EWR 21 (2022), Nr. 4 (Oktober)

Christiane Hof / Birte Egloff
Handeln und Forschen in der Erwachsenen- und Weiterbildung
Bielefeld: wbv 2021
(175 S.; ISBN 978-3-8252-5834-4; 19,90 EUR)
Handeln und Forschen in der Erwachsenen- und Weiterbildung Mit „Handeln und Forschen in der Erwachsenenbildung“ betiteln die Autorinnen Christiane Hof und Birte Egloff ihr 175 Seiten umfassendes Werk in der utb-Reihe „Erwachsenen- und Weiterbildung. Befunde – Diskurse – Transfer“, dessen Titel durch die enthaltene Konjunktion bereits eine Differenz eröffnet, derer sich die Autorinnen auch sogleich in der Einführung annehmen. Problematisierend konstatieren sie eine Renitenz unter Studierenden, sich umfassend mit methodologischen und methodischen Gegenständen der erziehungswissenschaftlichen Forschung zu beschäftigen. Sie würden eher „als lästige Pflicht, nicht jedoch als Teil des Professionswissens und als bedeutsam für erwachsenenpädagogisches Handeln wahrgenommen [werden]“ (11).

Die Autorinnen knüpfen mit dieser Einordnung an den Diskurs der Professionalisierung in der Erwachsenenbildung(swissenschaft) an und begegnen dem thematisierten Problem, indem sie die Tätigkeit des Forschens (eo ipso zugleich eine Handlungsform) in ihren Ausführungen exponieren, um die Inhärenz des Forschens in den Handlungsfeldern der Erwachsenenbildung herauszustreichen. Dabei wird im Buch nicht nur auf die dem Forschen innewohnende Relevanz von Eigenbeobachtung/Reflexion, (Situations-)Analysen und der Berücksichtigung von Forschungsergebnissen verwiesen, sondern auch auf einen „forschenden Blick“ als eine Art Metahaltung, denn er „sensibilisiert dafür, Gegebenes nicht einfach hinzunehmen, sondern immer wieder Fragen zu stellen, die mittels fremder oder eigener Forschung beantwortet werden können und das eigene Handeln professionalisieren“ (13).

Die folgenden beiden Kapitel 1 und 2 nutzen die Autorinnen sodann, um die Begriffe des Handelns und des Forschens im Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung theoretisch zu verorten, zugleich aber auch als Handlungsfelder/Tätigkeiten zu thematisieren. Handeln kann „als eine zielgerichtete, mit einer bestimmten Intention verbundene Tätigkeit“ (17) gefasst werden, die im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitungen disziplinbezogen spezifiziert wird. So zeichnet sich professionelles erwachsenenpädagogisches Handeln dadurch aus, „dass die zugrunde liegende Absicht auf die Initiierung, Steuerung, Begleitung oder Evaluation von Lern-, Bildungs- und Beratungsprozessen von Erwachsenen ausgerichtet ist“, „von professionell ausgebildeten Erwachsenenbildnerinnen und -bildern vollzogen wird und in einem pädagogischen Setting stattfindet“ (19). Dabei greifen Professionelle „auf wissenschaftliche[s] Wissen, Forschungserkenntnisse[] sowie Erfahrungs- und Reflexionswissen“ (24) zurück.

Angesichts des Technologiedefizits und damit einhergehenden Kontingenzen (in dem Sinne, dass Absichten pädagogischen Handelns keineswegs zu intendierten Ergebnissen führen) sowie unauflösbaren Spannungsfeldern (z. B. in Bezug auf Freiwilligkeit und Verpflichtung in der Teilnahme an Weiterbildung) im Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung soll der Diskurs jedoch nicht im Lichte der Frage nach richtigem, sondern vielmehr nach angemessenem Handeln geführt werden (20-21). Zu diesem gehört nun nicht nur, Forschungsergebnisse recherchieren, interpretieren und auf die eigene Situation beziehen zu können, sondern auch selbst forschend zu handeln. Erwachsenenpädagogisch Tätige werden also in doppelter Hinsicht bestimmt: „Auf der einen Seite sind sie in das Praxisgeschehen involviert, auf der anderen Seite fungieren sie als distanziert Beobachtende, die Fragen stellen und erhobene Daten analysieren“ (36). Dabei wird nicht etwa von einer Alltagsforschung (die in der Regel auf Begriffsdefinitionen, Klärung von Vorwissen usw. verzichtet) ausgegangen, sondern von einem mithilfe des im Studium erlernten Verständnisses wissenschaftlicher Forschung.

Erwachsenenpädagogische Handlungsfelder, denen (der Anspruch des) Forschen(s) inhärent ist, fächern die Autorinnen in den Kapiteln 3 bis 10 auf: Mit Feldern und Tätigkeiten wie dem Entwickeln von Weiterbildungsprogrammen (Kapitel 3) und Kurskonzepten (Kapitel 4), dem Gestalten von Lernumgebungen (Kapitel 5), der Evaluation von Bildungsarbeit (Kapitel 6), dem Managen von Bildungsqualität (Kapitel 7), aber auch der Personalentwicklung (Kapitel 8), der Bildungsberatung (Kapitel 9) und dem kommunalen Bildungsmanagement (Kapitel 10) wird ein breites Spektrum abgebildet, das Felder und Tätigkeiten auf der Meso- und Mikroebene, z. T. auch querliegend auf der Makroebene, gleichermaßen einbezieht. Die Kapitel 11 und 12 widmen sich dem Entwickeln von Forschungsdesigns und der Professionalitätsentwicklung. Sie bilden, wie auch die Kapitel 1 und 2, durch ihre übergeordneten Inhalte eher eine Rahmung für die dazwischenliegenden Kapitel.

Durch die Thematisierungen trägt das Buch nicht nur selbst einen Teil zum Hervorbringen wissenschaftlichen Wissens und zum Festigen von Professionswissen der in der Erwachsenenbildung Tätigen bei, sondern bietet auch eine Orientierung für (angehende) Tätige in der Erwachsenenbildung (Studierende, Berufseinsteiger:innen, Quereinsteiger:innen usw.).

Eine solche Orientierung wird auch durch die formale Gestaltung des Buches gestützt: Die 175 Seiten des Buches verteilen sich auf eine Einleitung und 12 Kapitel sowie diesem Hauptteil nachgelagerten Abschnitten wie dem Glossar, dem Literaturverzeichnis, dem Abbildungs- und Tabellenverzeichnis, den Lösungsideen zu in den Kapiteln aufgeworfenen Fragen als auch den Autorinneninformationen. Ein jedes der zwölf Kapitel folgt zudem einem ähnlichen Aufbau mit einer kurzen Inhaltsangabe, Auflistung von Lernzielen, jeweils einem aus der behandelten Thematik gewonnenen Fallbeispiel, am Rand platzierten Verschlagwortungen als Navigationshilfe innerhalb des Kapitels, Merksätzen zu Definitionen, Zusammenfassungen, Fragen und Aufgaben für Leser:innen als auch Angaben zu weiterführender Literatur. Inhaltlich fokussieren sich die Kapitel darauf, das jeweilige Handlungsfeld theoretisch rückgebunden darzustellen und die Bedeutung sowie Möglichkeiten des Forschens im jeweiligen Handlungsfeld zu eruieren. Beispielhaft kann auf die Programmentwicklung (Kapitel 3) verwiesen werden, welcher der Anspruch einer systematischen und analytischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Einrichtungsleitbild, dem Profil, Zielen, Adressat:innen- und Zielgruppen sowie gesellschaftlichen Themen und Kontextbedingungen innewohnt, wofür verschiedene Forschungszugänge (z. B. Programmanalysen, Bedarfsanalysen, Teilnehmer:innenstatistiken, Ergebnisse der Milieuforschung) herangezogen, vor allem aber selbst umgesetzt werden können.

Durch die derartige inhaltliche Gestaltung werden nicht nur Forschungszusammenhänge in den jeweiligen Kapiteln zu den Handlungsfeldern sichtbar, sondern auch Kernthemen/-theorien der Erziehungswissenschaft/Erwachsenenbildung (z. B. Wissen, Lernen, Beraten, Milieu, Forschen, Handeln, Raum, Übergänge, Qualität, Kompetenz) oder auch thematische Trends, die gegenwärtig oder anhaltend in der Erwachsenenbildung(swissenschaft) diskutiert werden (z. B. Alphabetisierung oder Persönlichkeitsbildung). Die inhaltlich-didaktische Aufbereitung ermöglicht im hohen Maße Einblicke ins und Bezüge zum Handeln der in der Erwachsenenbildung Tätigen und trägt zur Anschaulichkeit nicht nur der Tätigkeiten selbst, sondern auch der zuvor genannten Spannungsfelder, Herausforderungen und Kontextualisierungen bei. Durch die Verknüpfung des Anzeigens von Handlungsfeldern und Aufzeigen dessen, wie genau forschendes Handeln zur Lösung von Handlungsproblemen eingebunden sein kann, geben die jeweiligen Kapitel fruchtbare Antworten auf die von den Autorinnen formulierte Intention, den Zusammenhang von Forschung (Dritter), (eigenem) Forschen und daraus erwachsenden Potentialen für Handeln und Professionalisierung darzulegen (14).

Auch wenn die Akzentuierung dessen, dass sich Forschung in den jeweiligen Handlungsfeldern von Forschung im wissenschaftlichen Feld in Bezug auf Rahmenbedingungen, Qualifikationen, Kompetenzen, Erfahrungen usw. unterscheiden dürfte, deutlicher hätte hervortreten können, erscheint der Begriff des forschenden Handelns im Gesamtzusammenhang des Buches als durchweg tragend, gerade weil die Thematisierungen nicht nur beschreibenden, sondern durchaus normativen Charakter aufweisen. Forschendes Handeln sei schließlich bedeutsam, um u. a. eigene Beschäftigungsfähigkeit (37) und Innovationsfähigkeit (46) aufrecht zu erhalten – und nicht zuletzt, um den vielfältigen Anforderungen erwachsenenpädagogischen Handelns aktiv gestaltend begegnen zu können. Die Autorinnen erkennen dabei an, dass Forschen im alltäglichen erwachsenenpädagogischen Handeln „eher als Randaufgabe [erscheint], die zudem zu den alltäglichen Aufgaben in Konkurrenz steht oder zumindest mit diesen in Einklang gebracht werden muss“ (138). Kaum erörtert wird hingegen, wie Forschungsmöglichkeiten in den Handlungsfeldern besser strukturell verankert werden können, sodass die Umsetzung und Erfüllung des Anspruchs bei den Einzelnen verbleiben. Diese Ausführungen tragen vermutlich dem Umstand Rechnung, dass sich auch die Entwicklung von Professionalität „von einer gesellschaftlich-bildungspolitischen (Verberuflichung und Akademisierung) hin zu einer individuellen Aufgabe (Entwicklung eines professionellen Selbst) verlagert“ (147). Wünschenswert wäre gewesen, dass die Autorinnen dieser individualisierenden Perspektive an einigen Stellen widersprechen, indem sie Strukturen stärker kritisieren, in denen Professionelle in ihr Handeln eingebunden sind.

Die Monographie zeigt anhand einzelner Handlungsfelder auch auf, an welcher Stelle z. B. erwachsenenbildungsbezogenen Kompetenzdiskursen die Berücksichtigung des forschenden Blickes fehlt und dieser integriert werden sollte, um einer Professionalisierung erwachsenenpädagogischen Handelns zuträglich zu sein. Dabei erscheint besonders ertragreich, dass die Autorinnen nicht von in der erwachsenenpädagogischen Praxis Tätigen ausgehen, die lediglich wissenschaftliches Wissen Dritter rezipieren und für sich umsetzen; vielmehr richten sie den Blick darauf, dass in ebenjener Praxis selbst geforscht, Ergebnisse hervorgebracht und im Sinne eines professionellen Handelns genutzt werden. Das überschreitet nicht nur die überholte Dichotomie von Wissenschaft und Praxis (auch wenn diese begrifflich im Buch aufrechterhalten wird und der Titel der Monographie Gefahr läuft, diesbezüglich missverstanden zu werden), sondern eröffnet einen bisweilen nicht etablierten Blick auf die Spezifik der Handlungsfelder für Erwachsenenbildner:innen jenseits des Wissenschaftskontextes. Dadurch liegt das Anregungspotential der Monographie also im hohen Maße in der Wendung der Perspektive auf das professionelle Selbstverständnis ebenjener.
Stefanie Hoffmann (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Stefanie Hoffmann: Rezension von: Hof, Christiane / Egloff, Birte: Handeln und Forschen in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Bielefeld: wbv 2021. In: EWR 21 (2022), Nr. 4 (Veröffentlicht am 11.11.2022), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382525834.html