Peter Faulstich würdigt mit seiner Auswahl von Vertretern/-innen „öffentlicher Wissenschaft“ Personen, die sich um eine breitenwirksame Vermittlung wissenschaftlichen Wissens verdient gemacht haben. Berücksichtigt wurden Querdenker, Außenseiter oder „Einzelkämpfer“, die nicht immer in den unmittelbaren Kern jeweiliger Wissenschaftsproduktion eingebunden waren.
Mit der Popularisierungsaufgabe wissenschaftlichen Wissens will Faulstich vor allem die Aufklärungsfunktion wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung akzentuiert wissen. Er greift dabei zugleich auf den Bildungsbegriff zurück, dessen theoriebildende Dimension – entsprechend der (bildungs-)politischen Programmatik der Gesamtreihe, der es um eine Überwindung stark utilitaristisch ausgerichteter Forschung geht – neu zu bewerten sei. Faulstich steht hier für einen „umfassenderen Wissenschaftsbegriff [...], der gesellschaftliche Verantwortung und individuelle Teilhabe erweitert“ (8).
Insofern kann seine Schrift durchaus auch als entschiedenes Plädoyer für eine Horizonterweiterung erziehungswissenschaftlicher Forschung verstanden werden, die anstehenden Kommunikations-, Komplexitäts-, Partizipations- und Selektionsproblemen im keineswegs interesseneutralen Spannungsfeld von Wissenschaft und Gesellschaft (15) zu begegnen hat.
Die im Vorfeld der Präsentation der ausgewählten „Wissensakteure“ vorgenommene wissenschafts- bzw. wissenstheoretische Einordnung erweist sich dabei in ihrer Orientierungsfunktion als hilfreich. Da sich einige Beiträge(r) vor allem durch ihre begrifflich-konzeptionellen Impulse auszeichnen, hätte es sich allerdings angeboten, deren jeweilige Leistung zur Grundlegung wissenschaftlichen Wissens stärker herauszustreichen. Dies gilt umso mehr mit Blick auf heute, insofern als die Theoriedimension in der erziehungswissenschaftlichen (Bildungs-)Forschung gegenüber der Empirie unsichtbarer zu werden scheint. Soll Wissenschaft ihrer doppelten Aufgabe einer ebenso transparenten Generierung wie öffentlichen Vermittlung wissenschaftlichen Wissens gerecht werden, wie von Faulstich intendiert, erfordert dies auch und gerade, Theorie und Empirie in ihren wechselseitigen Verweisungszusammenhängen zu erkennen und hinreichend zu explizieren.
Was hat man nun jenseits allgemeiner wissenschafts- bzw. wissenstheoretischer Erwägungen, die im Übrigen nur einen kleineren Teil des Buches ausmachen, an Exemplifizierungen der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens zu erwarten?
In zeitlicher Hinsicht reicht die im Band getroffene Auswahl von der Periode der Aufklärung bis hin zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Aufgenommen wurden die Naturforscherin und Künstlerin Anna Maria Sybilla Merian (1647-1717), der Juraprofessor Christian Tomasius (1655-1728), Dorothea Christiane Erxleben (1715-1762) als erste promovierte Ärztin, Immanuel Kant (1724-1804), Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), Alexander von Humboldt (1769-1859), Emil Adolf Roßmäßler (1806-1867) als Impulsgeber für Arbeiterbildung, Ludo Moritz Hartmann (1865-1924) als einer der Vorreiter „volkstümlicher Universitätskurse“ in Wien sowie Otto Neurath (1882-1945) als Hauptvertreter des „Logischen Empirismus“ im Kontext des „Wiener Kreises“ und Entwickler einer aufklärerischen Bildersprache.
Mag diese Auswahl auf den ersten Blick bunt erscheinen, so erschließt sich im Verlaufe der Darstellung doch deutlicher, welchen je eigenen Beitrag die Einzelnen als „Brückenschläger“ zwischen wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung einerseits und alltags- wie lebensweltbezogener Erkenntnisrezeption bzw. -nutzung andererseits zu leisten vermochten. Die Vorgehensweise Peter Faulstichs, das jeweilige Lebenswerk – mit Blick auf die hier vorgenommene thematische Verknüpfung – in biographische Kontexte einzubetten und aus heutiger Sicht zu würdigen, erscheint nachvollziehbar. Wird damit vor allem auf wirkungsgeschichtliche Aspekte abgehoben, stellen darüber hinaus Schriftenverzeichnis, Zeittafel und Quellentext(e), die jeweils mitgeliefert werden, weiterführende Informationen bereit.
Es liegt auf der Hand, dass der Umfang des Buches (196 Seiten) Begrenzungen auferlegt. Dies gilt hinsichtlich der Auswahl der aufgenommenen Personen und Quellentexte ebenso wie für die Tiefe der kritischen Würdigung des jeweiligen Werks. Als hilfreich erweist sich, dass mit der Aufnahme einzelner „Werkstücke“ ein unmittelbarer Zugang zu den einzelnen Beiträgern bzw. Beiträgen eröffnet wird. Das erleichtert die eigene Rekonstruktion und macht zudem auch Lust auf weitere Vertiefung.
Dass auf eine abschließende zusammenführende Würdigung der Einzelbeiträge(r) – einschließlich je zu benennender Brüche und Widersprüchlichkeiten – mit Blick auf deren Impulsgeberfunktion für heute verzichtet wird, mag man vermissen, schmälert indessen nicht die Leistung des Bandes. Wer einen ersten ebenso lesbaren wie lesenswerten Zugang zu wegweisenden Pionierleistungen öffentlicher Wissenschaftsvermittlung sucht, um damit zugleich auch Anhaltspunkte für eine kritische Reflexion heutiger Wissenschaftsproduktion und -weitergabe zu gewinnen, findet in diesem Buch Peter Faulstichs eine anregende Lektüre.
EWR 8 (2009), Nr. 4 (Juli/August)
Vermittler wissenschaftlichen Wissens
Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft
(Theorie Bilden, Bd. 14)
(Theorie Bilden, Bd. 14)
Bielefeld: transcript 2008
(196 S.; ISBN 978-3-89942-878-0; 19,80 EUR)
Norbert Vogel (Tübingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Norbert Vogel: Rezension von: Faulstich, Peter: Vermittler wissenschaftlichen Wissens, Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft (Theorie Bilden, Bd. 14). Bielefeld: transcript 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 4 (Veröffentlicht am 31.07.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978389942878.html
Norbert Vogel: Rezension von: Faulstich, Peter: Vermittler wissenschaftlichen Wissens, Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft (Theorie Bilden, Bd. 14). Bielefeld: transcript 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 4 (Veröffentlicht am 31.07.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978389942878.html