Der Gegenstandsbereich Heterogenität ist kein neues Phänomen, ebenso die Forderung Heterogenität als eine Chance zu nutzen und produktiv mit dieser umzugehen. In den letzten Jahren sind etliche Bände zum Thema Heterogenität publiziert worden, teilweise sogar mit gleichem Titel [vgl. 1].
In dem vorliegenden Buch greift Karlheinz Rebel diese Thematik in Form eines Moduls auf. Hierunter versteht er eine „weitgehend selbsttragenden Lehr-/Lerneinheit“ (25). Anliegen dieser Lehr-/Lerneinheit ist es, dass der Leser sich selbstständig unter Berücksichtigung eigener Lernziele das „Modul Heterogenität“ erarbeitet, mit dem Ziel ein Problemverständnis zu entwickeln, die Chancen von Heterogenität zu erkennen und diese zu nutzen.
Der Band besticht durch einen klaren strukturellen Aufbau: Teil A mit einer Einführung, Teil B mit einem umfangreichen „Lesebuchteil“ bestehend aus Exzerpten und Teil C mit der Ableitung von Konsequenzen für die Praxis. Teil D rundet das Buch mit Grafiken zur Veranschaulichung ab.
In Teil A wird das Phänomen Heterogenität in verschiedenen Dimensionen aufgefächert und der Leser wird in die Arbeit mit dem Buch eingeführt. Zunächst wird der Versuch einer Definition von Heterogenität unter Rückgriff auf die Quelle Wikipedia unternommen: Lernende einer Lerngruppe sind unterschiedlich hinsichtlich verschiedener Merkmale, die für das Lernen relevant sind (15). Ausgehend von gesellschaftlichen Veränderungen, die dazu beitragen, dass Lerngruppen heterogener werden, wird das deutsche Schulsystem mit seinem traditionellen Homogenitätsbestreben und Maßnahmen zum Abbau von Heterogenität thematisiert, ebenso wie die Kritik an diesen Selektionsmaßnahmen unter Bezugnahme auf die Studien TIMSS und PISA. Der deutschen fachpädagogischen Sicht wird die Schweizer Sicht zum Vergleich gegenübergestellt.
Im Zentrum des Buches steht der umfangreiche Teil B. In sieben Kapiteln werden hier unterschiedliche Aspekte und Sichtweisen von Heterogenität dargestellt. Dies geschieht in Form von Exzerpten zu Aufsätzen aus dem „journal für lehrerInnenbildung“ 2007, aus dem „Friedrich Jahresheft“ XXII 2004 zum Thema Heterogenität und aus weiteren Fachbüchern. Rebel möchte die Exzerpte des „Leseteils“ als „Türöffner“ (25) für die weitere wissenschaftliche Diskussion verstanden wissen.
Zentrale wiederkehrende Schlagworte zum „Umgang mit Heterogenität“ in Kapitel 1 sind „Individualisierung und Differenzierung“ (40) als Voraussetzung für individuelle Förderung. Thematisiert werden Unterscheidungsmerkmale von Schülern, die letztendlich situationsspezifische Differenzierungsmerkmale darstellen, Möglichkeiten innerer Differenzierung bzw. Binnendifferenzierung, offener Unterricht und kooperative Lernformen sowie verschiedene empirische Ergebnisse in Bezug auf Schülerleistungen im offenen Unterricht. Abgeleitet werden darüber hinaus Konsequenzen für die Lehrerbildung und die Notwenigkeit diagnostischen Grundwissens von Lehrern.
In Kapitel 2, das unter dem Thema „Unterschiede nutzen – Gemeinsamkeiten stärken“ steht, wird unter anderem auf einzelne Unterschiede in der Schülergruppe eingegangen, wie etwa kulturelle Unterschiede, besondere Begabungen, unterschiedliche Lernvoraussetzungen oder Mehrsprachigkeit. Herauszuheben ist der in der fachwissenschaftlichen Diskussion häufig vernachlässigte und in diesem Band aufgegriffene Aspekt, dass nicht nur die Kinder innerhalb einer Lerngruppe verschieden, sondern desgleichen Lehrerkollegien heterogen sind.
Wesentlich knapper gehalten ist die Exzerpt-Auswahl in den Kapiteln drei bis sieben. Hier werden spezielle Themenbereiche heterogener Lerngruppen angesprochen, wie das differenzierte Lernen im Oberstufenunterricht, die Gender-Frage, die Integration von Menschen mit Behinderung sowie Heterogenität in Kombination mit Interkulturalität oder Religion.
Teil B des Buches ist somit stark auf die selbstgesteuerte Bearbeitung durch den Leser ausgerichtet. Durch die zielgerichtete, nach eigenen Interessen geleitete Auswahl einiger Exzerpte, ist es möglich sich schnell einen Überblick über Teilaspekte des Themenkomplexes Heterogenität zu verschaffen. Zur Vertiefung der Inhalte laden entsprechende Literaturangaben und Hinweise auf die Originaltexte ein. Die Reflexion der Lerninhalte ebenso wie die Auseinandersetzung mit der eigenen Lernbiographie wird durch Reflexionsfragen für das Selbststudium am jeweiligen Kapitelende angeregt.
Das Buch bleibt jedoch nicht bei der reinen Darstellung der Aufsatzinhalte des Lesebuchteils stehen, sondern leitet aus dem Themenkomplex Heterogenität in Teil C „Konsequenzen für die praktische pädagogische Arbeit in Schule, Lehrer- und Erwachsenbildung“ über. Hierbei bezieht sich der Autor abermals auf das „journal für lehrerInnenbildung“ und das „Friedrich Jahresheft“. Dieser Teil zeigt sich in einigen Stellen redundant zum vorherigen, geht es doch im Wesentlichen darum „die positive Antwort auf die Herausforderung „Heterogenität“ in Form einer individuellen Differenzierung“ (191) aufzuzeigen. Dargestellt werden exemplarisch eine Didaktik der heterogenen Lerngruppe und fachdidaktische Entscheidungen am Fremdsprachenunterricht sowie in Form von Unterrichtsbeispielen. Unterrichtspraktische Probleme und die damit einhergehenden Anforderungen und Herausforderungen – sowohl an Lehrende als auch an Lernende – werden offen dargestellt. Die Rolle der Diagnostik wird als zentral für die Erstellung von individuellen Förderplänen betont.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass dieses Buch sich in die Reihe der in den letzten Jahren zu Heterogenität erschienenen Publikationen einfügt. Wesentliche neue Ideen und Gedanken werden hier nicht hervorgebracht. Vielmehr ist die Leistung des Buches darin zu sehen, dass bisherige Erkenntnisse und der aktuelle Diskussionsstand auf gelungene Weise übersichtlich dargestellt werden. Durch die didaktische Aufbereitung in Form einer modularen Strukturierung wird der Leser zu Selbstlernprozessen und einer Aktivierung des eigenen Vorwissens angeleitet. Daher eignet sich dieses Buch sowohl für Lehrende als auch für Studierende und in der Praxis Tätige.
[1] Bräu, K./Schwerdt, U. (Hrsg.): Heterogenität als Chance. Vom produktiven Umgang mit Gleichheit und Differenz in der Schule. Münster: Lit 2005; Seitz, I.: Heterogenität als Chance: Lehrerprofessionalität im Wandel. Frankfurt a.M.: Lang 2007.
EWR 11 (2012), Nr. 3 (Mai/Juni)
Heterogenität als Chance nutzen lernen
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2011
(264 S.; ISBN 978-3-7815-1722-6; 18,90 EUR)
Katharina Hombach (Mainz)
Zur Zitierweise der Rezension:
Katharina Hombach: Rezension von: Rebel, Karlheinz: Heterogenität als Chance nutzen lernen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2011. In: EWR 11 (2012), Nr. 3 (Veröffentlicht am 31.05.2012), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978378151722.html
Katharina Hombach: Rezension von: Rebel, Karlheinz: Heterogenität als Chance nutzen lernen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2011. In: EWR 11 (2012), Nr. 3 (Veröffentlicht am 31.05.2012), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978378151722.html