyse zu Grunde gelegten Klassifikationssystems nicht unbedingt nachvollziehbar sind. Die inhaltliche Analyse der Zeitschriftenbeiträge konzentriert sich dann in Anlehnung an Bernd Zymeks gleichnamige Studie auf das „Ausland als Argument“. Hier werden interessante Aspekte zu Tage gefördert, z.B. die starke Abhängigkeit von japanischen Texten zu Beginn des Institutionalisierungsprozesses der Erziehungswissenschaft, durch die dann nach mehreren Übersetzungen (ins Japanische, ins Chinesische) auch deutsche Pädagogen rezipiert wurden. Die westeuropäischen und us-amerikanischen pädagogischen Theorien und Bildungssysteme wurden dann aber zunehmend direkt, ohne den Umweg über Japan, in den Blick genommen.
Die Studie ist auf jeden Fall von Interesse, weil sie Einblick in die Entwicklung der Erziehungswissenschaft in einem Land bietet, über das man in der Regel nicht so gut informiert ist. Dass die Rezeption fremder Gedanken und Organisationsformen auch in China den Mustern folgte, die man für andere Länder bereits herausarbeiten konnte, ist dabei nicht sehr überraschend, aber man kann es nun nachvollziehen. Leider ist die Arbeit insgesamt etwas disparat und teilweise von Wiederholungen geprägt. Zudem tragen die Abschnitte zur Entwicklung des chinesischen Schulsystems über zwei Jahrtausende nur wenig zum eigentlichen Thema der Arbeit bei.
EWR 10 (2011), Nr. 6 (November/Dezember)
Die Konstitution der Pädagogik als Wissenschaft und die Entstehung der Moderne in China
Eine problem- und sozialgeschichtliche Inhaltsanalyse früher Fachmedien aus später Quing- und früher Republik-Zeit (1901-1920)
Frankfurt a.M. u.a.: Lang 2010
(198 S.; ISBN 978-3-6316-0209-6; 34,80 EUR)
Klaus-Peter Horn (TĂĽbingen)
Zur Zitierweise der Annotation:
Klaus-Peter Horn: Annotation zu: Xiaoqing, Xu,: Die Konstitution der Pädagogik als Wissenschaft und die Entstehung der Moderne in China, Eine problem- und sozialgeschichtliche Inhaltsanalyse frĂĽher Fachmedien aus später Quing- und frĂĽher Republik-Zeit (1901-1920). Frankfurt a.M. u.a.: Lang 2010. In: EWR 10 (2011), Nr. 6 (Veröffentlicht am 14.12.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978363160209.html
Klaus-Peter Horn: Annotation zu: Xiaoqing, Xu,: Die Konstitution der Pädagogik als Wissenschaft und die Entstehung der Moderne in China, Eine problem- und sozialgeschichtliche Inhaltsanalyse frĂĽher Fachmedien aus später Quing- und frĂĽher Republik-Zeit (1901-1920). Frankfurt a.M. u.a.: Lang 2010. In: EWR 10 (2011), Nr. 6 (Veröffentlicht am 14.12.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978363160209.html