
Britta Juska-Bacher und Christine Beckert widmen sich der „Bildungssprache am Schulanfang“, um einen Beitrag zur sprachwissenschaftlichen Grundlage für eine entsprechend ausgerichtete Förderung ab Schulbeginn zu leisten. Sie stellen dar, dass es zwischen „Umgangssprache“ und „Fachsprache“ – sowie jeweils dazugehörigen Kompetenzen – ein Dazwischen gibt, das ihrer Meinung nach im Fachdiskurs als „Bildungssprache“ etabliert werden sollte. Ihre aufschlussreiche Analyse von Bildungsstandards und Lehrplänen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Hinblick auf das Vorkommen von „Bildungssprache“ verdeutlicht, dass zum einen nur jüngere bildungspolitische Verlautbarungen konkret auf Bildungssprache rekurrieren und dass zum anderen eine große Vielfalt an Begriffen und zuweilen eine recht beliebig erscheinende Auswahl an themenspezifischen Inhalten vorzufinden ist.
Die Autorinnen führen eine von ihnen durchgeführte zwar kleine, gleichwohl wegweisendes Potenzial bietende Studie an, die auf bildungssprachliche Kompetenzen von Schulanfänger/innen in der Schweiz ausgerichtet ist und deren Daten im Rahmen des größeren Projekts „Wortschatz und Wortlesen“ erhoben wurden. Grundlage ist ein Verständnis von Bildungssprache, das sich aus einer sprachlichen Dimension (mit den Bereichen Syntax, Morphologie und Lexik), einer kognitiv-reflexiven Dimension (mit den Bereichen schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten und Sprachreflexion) und einer entwicklungspsychologischen Dimension (mit dem Bereich Einstellung gegenüber und Wertschätzung von Schriftlichkeit) zusammensetzt. Bezugsgröße ist eine kleine Stichprobe aus 24 Kindern aus neun ersten Schulklassen der Nordwestschweiz, neun Mädchen und 15 Jungen.
Mittels dreier kreativ kombinierter Erhebungsinstrumente generieren Juska-Bacher und Beckert letztlich vier Typen bildungssprachlicher Ausprägungen von Kompetenzen bei diesen Schulanfänger/innen. Die Erhebungsinstrumente sind eine Nacherzählung eines fünfminütigen Kurzfilms, ein Testheft zur Erhebung schriftlich-konzeptualer Fähigkeiten im Sinne der Kenntnis schriftsprachlicher Konventionen und die Interpretation eines Fotos zweier in einer Leseecke lesender Mädchen (inklusive eines anschließenden Gesprächs) zur Erhebung der Einstellung gegenüber und Wertschätzung der Schriftsprache und literalen Tätigkeiten. Je nach Kompetenzausprägung unterscheiden Juska-Bacher und Beckert einen lexikalischen Typ, einen morphologischen Typ, einen Reflexionstyp sowie einen ausgewogenen Typ. Einen syntaktischen Typ konnten sie nicht ausmachen. Die vier Typen werden jeweils mit einem Fallbeispiel erläutert.
In der Diskussion wird deutlich, dass sich die Autorinnen im Klaren darüber sind, lediglich einen Ausschnitt bildungssprachlicher Kompetenzen von Kindern am Schulanfang untersucht zu haben. Gleichwohl sind gerade die Verortung in einer Region der Schweiz mit Dialekt und Standardsprache sowie die konkrete Annäherung an Bildungssprache von Erstklässler/innen aus Rezensentensicht überaus interessant und beispielgebend für weitere Forschungen. Der These folgend, dass verschiedene Wege des bildungssprachlichen Kompetenzerwerbs unterschiedliche Ansätze der Förderung bedingen (sollten), enden die Autorinnen mit einem auf Förderperspektiven ausgerichteten Ausblick. Dabei geht es zunächst um Überlegungen zur textsortenübergreifenden und textsortenspezifischen Förderung, die auch auf andere Altersgruppen übertragen werden kann, und anschließend um die breitere Perspektive des gesteuerten Erwerbs von Bildungssprache am Schulanfang, die sprachliche Mittel, dialogische Aspekte, Texthandlungen, „Literacy“ und Sprachreflexion umfasst. Tabellarisch werden Ansatzpunkte einer typenspezifischen Förderung geboten. Von der Veröffentlichung können sowohl Lehrerinnen und Lehrer erster Klassen als auch zu Bildungssprache Forschende profitieren.