
Im ersten Teil führt Heinz Günter Holtappels systemisch-normative sowie empirisch-konzeptionelle Annahmen und Erkenntnisse zur Ganztagsschule zu einem Qualitätsmodell zusammen. Im Zuge dessen integriert er gewinnbringend Annahmen des Angebots-Nutzungs-Modells sowie Einflüsse von Schulentwicklungsbemühungen in das herkömmliche CIPO-Modell zur Schulqualität, das sich aus dem Zusammenspiel der Dimensionen und Merkmale der Input-, Prozess- und Outputqualität unter Berücksichtigung des sozialen Kontextes erschließt, und verweist dabei sowohl auf die Komplexität schulischer Wirkungszusammenhänge als auch auf die damit vorhandene Schwierigkeit, Effekte einzelner Faktoren empirisch zu bestimmen. Seine Darstellungen von speziellen Qualitätsdimensionen und Merkmalen sowie einiger teilweise bestätigter Zusammenhänge bieten somit nicht nur Anhaltspunkte für einzelschulische Entwicklungsprozesse, sondern befördern darüber hinaus eine Systematik von Forschungsbemühungen.
Witlof Vollstädt fokussiert in seinem Beitrag die Kompetenzorientierung in modernen Bildungssettings. Sofern Schul- und Unterrichtsqualität über den Weg der Kompetenzorientierung und mit Blick auf den „schulischen Output“ verbessert werden sollen, sei ein differenziertes Verständnis darüber notwendig, welche Konsequenzen mit einer solchen Orientierung verbunden sind. Die anschließenden Konkretisierungen und Beschreibungen zentraler Konzepte sind trotz ihrer dichten und für Laien teilweise nur mit Vorkenntnissen nachvollziehbaren Ableitungen durchaus schlüssig und weisen schlussendlich einen Bezug zur Ganztagsschule aus.
Simone Menke stellt in ihrem Aufsatz die Ergebnisse eines inhaltsanalytischen, internetbasierten Vergleichs länderspezifischer Qualitätsoffensiven zur Ganztagsschule dar. Sie kommt zu dem nicht überraschenden Befund, dass diese sehr unterschiedlich gestaltet sind. Hintergründe, Ursachen und Konsequenzen der Kriterienkataloge werden von der Autorin allerdings höchstens randständig berücksichtigt.
Heinz Günter Holtappels, Ilse Kamski und Thomas Schnetzer schließen den ersten Teil mit der Beschreibung des Qualitätsrahmens für Ganztagsschulen des Dortmunder Instituts für Schulentwicklung. Mit der systematischen und umfangreichen Beschreibung von Qualitätsbereichen, -merkmalen, -kriterien und -indikatoren der System-, Prozess- und Outputdimension sollen den Lesern aus der Schulpraxis und Forschung nicht nur Orientierungshilfen und Anregungen für die Entwicklung und Gestaltung einer Ganztagsschule, sondern auch Maßstäbe an die Hand gegeben werden, die im Rahmen evaluativer Verfahren dienlich sind.
Zu Beginn des zweiten Teils stellt Katrin Höhmann ihre Auffassung vor, dass eine veränderte Unterrichts- und Lernkultur unter den Gegebenheiten einer Ganztagsschule besser zu etablieren sei. Sie beschreibt die Notwendigkeit, Faktoren, wie etwa das Bildungsverständis einer Schule, die Organisationsform oder auch Kooperationsmöglichkeiten, und deren wechselseitige Abhängigkeit zielorientiert in den Blick zu nehmen. Besonderes Augenmerk legt sie auf den Umgang mit der Zeit, dem Raum, den Bildungsinhalten, der Gruppenbildung und der Personalfrage. Die realen Möglichkeiten der einzelnen Schule erschließen sich dann vor dem Hintergrund der administrativen Ebene, der Ebene der schulinternen Verbindlichkeiten und der individuellen Nutzung.
Ausgehend vom zeitlichen Plus von Ganztagsschulen definiert Thomas Schnetzer relevante Begrifflichkeiten zur Zeitstrukturierung und beschreibt Gestaltungs- und Rhythmisierungsmöglichkeiten. Gleichwohl wird selbst der an schulischer Qualität interessierte und vorgebildete Leser der Zwangsläufigkeit und Richtung der angerissenen Zusammenhänge nicht ohne weiteres folgen können.
Mithilfe der Darstellung von ganztagsschultypischen Kooperationsformen und -partnern gelingt Ilse Kamski im anschließenden Beitrag eine adäquate und umfassende Betrachtung einer vielfältigen inner- und außerschulischen Kooperationspraxis. Auch die Schüler- und Elternpartizipation werden berechtigterweise mit angeführt. Vor dem Hintergrund ganztagsschulischer Ziele plädiert sie für eine konzeptionelle Vor- und Zusammenarbeit aller an Schule beteiligten Gruppen und Einzelpersonen und liefert zugleich Anregungen zur Gestaltung von Kooperationen in Ganztagsschulen.
Stefan Appel fokussiert in seinem Beitrag ausgehend von altersbezogenen Lebens- und Lernbedürfnissen der Schüler die Notwendigkeit, adäquate ganztagsschulspezifische Räume und eine entsprechende Ausstattung bereitzuhalten. Er kritisiert die unzureichende Berücksichtigung dieses Aspekts innerhalb bildungspolitischer Richtlinien und setzt dieser einen Überblick sowie Mindestvoraussetzungen grundlegender Räumlichkeiten an Ganztagsschulen entgegen. Die grundsätzlich plausibel erscheinende Herangehensweise lässt dennoch die dargestellten hohen Anforderungen vor dem Hintergrund konkreter schulischer Bedingungen realitätsfern und somit unerreichbar erscheinen.
Wolfram Rollett und Katja Tillmann präsentieren Ergebnisse zum Personaleinsatz der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). Für den qualitativen Ausbau sei es unabdingbar, sich nicht nur materielle, räumliche und finanzielle Ressourcen kritisch vor Augen zu führen, sondern einen Blick auf das heterogene Personal, deren Qualifikationen, Beschäftigungssituationen, Einsatzbereiche, Einschätzungen und Sicht auf die Kooperation untereinander zu werfen. Anhand der zusammengestellten Befunde kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es für eine Qualitätssteigerung notwendig sei, Lehrkräfte stärker als bisher in die Ganztagsgestaltung einzubinden, auf weiteres pädagogisches Personal mit sehr geringem Beschäftigungsumfang eher zu verzichten und auf eine pädagogische Qualifikation Wert zu legen.
Lernprozesse zum Thema Partizipation machen im Verständnis Franz Bettmers das Zusammenspiel von drei Erfahrungsdimensionen notwendig: auf einer pädagogischen Dimension geht es um Kompetenzentwicklung, auf einer politischen Dimension um reale Einflussnahme sowie auf einer Dimension des Engagements um die konkrete (Mit-) Gestaltung der eigenen Umwelt. Viele (ganztags-) schulische Projekte, wie etwa Mitbestimmungsgremien, stoßen jedoch aufgrund rechtlicher Vorgaben an Grenzen, so dass vielerorts eine Diskrepanz zwischen normativen Ansprüchen und Möglichkeiten der partizipativen Einflussnahme wahrzunehmen ist. Bettmer plädiert dafür, eine Ausweitung der Eltern- und Schülerpartizipation als langwierigen und „offenen Prozess“ (151) zu begreifen, der in einer gemeinsamen und transparenten Gestaltung zu Inhalten und Formen der Zusammenarbeit führt. Seine kritische Sicht ist in der Lage, weiterführende Diskussionen anzuregen.
Ernst Rösner eröffnet den dritten Teil des Sammelbandes mit der ausführlichen Beschreibung des demografischen Wandels und seiner Bedeutung für Schule allgemein und die Ganztagsschule im Speziellen. Sinkende Geburtenzahlen, das Schulwahlverhalten der Eltern, Wanderungseffekte und bildungspolitische Entscheidungen könnten sich in sehr unterschiedlicher Weise auf die Attraktivität und die Raumkapazitäten einzelner Schularten auswirken. Ernüchternd kommt Rösner zu der Auffassung, dass zukünftig der Ganztagsschule nicht zwangsläufig und keinesfalls flächendeckend größere Chancen eingeräumt werden können, obwohl von einer Zunahme an räumlichen Ressourcen – zumindest theoretisch – auszugehen ist.
Anja Durdel leitet in ihrem Aufsatz schlüssig die Notwendigkeit spezieller Unterstützungsangebote für Schulen in Reformprozessen her. Im Anschluss daran referiert sie die Arbeitsweise und die Erfolge des Begleitprogramms für Ganztagsschulen „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“.
Nils Kleemann plädiert in seinem Aufsatz überzeugend für neue flexible Arbeitszeitregelungen und angepasste schulische Bedingungen (z.B. Räumlichkeiten), die es dem Lehrer ermöglichen, den komplexen Anforderungen der Ganztagsschule gerecht zu werden. Seine Kritik richtet sich in konstruktiver Weise auf die systemischen Rahmenbedingungen (Standards der Schulverwaltung / Schulaufsicht) welche die Reformbemühungen der Schulen ausbremsen. Unter den aktuellen Gegebenheiten verwundere es nicht, wenn die Ganztagsschule mit ihren Implikationen vielerorts zur „Betreuungseinrichtung“ (176) verkomme.
Im letzten Beitrag des Sammelbandes kommen die Herausgeber selbst noch einmal zu Wort und widmen sich explizit einem Ausblick zur Schulentwicklung in Ganztagsschulen. Zusammenfassend werden Ergebnisse der Ganztagsschulforschung, die auf fördernde und hemmende Faktoren verweisen, dargestellt. Qualität bedarf dabei vor allem einer zeitintensiven konzeptionellen, engagierten Zusammenarbeit aller Beteiligten, einer konsequenten Verfolgung gesetzter Ziele und ein Angehen von Schulentwicklung mithilfe von Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie externen Unterstützungssystemen. Zukünftige Unterstützungsbedarfe, die diese zentralen Einflussgrößen aufgreifen und zu verbessern helfen, werden am Ende abgeleitet.
Insgesamt verweist der Sammelband auf wichtige Qualitätsaspekte der Ganztagsschulentwicklung und gibt in zahlreichen Beiträgen Anregungen zu zentralen Stellgrößen in Schulentwicklungsprozessen. Dort, wo Anregungen und Ansprüche an die Qualität von Ganztagsangeboten formuliert werden, fehlt jedoch der bildungsföderale Bezug. Allerdings muss bezweifelt werden, ob dieser überhaupt im Rahmen einer solchen Publikation leistbar gewesen wäre. Vor dem Hintergrund regionaler Rahmenbedingen werden viele der formulierten generellen Ansprüche für den jeweiligen Praktiker angemessen erscheinen. Hingegen sind auch zu Recht Maßstäbe und Orientierungspunkte gesetzt, deren Erreichbarkeit umfangreiche, ambitionierte, zeitintensive und individuelle Entwicklungswege der Schulen voraussetzen. Die sehr unterschiedlich ausgerichteten Beiträge werden nicht immer alle sich mit Ganztagsschule beschäftigenden Akteure in gleicher Weise ansprechen. Dem Leser wird dadurch eine hohe Syntheseleistung abverlangt, die ein zusammenfassender abschließender Beitrag erleichtert hätte.