
Kritische Sozialphilosophie jüngeren Datums, die weniger von „Krise“ und „Widerspruch“ als vielmehr von „Paradoxie“ ausgeht, darüber hinaus die Sichtung aktueller soziologischer Forschung und berufspädagogischer Diskurse sind die Ingredienzien, mit welchen der Autor den Wandel der Arbeit und die daran anschließende theoretische Durchdringung ihrer subjektbezogenen Implikationen erfassen will. Die Arbeit zielt auf eine Neubestimmung des Bildungsbegriffs, wiederum im Lichte der kritischen Theorie, und eine daraus abzuleitende „Bildung des Arbeitskraftunternehmers“.
Ein erster Teil des Buches beschreibt gesellschaftlichen und arbeitsbezogenen Wandel als „Subjektivierung der Arbeit“, die darin zu sehen ist, dass die Person mit der Arbeitskraft und der Bürger mit dem Arbeitnehmer gleichsam amalgamiert. Damit ist auch Engagement und affektive Bindung an das postfordistische Unternehmen mit eingeschlossen, da letzteres auch als Händler von „Existenzweisen“ zu sehen ist. Die neuere berufspädagogische Diskurslage wiederum hebt eher den Aspekt der selbstständigen Konturierung eines eigenen identifizierbaren Arbeitsvermögens hervor (126). Damit werden vor allem die Bedingungen der Möglichkeit eines reflexiven und handlungsfähigen Subjekts innerhalb der Arbeitswelt thematisiert, indem Bildung darüber hinaus auch (soziale) Inklusion einschließt (150).
Das „Zusammenspiel“ von Anerkennung und Unterwerfung, in Anlehnung an Axel Honneth und Judith Butler, ist Thema des zweiten Teils, betitelt mit „Subjektivation“. Eigensinnigkeit und soziale Wertschätzung prägen das Bestreben von uns (post)modernen Menschen und sie bilden auch die Grundlage für den Aufbau des individuellen Arbeitsvermögens in der subjektivierten Arbeit, indem wir Macht umwenden und uns als Subjekte ermächtigen (vgl. 255f.).
Aus dieser Perspektive heraus entwickelt Elster den abschließenden dritten Teil, in welchem er Bildung neu zu fassen versucht, angesichts des Wandels der Arbeit und des damit einhergehenden neuen Anforderungsprofils. Kritisch Bezug nehmend auf Forderungen wie Schlüsselqualifikationen und erziehungswissenschaftliche Bestimmungen von Bildung im Anschluss an Herwig Blankertz und neuerer bildungstheoretischer Diskurse in der deutschsprachigen Pädagogik, soll Bildung im Kontext von Unterwerfung, Anerkennung und radikaler Pluralität erschlossen werden. Dieser dritte Teil schließt zwar an den zweiten an, bleibt aber eigentümlich losgelöst von der zeitdiagnostischen Bestimmung des ersten Teils, so dass der Arbeitskraftunternehmer doch recht wenig Profil aufweist. Die abschließenden drei Paradoxien (313f.), nämlich dass die Funktionalität in der postfordistischen Ökonomie darin zu sehen sei, dass sie in Anerkennung des Widerstreits den bisherigen Rahmen von Funktionalität sprenge, bleiben daher in dieser Allgemeinheit wenig präzisierbar. Zwar ist die Aussage, dass die Begrenzung von Selbstausbeutung eben auch funktional sei, durchaus zustimmungsfähig, aber sie ist kein spezifisches Kennzeichen des Postfordismus. Auch die Anerkennung der Singularität und Alterität des Einzelnen als nicht primär funktionaler Zugriff ist ebenso wenig ein Spezifikum des Arbeitskraftunternehmers wie die Paradoxie des sich den Erfordernissen der Arbeit unterwerfenden Subjekts, das zugleich gestalterische Freiheit beansprucht bzw. diesem zugemutet wird.
Sicherlich ist es richtig, dass Bildung im Medium des Berufes sich als prägende Formel auflöst, wenn sich Arbeit zusehends entgrenzt, flexibilisiert und subjektiviert. Darin auch eine bildungstheoretische Herausforderung zu sehen, ist das Verdienst dieser Arbeit, wenn sich auch die Frage stellt, inwiefern hier Neues geleistet wird.
Natürlich haben auch schon andere hinsichtlich Funktionalität - vor Peukert - ähnliches dem Bildungsbegriff als wesentliches Bestimmungsmoment zugesprochen. Es waren gerade die „Klassiker“ der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, die Bildung nicht als Spezialbildung und enge Funktionalisierung auf Arbeitstätigkeiten hin bestimmten, eine Tradition, die gerade auch Herwig Blankertz wiederum aufgriff. Auf diese bezieht sich der Autor ebenso wenig, wie auf den amerikanischen Pragmatismus, der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Industrie, Effizienz und Bildung nicht als Gegensatz, sondern ebenso als paradoxales Unterfangen dachte [1]. Es ist dem Autor zuzustimmen, dass solche Paradoxien keine Fehler der Theoriearchitektur sind, sondern durchaus dem Anspruch dienlich sind, Bildung als Kritik und Konzept individueller und gesellschaftlicher Transformation zu bestimmen.
[1] z.B. Eliot, Ch. W.: Education for Efficiency and the new Definition of the Cultivated Man. Chicago: Houghton Mifflin 1909.