EWR 15 (2016), Nr. 1 (Januar/Februar)

Petra Herzmann / Johannes König
Lehrerberuf und Lehrerbildung
Bad Heilbrunn / Stuttgart: Klinkhardt / UTB 2016
(208 S.; ISBN 978-3-8252-4337-1; 19,99 EUR)
Lehrerberuf und Lehrerbildung In den vergangenen Jahren hat die Forschung zum Lehrerberuf und zur Lehrerbildung an Bedeutsamkeit gewonnen, sodass es folgerichtig erscheint, wenn nach Erscheinen des forschungsorientierten „Handbuch[s] der Forschung zum Lehrerberuf“ von Ewald Terhart, Hedda Bennewitz und Martin Rothland nun von Petra Herzmann und Johannes König auch ein Studienbuch mit dem Titel „Lehrerberuf und Lehrerbildung“ vorgelegt wird. Das Arbeitsbuch richtet sich besonders an (Lehramts-)Studierende und stellt auf 208 Seiten relevante Aspekte des Lehrerberufs und der Lehrerbildung dar. Die Intention der Autoren liegt vor allem darin, „Studierenden mit dem Berufsziel Lehramt einen umfassenden Überblick über die zentralen und zugleich komplexen Anforderungen, die an Lehrpersonen gestellt werden, zu vermitteln“ (11). Ferner soll das Studienbuch, mit zahlreichen Übungen und vertiefenden Zusatzinformationen versehen, den aktuellen Stand der Forschung zum Lehrerberuf für das modularisierte Lehramtsstudium so aufbereiten, dass es neben der Studienbegleitung auch zur Prüfungsvorbereitung genutzt werden kann.

Das Studienbuch gliedert sich in drei Kapitel, wobei diese nochmals in Unterkapitel aufgefächert sind. Die Kapitel und Unterkapitel beginnen jeweils mit einer Zusammenfassung wesentlicher Aspekte der thematisierten Inhalte (Advance Organizer), sodass ein schneller Überblick über die Inhalte ermöglicht wird. Die sich daran anschließenden Übungen dienen einerseits der reflexiven Auseinandersetzung mit den Inhalten und stellen andererseits einen aktiven Einstieg in die jeweiligen Thematiken dar.

Das erste Kapitel thematisiert die „Anforderungen im Lehrerberuf“ und skizziert normative Konzepte in Form von Zuschreibungen und Ansprüchen an den Beruf der Lehrkräfte. So werden im ersten Teilkapitel die Erwartungen an den Lehrerberuf aus Sicht der Kultusministerkonferenz (KMK) sowie der Schülerinnen und Schüler dargestellt, gefolgt von der historischen Genese des Lehrerberufs, beginnend mit dem 19. Jahrhundert. Es folgt die Skizzierung des klassischen professionstheoretischen Ansatzes zur Erklärung der Lehrerprofession, der auf dem traditionellen berufssoziologischen Verständnis von Profession beruht. Allerdings merken die Autoren abschließend an, dass „der strukturtheoretische Ansatz sehr viel geeigneter als der klassische professionstheoretische Ansatz [sei], um den Lehrerberuf hinsichtlich seiner Professionalität zu betrachten“ (33). Es folgt ein Teilkapitel zum Handlungsfeld Unterricht, welches insbesondere das Angebots-Nutzungs-Modell von Andreas Helmke und die Anforderungen im Unterricht nach Rainer Bromme beschreibt. Kurze Ausführungen zur Diagnose und Beurteilung von Schülerleistungen, zum Umgang mit Heterogenität, zu individueller Förderung und Inklusion beschließen dieses Teilkapitel. Im letzten Teilkapitel des ersten Abschnitts wird der Arbeitsplatz Schule beschrieben, wobei blitzlichtartig die Bedingungen am Arbeitsplatz (Einstellungsverfahren in den Schuldienst, Schulformspezialisierungen und weitere Aspekte wie Klassengröße, Arbeitszeit und Gehälter) beschrieben werden sowie die Lehrkraft als Mittler der Sozialisationsinstanz Schule, Aufgaben bezüglich der Schul- und Unterrichtsentwicklung als weitere Standards der KMK und Anforderungen an die Lehrerkooperation Berücksichtigung finden.

Im zweiten Kapitel des Studienbuches werden auf Grundlage historischer bzw. aktueller Bedeutsamkeit sieben „Forschungsansätze zum Lehrerberuf“ ausgewählt und näher vorgestellt, wobei die Struktur und besonders die einführenden Definitionen eine hilfreiche Orientierung bieten. Beginnend mit dem Persönlichkeitsansatz, in dessen Rahmen auch Verknüpfungen zur Berufszufriedenheit und zum Belastungserleben aufgezeigt werden, folgt die Vorstellung des Prozess-Produkt-Paradigmas und des Expertiseansatzes. Der im ersten Kapitel schon präferierte strukturtheoretische Professionsansatz der Lehrerprofessionalität wird im Anschluss an den Expertiseansatz vorgestellt, wobei die redundante Darstellung der pädagogischen Antinomien (eigenständiger Abschnitt sowie zusätzlich vertiefender Informationskasten) nicht zwingend notwendig erscheint. Es folgen Ausführungen zum berufsbiographischen Ansatz sowie zu den noch recht jungen kompetenz- und praxistheoretischen Ansätzen. Für einen ersten Überblick erscheinen die Auswahl und die Verknüpfung der einzelnen Ansätze – insbesondere angesichts der notwendigen Kürze eines Studienbuchs – gelungen, wobei gerade der praxistheoretische Ansatz bislang eher auf Unterrichts- bzw. Lernkulturen fokussiert und damit weniger die Lehrkraft im Blick hat. So konstatieren die Autoren selbst, dass „sich die praxisorientierten Studien bislang vor allem auf die Praktiken des Unterrichts [beziehen]; andere Aufgabenfelder des Lehrerberufs, wie etwa Elterngespräche oder Schulkonferenzen [...,] werden praxistheoretisch kaum in den Blick genommen“ (128).

Das dritte Kapitel thematisiert die „Aufgaben der Lehrerbildung“, fokussiert auf die universitäre Lehrerbildung sowie auf das Referendariat als zweite Phase. Dazu wird im ersten Unterkapitel über die Strukturen und die Institutionalisierung der Lehrerbildung berichtet. Diese notwendige, wenn auch teils fragmentarische Darstellung gliedert sich in die Beschreibung der Lehrerbildung im Kontext des Bildungs- und Schulsystems, in Ausführungen zur Zweigliedrigkeit der ersten Phase (Universität und Schulpraxis), in Grundmerkmale der Curricula der Lehrerbildung, in die Frage nach den Lehrpersonen, die die angehenden Lehrkräfte ausbilden und in eine grenzüberschreitende, internationale Perspektive im deutschsprachigen Raum. Das zweite Unterkapitel thematisiert das Theorie-Praxis-Problem in der Lehrerbildung. Ausgehend von einer ausführlichen Darstellung der historischen Disziplin- und Professionsentwicklung werden insbesondere aktuelle, praxisorientierte Reformen vorgestellt. Hierzu werden unter anderem reflexive Methoden im Rahmen von universitären schulpraktischen Lerngelegenheiten wie z.B. das Portfolio angeführt sowie Ausführungen zum Praxissemester, zum Forschenden Lernen, zur Internationalisierung der Studienabschlüsse und zum Professional Development angeschlossen. Das dritte Unterkapitel greift die Lehrerbildungsforschung auf und begründet deren Zunahme unter anderem mit den Folgen der PISA-Studie und dem zentralen Stellenwert der Lehrkräfte im Gesamtgefüge von Schule und Unterricht. Die dazu auf knapp drei Seiten vorgestellten Modelle der Lehrerbildungsforschung beschränken sich auf ein Mehrebenenmodell von Sigrid Blömeke und auf ein spezifisches Untersuchungsmodell im Rahmen der LEK-Studie. Hieran schließen sich die Vorstellung von länderübergreifenden narrativen Berichten auf Basis verschiedener Strukturdaten zur Lehrerbildung sowie kurze Teilabschnitte bezüglich der Forschung zur Wirksamkeit, zu regionalen Evaluationsstudien und zur international-vergleichenden Forschung zur Lehrerbildung an. Wenn abschließend die Autoren darauf verweisen, dass „der Erforschung der Lehrerausbildung eine wichtige Funktion zukommt, wenn es um die Frage der Klärung geht, welche Maßnahmen auf der ‚Baustelle Lehrerbildung‘ ergriffen werden sollten“ (182), stellt sich am Ende der Lektüre das unbefriedigende Gefühl ein, dass zwar viele Aspekte und Fragen aufgeworfen und angerissen wurden, aber viele Antworten dazu offenbar an anderer Stelle gesucht werden müssen bzw. Desiderate darstellen.

Abschließend ist zu konstatieren, dass das Studienbuch durch die übersichtliche und wiederkehrende Struktur aus Zusammenfassungen, Übungen, kurzen und verständlichen Ausführungen sowie inhaltlichen Vertiefungen besticht. Die teilweise „stakkatoartigen“ Ausführungen – sicherlich dem begrenzten Umfang eines Studienbuchs geschuldet – hätten sinnvoll durch weiterführende Literaturempfehlungen für eine umfassendere Auseinandersetzung mit den Inhalten ergänzt werden können. So verbleiben insbesondere im ersten und dritten Kapitel einige Unterkapitel auf einer stark verkürzenden, doch recht oberflächlichen Ebene. Dennoch stellt das Studienbuch von Petra Herzmann und Johannes König ein hilfreiches Arbeitsbuch für (Lehramts-)Studierende dar, die sich im Rahmen ihres (bildungswissenschaftlichen) Studiums intensiver mit der Forschung zum Lehrerberuf und zur Lehrerbildung auseinandersetzten wollen, insbesondere auch, weil es das erste seiner Art ist.
Martin Drahmann (Münster)
Zur Zitierweise der Rezension:
Martin Drahmann: Rezension von: Herzmann, Petra / König, Johannes: Lehrerberuf und Lehrerbildung. Bad Heilbrunn / Stuttgart: Klinkhardt / UTB 2016. In: EWR 15 (2016), Nr. 1 (Veröffentlicht am 04.02.2016), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978382524337.html