Den Diskurs zur Vereinbarkeit von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium aufnehmend untersucht Roland Messmer die Potentiale der Fallarbeit. Eine konkrete, fassbare und prägnante Fragestellung ist im Text schwer zu finden. Obgleich die Überschriften der Kapitel vier und fünf als Fragen formuliert sind, werden diese Fragen dem Leser erst nach der Lektüre des Textes verständlich, wie im Übrigen die gesamte Gliederung. So formuliert Messmer als Überschrift zum vierten Kapitel: Wie ordnen Lehrpersonen unterschiedliche Erfahrungen (?) Das Fragezeichen muss hier in Klammern gesetzt werden, da es im Band selbst nicht steht. Die Überschrift zum fünften Kapitel lautet: Wie organisieren Didaktiker unterschiedliche Erfahrungen? Hier wurde zwar an das Fragzeichen gedacht, jedoch müsste es konkreter lauten: Wie organisieren Sportdidaktiker ihre Erfahrungen? Noch verständlicher und treffender wäre meines Textverständnisses nach die Frage: Wie denken Sportlehrer im Vergleich zu Sportdidaktikern? Im Ergebnis stellt Messmer heraus, dass Sportlehrer unterrichtliche Entscheidungen auf Grundlage eigener Erlebnisse mit Schülern sowie biografischer Erfahrungen treffen und begründen. Ein solches Agieren widerspreche jedoch dem wissenschaftlichen Denken von Sportdidaktikern. Diese Erkenntnis ist nicht sehr spektakulär, insbesondere im Hinblick auf den Vergleich mit wissenschaftlichen und subjektiven Theorien. Interessanter erscheint Messmers Ergebnis, wonach weniger Fallbeispiele von Unterricht als vielmehr Erzählungen über Unterricht tatsächlich handlungsleitend werden können. Zur Lösung des bekannten Theorie-Praxis-Problems schlägt Messmer vor, wissenschaftliche Erkenntnisse den Denkformen der Lehrer anzupassen. Wie genau dies aussehen könnte, bleibt unklar. Sollten wissenschaftliche Theorien wirklich in nette Erzählungen verpackt werden?
Insgesamt ist das Textverständnis durch zahlreiche, oft unkommentierte Zitate, eine zum Teil schwer verständliche Syntax sowie eine nicht nachvollziehbare Groß- und Kleinschreibung in den Grafiken stark beeinträchtigt. Inhaltlich präzisieren die Zusammenfassungen am Ende einzelner Kapitel die Ergebnisse an Beispielen, ohne allerdings auf eine abstraktere Ebene zu gelangen. Schade ist zudem, dass die Zusammenfassung zum dritten Kapitel zwar angekündigt wird (81), dann aber weder im Text noch in der Gliederung erscheint.
Trotz der genannten Monita ist der Band für jene Leserinnen und Leser empfehlenswert, die selbst Interviews oder Gruppendiskussionen qualitativ auswerten und sich fragen, wie sie die einzelnen Auswertungsschritte und -ergebnisse nachvollziehbar verschriftlichen könnten. Hierfür zeigt Messmer im Kapitel vier ein mögliches Beispiel.
EWR 10 (2011), Nr. 4 (Juli/August)
Ordnungen der Alltagserfahrungen
Neue Ansätze zum Theorie-Praxisbezug und zur Fallarbeit in der Lehrerbildung
Wiesbaden: VS Verlag fĂĽr Sozialwissenschaften 2011
(239 S.; ISBN 978-3-531-17957-5; 34,95 EUR)
Elke Kurth-Buchholz (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Annotation:
Elke Kurth-Buchholz: Annotation zu: Messmer, Roland: Ordnungen der Alltagserfahrungen, Neue Ansätze zum Theorie-Praxisbezug und zur Fallarbeit in der Lehrerbildung. Wiesbaden: VS Verlag fĂĽr Sozialwissenschaften 2011. In: EWR 10 (2011), Nr. 4 (Veröffentlicht am 30.08.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978353117957.html
Elke Kurth-Buchholz: Annotation zu: Messmer, Roland: Ordnungen der Alltagserfahrungen, Neue Ansätze zum Theorie-Praxisbezug und zur Fallarbeit in der Lehrerbildung. Wiesbaden: VS Verlag fĂĽr Sozialwissenschaften 2011. In: EWR 10 (2011), Nr. 4 (Veröffentlicht am 30.08.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/annotation/978353117957.html