EWR 23 (2024), Nr. 2 (April)

Julia Büchel
Repräsentation – Partizipation – Zugänglichkeit
Theorie und Praxis gesellschaftlicher Einbindung in Museen und Ausstellungen
Bielefeld: transcript Verlag 2022
(244 S.; ISBN 978-3-8376-5707-4; 35,00 EUR)
Repräsentation – Partizipation – Zugänglichkeit Julia Büchel untersucht in ihrem Buch die Entstehung und Forderung nach gesellschaftlicher Einbindung in Museen. Gesellschaftliche Einbindung definiert die Autorin in Anlehnung an Sandell (1998) als Repräsentation, Partizipation und Zugänglichkeit (31) und untersucht diese hauptsächlich anhand dreier Fallbeispiele von Museen in der Schweiz (Landesmuseum Zürich, Museum für Kommunikation Bern, Museum der Kulturen Basel) [1]. Die Untersuchung verfolgt das Ziel, herauszufinden, „welche Anforderungen für Ausstellungen unter dem Paradigma gesellschaftlicher Einbindung wesentlich sind, wie sie sich entwickelt haben und weiterentwickeln können“ (12).

Außerdem stellt Büchel die unter den Bedingungen gesellschaftlichen Wandels wichtige Frage, was Digitalisierung für Museen und die Rezeption von Museumsausstellungen als Ort der Wissensvermittlung bedeutet. Es geht also im Gesamten um nichts Geringeres als die Frage, wie sich Museen weiterhin als wichtige gesellschaftliche Orte erhalten und damit verbunden, welche Rolle sie als Informations- sowie Bildungsort spielen. Theoretisch verortet sich die Arbeit vor allem in der Museumstheorie und dort in Bereichen, die die gesellschaftliche Einbindung von Museen behandeln. Die Frage, wie Ausstellungen als Orte der Bildung und Wissensvermittlung gestaltet sein können, um sie für viele Menschen zugänglich zu machen und ihnen ein Bildungserlebnis zu ermöglichen, bietet jedoch auch Anknüpfungspunkte und Anregungen für Fragen der Erwachsenenbildung und dort der (kulturellen) Bildung und der Erforschung von freizeitbezogenem Lernen Erwachsener.

Das Buch ist in einen ausführlichen Einleitungsteil sowie drei Teile gegliedert. In der Einleitung werden zunächst die aktuellen Bezugsprobleme der Museen und Ausstellungen in der heutigen Zeit erläutert. In dieser argumentiert die Autorin hin zu der Frage an die Institutionen: Wie können Formen des Ausstellens und Vermittelns heutzutage – z.B. in Bezug auf Digitalisierung – aussehen? So stünden laut der Autorin vor allem die Rollenverständnisse und Funktionen der Institutionen selbst zur Disposition. Gesellschaftliche Einbindung wird im Zuge dieser Diskussion als ein Merkmal der Reaktion von Museen auf die Modernisierungsfrage in den Mittelpunkt gestellt. Ausgehend von der Museumsreformbewegung (im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert) wird die Diskussion um die gesellschaftliche Funktion von Museen dargelegt. Museen sollen zu Orten der Volksbildung und der Demokratisierung werden sowie besucher:innenfreundlich ausgestattet werden. Hierbei bezieht sich die Autorin auf gängige Literatur aus der Museumspädagogik und aus der reformpädagogischen Bewegung bis hin zu Bezügen aus den 1980er/90er Jahren und aus der heutigen Museumspädagogik. Sie schließt mit dem Rekurs auf den Paradigmenwechsel seit den 1970er Jahren, der die gesellschaftliche Einbindung als Grundlage für das heutige Museumswesen feststellt. Ein eigenes Kapitel zu den genutzten Begrifflichkeiten, die gesellschaftliche Einbindung betreffend, erscheint hier als sehr leser:innenfreundlich, da für diese in der Museumsarbeit mitunter, so konstatiert die Autorin, „viele voneinander abweichende Begriffe und Verständnisse kursieren“ (54). Auch werden die von den Museen genutzten Konzepte (u. a. Museum als Agora, Plattform, Debattierort, Labor, Sociallab) dargelegt.

Der erste Teil zeigt die Anforderungen an die gesellschaftliche Einbindung im Museumsbereich. Es werden außerdem Konzepte der „Neuen Museologie“ (44) diskutiert. Der zweite Teil untersucht drei Fallbeispiele auf ihren Umgang mit gesellschaftlicher Einbindung. Die Fallbeispiele werden in Text und Bild beschrieben und in Hinblick auf die Schlüsselbegriffe Repräsentation, Partizipation und Zugänglichkeit analysiert. In Bezug auf Sandell (1998) versteht Büchel unter Repräsentation (representation), „the extent to which an individual’s cultural heritage is represented within the mainstream cultural arena” [1], unter Partizipation (participation) „ the opportunities an individual has to participate in the process of cultural production” (ebd.) und unter Zugänglichkeit (access) „the opportunities to enjoy and appreciate cultural services” (ebd.). Der dritte und empirische Teil vergleicht die vorgestellten drei Fallbeispiele. Diese werden entlang ihrer spezifischen Merkmale, die gesellschaftliche Einbindung betreffend, und bezüglich der Begriffe Repräsentation, Partizipation und Zugänglichkeit zugeordnet. Die Arbeit schließt mit einer Schlussbetrachtung sowie einem Ausblick.

Das Vorgehen sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer Art spiegelt den Gegenstand – die museale Ausstellung – der Arbeit wider; gleichzeitig zeichnet sich die Arbeit durch dichte empirische Analysen inhaltlicher bzw. darstellerischer Art, sowohl in ihrem in der Grounded Theory verorteten Vorgehen aus, das unterschiedliche Erhebungs- und Analyseformen gekonnt zusammenführt. So beschreibt die Autorin ihr Vorgehen selbst als „mehrstufig und nichtlinear“ (26), indem sie Recherchen zum Diskurs und zu wissenschaftlichen Texten, Besuche von Tagungen und Vorträgen sowie Ausstellungsbesuche parallel vorgenommen hat.

Zu Form und Inhalt lässt sich festhalten, dass es sich um ein sehr leser:innenfreundliches Buch handelt. Zu Beginn eines Kapitels finden sich kurze Beschreibungstexte, die Fallbeispiele werden sinnvoll mit Bildmaterial veranschaulicht. Durch interessante Grafiken werden die Ergebnisse der Studie auch visuell dargestellt. Vor allem die Beschreibungen der Ausstellungsbegehungen sind sehr informativ und ästhetisch ansprechend vorgenommen worden. So wird durch die Autorin der Besucher:innenrundgang selbst beschrieben und durch Bildmaterial illustriert, jedoch immer in Hinblick auf die Frage der Repräsentation, Partizipation und Zugänglichkeit ausgelotet. Die Beschreibungen der Orte sind dabei angelehnt an ethnographische Beschreibungen, die die Besonderheiten eines Ortes, wie etwa Lage, Beschaffenheit etc., zentrieren. Fragen, die sich die Ethnographin während der Begehung der Ausstellung stellt, werden in den Text mitaufgenommen („Suggeriert dies etwa das Auskurieren der eigenen Social-Media-Sucht in einer gesunden Alpenpanoramasicht?“(121)) und führen dazu, dass Leser:innen sich beim Lesen des Buches selbst in die Ausstellungsräume versetzt fühlen. Wie Museen und deren Ausstellungen museumstheoretisch und -pädagogisch untersucht werden können, zeigt die Arbeit von Büchel daher eindrücklich. Beschreibungen eigener Erfahrungen während der Begehung, Gespräche mit zentralen Personen und Bilder werden eingesetzt, um die Inhalte zu verdeutlichen. Dies ermöglicht Anschluss für methodologische Fragen, die die sozialwissenschaftlich gerahmten Erkundungen von Museen thematisieren.

Die Ausführungen bieten Anknüpfungspunkte für museologisch und/oder (museums-)pädagogisch informierte und interessierte Leser:innen sowie Personen aus der Praxis, die sich für Fragen, die um die gesellschaftliche Einbindung in Museen kreisen, interessieren. Sie geben weiter Diskussionsanregung für Fragen zur Rolle, zum Angebot und möglicherweise auch zur (gesellschaftlichen) Verantwortung der Institutionen.

Denn Büchel endet in ihrem Ausblick mit dem fragenden Kapiteltitel „Ein Museum für die Gesellschaft?“ und stellt eine „Aufbruchstimmung“ (215) bei den Institutionen fest. Mit der Umdeutung von Museen zu Diskussionsräumen, Orten der Begegnung und der Teilhabe und Teilnahme werden auch pädagogische Fragen neu zur Verhandlung gestellt. Wer kann und darf Kunst, Kultur und Wissen wie rezipieren?

Gerade auch deshalb bietet die vorliegende Arbeit sowohl einen interessanten Überblick über den Stand der Forschung zum Thema gesellschaftliche Teilhabe in Museen und Anregungen zum Weiterdenken aus museumspädagogischer und erwachsenenbildungsbezogener Praxis- und Theorieperspektiven. Für Fragen und Arbeiten aus der Erwachsenenbildung werden interessante Aspekte aus der Museumswissenschaft, die pädagogische Fragen etwa durch ästhetische Herangehensweisen oder kulturwissenschaftliche Perspektiven bereichern und ergänzen können, versammelt. Wie Museen sich in puncto Zugänglichkeit und Inklusion aufstellen können, wie Wissen in geeigneter Form in Museen vermittelt werden kann und welche Rolle der Ort des Museums hierbei spielt, sind Beispiele für Fragen aus der kulturellen (Erwachsenen-)Bildung, für die Büchels Arbeit Anknüpfungspunkte bieten würde.

[1] Sandell, R. (1998). Museums as agents of social inclusion. Museum Management and Curatorship, 17, 401–418.
Karola Cafantaris (Hamburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Karola Cafantaris: Rezension von: Büchel, Julia: Repräsentation – Partizipation – Zugänglichkeit, Theorie und Praxis gesellschaftlicher Einbindung in Museen und Ausstellungen. Bielefeld: transcript Verlag 2022. In: EWR 23 (2024), Nr. 2 (Veröffentlicht am 07.05.2024), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383765707.html