
Was schreibt Ceylan über die islamische Erziehung in der Moschee und in der Schule? Zunächst betrachtet der Autor die Moschee aus einer historischen Perspektive, skizziert deren Entwicklung grob von den Anfängen in provisorischen Gebetsräumen über die Phase der Hinterhofmoscheen bis zur Einrichtung „multifunktionaler Zentren und repräsentativer Bauten" (bzw. von der Phase der ersten Moscheengründungen über die Phase der Konsolidierung der Dachverbände bis hin zu den Anfängen der Entwicklung eines „Diaspora-Islam“) (62). Im Anschluss daran äußert er sich zu der für die Erziehung in dieser Institution zentralen Figur, zu der des Imam. Er listet zum einen die Aufgaben auf, die dieser in der Gemeinde hat, zum anderen präsentiert er eine – vorläufige – Typologie. Worin bestehen die Aufgaben des Imam? Der Imam leitet das Gemeinschaftsgebet und hält jeden Freitag die „Freitagspredigt“. Er betreut die Gemeinde und –das ist in dem vorliegenden Zusammenhang freilich besonders wichtig – er führt die Korankurse durch, an denen Kinder und Jugendliche vor allem an Wochenenden teilnehmen. Das wichtigste Ziel, das in diesen Kursen verfolgt wird, sei „das Rezitieren des Korans in arabischer Sprache“ (71). Durchgeführt würden diese Kurse nach wie vor weitgehend im „Madrasa-Stil“, zu dem „Imitation, Nachahmung, Rezitation und Memorieren sowie Autoritätshörigkeit“ (140) gehören. Als problematisch sieht Ceylan an, dass häufig spezielle Räume für diese Kurse fehlen, dass kaum didaktisches Material vorhanden ist, dass kein systematischer Lehrplan existiert und dass die Teilnehmerzahlen meist recht hoch sind.
Die Typologie, welche Ceylan entfaltet, beruht auf eigenen empirischen Forschungen des Autors. Er hat drei Interviews mit Imamen durchgeführt und diese im Hinblick auf vier Aspekte ausgewertet: die Qualifikation, die religiöse Orientierung sowie die Einstellung zum islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen und zu der Imam-Ausbildung an deutschen Universitäten. Den ersten Typus bezeichnet Ceylan als „neo-salafitisch". Dessen religiöse Qualifikation beruhe auf autodidaktischen Studien der religiösen Quellen, er grenze sich deutlich vom traditionellen Islam ab, dem er den „wahren" Islam gegenüber stelle. Er spreche sich sowohl gegen den islamischen Religionsunterricht als auch gegen die akademische Ausbildung von Imamen in Deutschland aus. „Traditionell-defensiv" nennt Ceylan seinen zweiten Typus. Dieser Typus von Imam habe eine klassische Madrasa-Schulung in der Türkei genossen, vertrete einen mystischen, esoterischen und eschatologischen Islam und nehme im Hinblick auf islamischen Religionsunterricht und die Ausbildung von Imamen in Deutschland eine ähnlich ablehnende Haltung ein wie der erste Typus. Nur der Typus des „intellektuell-offensiven" Imam, der sowohl eine schulische als auch eine akademische Ausbildung in der Türkei erhalten hat, nehme bezüglich der genannten Punkte eine positive Haltung ein: Er halte den islamischen Religionsunterricht ebenso wie die Ausbildung von Imamen an deutschen Universitäten für notwendig.
Der zweite Teil des dritten Kapitels handelt schließlich von der islamischen Erziehung in der Institution Schule, von ihren Voraussetzungen, ihren Inhalten und Zielen sowie ihrer Entwicklung. Ceylan legt dar, wie die Rahmenbedingungen für sie beschaffen sind – der Staat hat für diese Bedingungen zu sorgen und übt gleichzeitig Kontrolle aus. Er kooperiert mit der bzw. den islamischen Religionsgemeinschaft(en), welche die Inhalte festlegen, die Kompatibilität des Unterrichts mit den Glaubensgrundlagen prüfen und über das Personal mitentscheiden. Eine islamische Erziehung in den Schulen – in welcher Form auch immer – ist (wie jeder Unterricht) dem allgemeinen Bildungsauftrag der Schule verpflichtet. Das Ziel bestehe darin, dass Kinder und Jugendliche auf dem Weg über die Auseinandersetzung primär mit dem Islam, aber auch mit anderen Religionen nicht nur Wissen erlangen, sondern auch einen rationalen, verstehenden Zugang zum Islam gewinnen, damit sich auf diese Weise ihre Identität festigt und sie aufgrund des gewonnenen Verständnisses sowie der gefestigten Identität ihren Platz in der Gesellschaft finden.
Prinzipien der Didaktik sollten sein, dass an die Lebenswirklichkeit der Schüler angeknüpft und dass Wissen über Glaubensinhalte sowie religiöse Normen und Praktiken vermittelt wird. Darüber hinaus sollte sich die Erziehung orientieren an dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Forschung sowie an der Mündigkeit der Schüler. Voraussetzung sei, dass der Islam „von traditionellen, kulturellen und nationalistisch geprägten Elementen“ gereinigt und ein „Diaspora-Islam“ entwickelt werde, der mit den Bedingungen moderner westlicher Gesellschaften kompatibel ist (111). Selbstverständlich sei es geboten, dass unterschiedliche Interpretationen des Islam zur Sprache kommen und auch solche, die von den Schülern vorgenommen werden, zugelassen und akzeptiert werden.
Schließlich stellt der Autor zwei Schulversuche kurz dar: den Versuch „Islamkunde“ in NRW und den eines „islamischen Religionsunterrichts“ in Niedersachsen. Den Verlauf beider Projekte schätzt Ceylan als positiv ein. Erste wissenschaftliche Evaluationen hätten ergeben, dass diese Versuche sowohl bei den Schülern als auch bei deren Eltern auf großen Zuspruch stoßen.
Das Buch ist als erste Einführung in die Thematik zu empfehlen. Wer aber Genaueres erfahren will – z.B. wie man sich den Koranunterricht in den Moscheen konkret vorstellen muss, welche Habitusformationen jene Imame verkörpern, die Ceylan typologisch zu bestimmen versucht hat, und wie die Wirklichkeit des islamischen Religionsunterrichts beschaffen ist, in den so große Hoffnungen gesetzt werden – wird eher enttäuscht.