Die Begleitstudie dauerte drei Jahre und bestand aus zwei Teilprojekten. Teilprojekt A enthielt die Zielsetzung, verschiedene didaktische Arrangements zu analysieren und Veränderungen in der Unterrichtsgestaltung aufzuzeigen. Dazu wurden unter der Leitung von Rita Stebler drei videobasierte Unterrichtsbeobachtungen pro Grundstufenklasse durchgeführt. Im Anschluss daran wurden mit den zwei hauptverantwortlichen Lehrerinnen einer Grundstufenklasse (insgesamt N=10) leitfadenbasierte Interviews durchgeführt, die die Kommentierung spezifischer Videosequenzen sowie Fragen zu Rahmenbedingungen und Einschätzungen des Schulversuchs beinhalteten.
Teilprojekt B – geleitet von Georg Stöckli – fokussierte die individuellen Entwicklungsverläufe der Kinder, die neu in die Grundstufe eintraten. Für den Gesamtlängsschnitt standen die Daten von 26 Kindern zur Verfügung. Sie wurden zu Beginn der Grundstufe und dann am Ende jedes Grundstufenjahrs einzeln befragt. Im offenen Teil des Interviews wurden die Kinder aufgefordert, von sich und von ihren Freundinnen und Freunden zu erzählen. Im Aufgabenteil wurden den Kindern Aufgaben aus der Mathematik und Sprache vorgelegt. In der Mitte des zweiten Grundstufenjahrs führte eine Schulpsychologin mit jedem Kind den Test zu den intellektuellen Fähigkeiten aus der „Kaufmann-Assessment Battery for Children“ durch. Zu allen vier Messzeitpunkten schätzten die Lehrpersonen für jedes Kind Spiel-, Lern-, Sozialverhalten und die Beliebtheit in der Klasse anhand eines Fragebogens ein.
Folgerichtig werden die Ergebnisse – nach einführenden Bemerkungen und Kapitel 1, das sich unter Einbezug gesellschaftlicher Veränderungen mit strukturellen und pädagogischen Fragen des Übergangs zwischen Kindergarten und Schule befasst – der beiden Teilprojekte dargestellt.
Rita Stebler baut ihr Ergebniskapitel zum Teil „Unterricht in altersgemischten Grundstufenklassen“ so auf, dass zuerst eine knappe Zusammenfassung des Kapitels gegeben wird, gefolgt von theoretischen Ausführungen, die in die Fragestellungen zum jeweiligen Thema münden. Anschließend werden die Ergebnisse detailliert beschrieben und im Rahmen eines Fazits verdichtet und reflektiert. Die dargestellten Thematiken geben einen reichhaltigen Einblick, wie in der Praxis Unterricht entwickelt wurde. Sie umfassen traditionelle Themen der Kindergarten- und Grundschulpädagogik, wie die Gestaltung und Nutzung von Unterrichtsräumen, das Etablieren kindgemässer Strukturen, das Arrangieren des freien Spiels sowie das Erlernen der Kulturtechniken. Diese werden nun anhand der empirischen Ergebnisse von Stebler neu interpretiert und ergänzt, so um die Kapitel zum selbstgesteuerten Lernen, zur Altersmischung als pädagogischem Prinzip und zum Teamteaching. Letzteres stellte zugleich eine entscheidende Herausforderung und den eigentlichen Motor der Unterrichtsentwicklung dar, da in der Grundstufe eine Kindergarten- und eine Grundschullehrerin nicht nur zusammenarbeiten, sondern den Unterricht gemeinsam planen und (zum Teil) durchführen.
Die von Stebler dargestellten Ergebnisse des Teilprojekts A belegen eindrücklich, wie die Grundstufenlehrerinnen mit den verschiedensten Herausforderungen umgehen und in ihrem jeweiligen Kontext kreative Formen für die Binnendifferenzierung und die Plenumsphasen finden, reflektieren und weiterentwickeln. Im Zentrum dieser Bemühungen stand – davon legen Interviewausschnitte und Videoprotokolle Zeugnis ab –, den Kindern gemäß ihrem Entwicklungs- und Lernstand entsprechende Spiel- und Lernangebote zu machen.
Wie nun die individuelle Entwicklung der Kinder im Rahmen der Grundstufe verläuft, ist Inhalt der Ergebnisdarstellung in Kapitel 3. Georg Stöckli beschreibt in seinem Teil zunächst die Untersuchungsgruppe und die verschiedenen Erhebungsinstrumente. Es folgen die Ergebnisse zur Entwicklung des Selbstwissens, den Beziehungen in der Gruppe, der Kompetenzerfahrungen, der Grundfähigkeiten und Einzelfertigkeiten, zum Spielen und Lernen sowie zu sozial gehemmten Grundstufenkindern.
Zu Beginn der Ergebniskapitel erfolgt die theoretische Einbettung des Themas. Anschließend werden quantitative Ergebnisse für die Kindergruppe referiert. Um die zum Teil sehr divergierenden individuellen Entwicklungsverläufe der Kinder zu veranschaulichen, werden kontrastierende Fälle vorgestellt. Als Beispiel sei an dieser Stelle auf die Erläuterungen zu „Problemen mit den andern Kindern und schulische Probleme“ (166) verwiesen, die anhand der Fälle von Martin und Yannis darauf aufmerksam machen, wie unterschiedlich Kinder ihren Grundstufenalltag erleben und von anderen Kindern sowie Lehrpersonen wahrgenommen werden. Abschließend zieht Stöckli Folgerungen für jede behandelte Thematik. Diese reflektieren die Ergebnisse anhand theoretischer und empirischer Befunde und stellen mögliche Umsetzungen in der pädagogischen Praxis dar. Stöckli gelingt es mit diesem Vorgehen, ein filigranes Bild der individuellen Entwicklungsverläufe zu zeichnen und damit dem viel verwendeten Begriff der heterogenen Voraussetzungen von Kindern beim Schuleintritt ein Gesicht zu verleihen.
Die vorliegende Publikation gibt mit der Perspektive der Lehrerinnen und der Perspektive der Kinder einen vielfältigen und reichhaltigen Einblick, wie pädagogische Praxis im Rahmen eines Schulversuchs neu geordnet, erprobt und erlebt wird. Gewonnen hätte das Schlusskapitel, wenn die Schlussfolgerungen für beide Teilstudien integral gezogen worden wären. So bleibt es den Lesenden überlassen, die beiden Teile zueinander in Beziehung zu setzen und zu verknüpfen. Trotzdem ergänzt die Begleitstudie nicht nur die Ergebnisse der EDK-Ost-Evaluation, sondern bietet eine gute Ausgangslage für die Weiterentwicklung und Konsolidierung einer neuen Schulform.
1 Die ausführliche Beschreibung sowie sämtliche Zwischen- und Schlussberichte zum Schulentwicklungsprojekt sind zu finden unter: