EWR 23 (2024), Nr. 4 (Oktober)

Birgit Holler-Nowitzki / Karl-Theodor Stiller / Christina Thomas (Hrsg.)
Elternarbeit und Partizipation von Schülern und Schülerinnen
Zwischen Corona-Schooling und Digitalisierung
Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2023
(255 S.; ISBN 978-3-7815-2584-9; 24,90 EUR)
Elternarbeit und Partizipation von Schülern und Schülerinnen Birgit Holler-Nowitzki, Karl-Theodor Stiller und Christina Thomas präsentieren mit ihrem 2023 erschienenen Herausgeberband „Elternarbeit und Partizipation von Schülern und Schülerinnen. Zwischen Corona-Schooling und Digitalisierung" eine vielseitige Sammlung von Beiträgen, die das komplexe Gefüge der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern, Schülern und Lehrern in der Nach-Corona-Ära beleuchtet. Das Buch bietet einen breiten Einblick in die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus sowie in die Möglichkeiten und entstehenden Spannungsfelder bei der Einbindung von Schüler*innen in schulische Prozesse. Der Band behandelt eine schulstufenübergreifende Palette von Themenfeldern, die von theoretischen über empirischen bis hin zu konzeptionell-praxisbezogenen Überlegungen reicht. Darin und in der Aktualität liegt wohl auch die wesentliche Stärke des Bandes.

Die Herausgeber*innen legen insgesamt zwölf Artikel (plus Vorbemerkungen und Einleitung) aus drei analytisch zwar getrennten, aber logisch miteinander verzahnten Teilen vor.
Interessant an der Einleitung ist vor allem, dass die Rolle der Eltern während Corona aufgearbeitet und die z.B. durch bildungspolitische Forderungen und normative Verlautbarungen entstandenen Widersprüche und Spannungsfelder (Eltern als Lehrkräfte, Delegation von Verantwortung usw.) kritisch bewertet werden.
In den Artikeln des theoretischen Teils folgt in erschließender Funktion eine Annäherung, die sowohl gegenstandstheoretisch als auch begrifflich-programmatisch ausgerichtet ist. Die Beiträge gehen teils etwas assoziativ vor, tragen jedoch insgesamt zur Öffnung des Feldes bei. Den drei Beiträgen des theoretischen ersten Teiles der Publikation, ist gemein, dass sie sehr konsequent von den Lernenden als Subjekten und handelnden Akteur*innen ausgehen und ihre Gestaltungsspielräume, aber auch die unauflösbaren Widersprüche und Machtverhältnisse in Schule reflektieren.

Diese kritisch-konstruktive und stark von den Lernenden ausgehende Perspektive wird im zweiten Teil, in dem es um empirische Zugänge geht, recht konsequent fortgesetzt. Durch die vielfältigen, qualitativ-rekonstruktiven und quantitativen Zugänge und Betrachtungsweisen der Akteurskonstellation Schüler*in, Eltern, Lehrperson, die von der Grundschule bis in die weniger beachtete Oberstufe/Sek. II nachgezeichnet werden, zeigen sich wiederkehrende Konfliktlinien und Spannungsfelder. Dazu gehören in Schule immer wieder sichtbar werdende Generationen-, Macht- oder Anerkennungsverhältnisse oder die mit dem Lehrer*innenhandeln verbundenen Antinomien. Einige Aspekte hätten hier vertieft werden können, um ein noch umfassenderes Verständnis der Komplexität des pädagogischen Handelns im Kontext der Schüler*innenpartizipation zu ermöglichen.

In Teil drei des Bandes finden sich konzeptionelle Beiträge aus dem Kontext Elternarbeit, Digitalisierung und Verarbeitung der Pandemie-Folgen. Hier erscheint besonders die Rekonstruktion der Folgen von drei Jahren Pandemie für das Verständnis der Mediationsprozesse von Schule und Familie sehr erhellend in dem Sinne, dass sich zwar einerseits neue Partizipationsformate (z.B. digitale Elternabende) entwickelt, andererseits jedoch teils subtile Exklusionsformen (z.B. Ausschluss von Eltern aus Schule) implementiert bzw. verfestigt wurden. In diesem Sinne versammelt der Band besonders im dritten Teil spannende Beobachtungen, Analysen und Problematisierungen, etwa hinsichtlich der Fragen des Datenschutzes, die nach Anleitungen für die eigene Arbeit suchen.

Zusammenfassend erscheinen vor allem die praxisorientierten, konzeptionellen Beiträge, die Impulse für eine erfolgreiche Elternarbeit und Schüler*innenpartizipation aufzeigen können, besonders gewinnbringend. Dabei werden nicht nur gangbare Wege vorgestellt, sondern auch Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze diskutiert. Eine weitere Stärke des Bandes ist seine Perspektivenvielfalt. Die Autor*innen stammen aus verschiedenen erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Praxis- und Handlungsfeldern und bringen unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen ein, was zu einer sehr facettenreichen Darstellung des Themas führt. Das Buch liefert somit wertvolle Hinweise für alle, die an der Verbesserung von Bildungseinrichtungen interessiert sind. Es regt dazu an, kritisch über traditionelle Rollen, Strukturen und Praktiken nachzudenken und neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern und Schülern zu erkunden. Der Band trägt damit dazu bei, aktuelle Trends und Entwicklungen im Bereich der Bildungspartnerschaft zwischen Schule, Eltern und Schüler*innen verstehen und darauf reagieren zu können. Hierfür werden vor allem in Teil eins fundierte theoretische Hintergrundfolien geliefert.

Welchen Beitrag das Buch zu einem neuen bzw. erweiterten Verständnis der Zusammenarbeit von Eltern, Schüler*innen und Lehrpersonen in der Post-Covid-Zeit leisten kann, muss einstweilen offenbleiben. Eine differenzierte Betrachtung der Kooperation von Schule und Elternhaus in der Post-Covid-Ära war jedoch längst überfällig. Der Band nimmt dieses im Zuge der Pandemie zwar immer wieder thematisierte, bislang aber in seiner Breite nicht systematisch behandelte Thema mit all seinen Herausforderungen in den Blick und liefert wertvolle Hinweise zur Gestaltung guter pädagogischer Praxis.
Sebastian Boller (Bochum)
Zur Zitierweise der Rezension:
Sebastian Boller: Rezension von: Holler-Nowitzki, Birgit / Stiller, Karl-Theodor / Thomas, Christina (Hg.): Elternarbeit und Partizipation von Schülern und Schülerinnen, Zwischen Corona-Schooling und Digitalisierung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 2023. In: EWR 23 (2024), Nr. 4 (Veröffentlicht am 12.11.2024), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978378152584.html