Das Buch „Schulentwicklung: proaktiv, kreativ, effektiv. Rückenwind für Schulleitungen“ richtet sich an Schulleitungen und Personen, die sich für Schulleitung interessieren, aber auch an alle, die in der Schule Teilverantwortung übernehmen oder Mitglied der erweiterten Schulleitung sind. Der Autor Hauke Christiansen, Pastor i.R., Dipl.-Psychologe, Transaktionsanalytiker, Fortbildungsdozent, Projektmanager und Geschäftsführer, berät Einzelpersonen und Organisationen in Diakonie, Schulen und Betrieben und hält Weiterbildungskurse für Schulleitungen. Das Buch gliedert sich in 14 Kapitel. Die Auswahl der Konzepte des Autors hängt unter anderem mit seiner transaktionsanalytischen Ausbildung für den Organisationsbereich und mit seiner eigenen Leitungserfahrung zusammen. Auch Diskussionen und Anregungen schulischer Führungskräfte aus den vom Autor gehaltenen Weiterbildungskursen fließen in seine Ausführungen ein. Schulen in einer demokratischen Gesellschaft sollen Beteiligung, Mitwirkung und Verantwortung in der Gesellschaft fördern, das muss bereits in der Schule grundgelegt werden. Dies wiederum erfordert einen Leitungsstil, der auf umfassende Beteiligung und auf verbindliche Vorgehensweisen setzt. Der Autor ist davon überzeugt, dass durch das Mobilisieren der Ressourcen aller beteiligten Personen Schule entwickelt werden kann.
Als hilfreiches Konzept und theoretische Fundierung wird die Schule als Lernende Organisation nach Senge (1998) beschrieben. Grundsätzlich empfiehlt Christiansen in seinem Buch, an die anspruchsvolle Aufgabe „Schulleitung“ proaktiv heranzugehen. Es wird empfohlen, „mit sich selbst anzufangen“ (13), die Vogelperspektive einzunehmen und weiterhin wird ergänzt, „aller Anfang ist leicht“ (15). Schule wird als Lernende Organisation unter Beschreibung der dazu gehörenden fünf Dimensionen thematisiert. Christiansen sieht diese fünf Dimensionen für das Organisationslernen wie große Maschen eines Netzes, das sich über alle Organisationen – auch über Schulen – spannen lässt. Damit man an den Besonderheiten der Schule arbeiten kann, braucht man für jede der großen Maschen ein feiner gestricktes Netzwerk. Einige dafür nötige Instrumente, Modelle, Landkarten und Ideen findet man im rezensierten Buch.
Vision, persönliche Meisterschaft, Teamlernen, mentale Modelle und Systemdenken werden im Buch thematisiert. Alle fünf sind zu beachten, wenn sich eine Organisation dem Lernen verschreiben will. Die fünf Dimensionen sind also nicht additiv, sondern multiplikativ verknüpft.
Die regelmäßige Zeit für Besinnung stellt für Christiansen die Voraussetzung dar, nicht ‚besinnungslos‘ zu arbeiten. Es wird betont, dass der Rollenwechsel von der Lehrperson in die Funktion der Schulleitung auch die eigenen, bisherigen Beziehungsmuster in Frage stellt und über prägende Leitungspersonen in der Biographie nachgedacht werden muss: Wen habe ich bewundert? Unter wem habe ich gelitten? Woran lag das? Das Gelingen des Rollenwechsels bleibt meist dem autodidaktischen Geschick der einzelnen Leitungsperson überlassen. Es wird nach Rolff [1] der Blick auf das Gesamtsystem gefordert: „Gute Schulleitungen arbeiten an der Schule, weniger gute nur in der Schule.“
Im Kapitel Schulentwicklung und Konfliktmanagement wird unter anderem die Scheiterstrategie als Ressourcenmobilisierung thematisiert, es werden drei Konflikttypen beschrieben und es wird auf die Mobbing-Falle hingewiesen. Nach der Diskussion des Beitrages der Gewaltfreien Kommunikation wird das Geben und Nehmen von Feedback aus Sicht der Führungsperson diskutiert. Die Darstellung transaktionsanalytischer Konzepte und der Konfliktklärung durch Prozesskommunikation regen zu vielfältigen Reflexionen an. Die Thematik der Vision und Steuerung von Prozessen wird theoretisch fundiert und anhand des konkreten Beispiels einer Klausur des Kollegiums als Einstieg in die Erarbeitung einer Vision mit konkreten Praxisanregungen ausgeführt. Nach der Darstellung einer effektiven Konferenzstruktur wird das partizipativ-verbindliche Leitungskonzept vorgestellt und aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet. Der Fokus in den Ausführungen liegt auf der Fragestellung, wie man partizipativ und zugleich verbindlich leiten kann.
Mit Hilfe von Expertenbeiträgen [2], [3], [4], [5], die im Buch in Thesen zusammengefasst und kommentiert werden, überprüft der Autor, wie weit es ihm gelungen ist, eine Schule als Lernende Organisation zu verstehen, ohne dabei wesentliche Fragen und Einwände zu übersehen. Dieses Kapitel fußt in der Conclusio, dass sich Schulen am besten weiterentwickeln, wenn deren Kollegien sich auf ihre eigenen Kräfte besinnen, gemeinsam Verantwortung für die Schule übernehmen und auf das Lernen aller mit Kopf, Herz und Hand setzen. Die Schulleitung kann dazu viel beitragen, konkrete Beispiele finden sich im rezensierten Buch.
Das Erkennen und Regulieren von Stress im Sinne der ‚Persönlichen Meisterschaft‘ wird ausgeführt unter Einbeziehung der Thematik der Energiequellen und Energieräuber. Die Frage, ob die individuelle Förderung von Lehrkräften oder die Teamstärkung vorrangig sind oder eine Kombination selbiger im Sinne der verteilten Führung der richtige Zugang ist, wird am Ende des Buches thematisiert.
In den einzelnen Kapiteln werden verschiedene Modelle und Arbeitsmaterialien zur Schulentwicklung vorgestellt. Einige Kapitel beschließt Christiansen mit Vertiefungen, die seinen Zugang als Pastor deutlich machen und zur Reflexion anregen sollen. In diesen Vertiefungen werden einzelne Themen auf den Hintergrund christlicher, aber auch humanistischer Tradition bezogen. Zur weiterführenden Beschäftigung zu den einzelnen Themen werden Lesetipps angeführt. Das rezensierte Buch bietet vielfältige Reflexionsanregungen und konkrete Handlungsmöglichkeiten für das Thema Schulentwicklung allgemein, aber auch für die Ausübung des Berufes Schulleitung. Es gibt außerdem eine elektronische Fassung des Buches, die dazu dienen soll, die methodischen Konzepte dem eigenen Kollegium problem- und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Im Bereich Download finden sich Arbeitspapiere, die für eine Zusammenarbeit nützlich sein können.
[1] Rolff, H.-G. (2017). Schulleitung auf den Punkt gebracht. Debus Pädagogik.
[2] Bormann, R. (2001). Raum, Zeit, Identität. Sozialtheoretische Verortung kultureller Prozesse. Opladen. S. 23.
[3] Kühl, S. (2007). Die Grenzen der Personalentwicklung in Schulen. In. Buchen, H., Horster, L. & Rolff, H.-G. (Hrsg.), Schulleitung und Schulentwicklung. Erfahrungen. Konzepte. Strategien (S. 1-11). Raabe.
[4] Rolff, H.-G. (2010). Schulentwicklung als Trias von Organisations-,Unterrichts- und Personalentwicklung. In. Bohl, Th., Helsper, W., Holtappels, H.-G. & Schelle, C. (Hrsg.), Handbuch Schulentwicklung (S. 29-36). Klinkhardt.
[5] Rolff, H.-G. (2019). Schulentwicklung auf den Punkt gebracht. Debus Pädagogik.
EWR 21 (2022), Nr. 2 (April)
Schulentwicklung proaktiv, kreativ, effektiv
Rückenwind für Schulleitungen
Münster: Waxmann 2020
(302 S.; ISBN 978-3-8309-4211-5; 35,90 EUR)
Petra Heißenberger (Baden)
Zur Zitierweise der Rezension:
Petra Heißenberger: Rezension von: Hauke, Christiansen,: Schulentwicklung proaktiv, kreativ, effektiv, Rückenwind für Schulleitungen. Münster: Waxmann 2020. In: EWR 21 (2022), Nr. 2 (Veröffentlicht am 03.05.2022), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383094211.html
Petra Heißenberger: Rezension von: Hauke, Christiansen,: Schulentwicklung proaktiv, kreativ, effektiv, Rückenwind für Schulleitungen. Münster: Waxmann 2020. In: EWR 21 (2022), Nr. 2 (Veröffentlicht am 03.05.2022), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978383094211.html