AuĂerdem ist es den Autoren ein Anliegen, neben dem Risiko falsch verstandener Kompetenzbereiche, weitere âRisikenâ und dazu âChancenâ (13) von Datenbanken zu benennen und stets aus der Sicht der Anwender zu formulieren. Denn um Datenbanken kompetent und aktiv aufzubauen und sie spĂ€ter gleichermaĂen fachkundig zu nutzen, mĂŒssten die unter der BedienoberflĂ€che verborgenen Prozesse freilich von den Anwendern verstanden worden sein (vgl. 14). Diesem Anspruch gerecht werdend, liest sich das erfahrungsgesĂ€ttigte Methodenbuch wie eine Gebrauchsanweisung zur reibungsarmen, interdisziplinĂ€ren Zusammenarbeit.
In der Einleitung beschreiben die Forscher den Aufbau einer Datenbank als dreiphasigen Prozess, dem auch die inhaltliche Struktur des Buches folgt.
- Phase: Modellierung und Erstellung der Datenbankanwendung, was voraussetze, a) den Datenbestand genau zu kennen und b) alle grundsĂ€tzlichen Forschungsfragen bzw. Abfrageoperationen zu antizipieren. Damit ist nicht gemeint, dezidiert jede Abfrage vorauszuplanen, sondern die allgemeinen Forschungsfragen, welche spĂ€ter als Operationen ausgefĂŒhrt werden und daher vorher im GerĂŒst berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen, damit sie ĂŒberhaupt ausgefĂŒhrt werden können (20).
- Phase: Dateneingabe, dazu mĂŒsse a) die erste Phase abgeschlossen sein und b) die Dateneingabe höchst zuverlĂ€ssig und genau erfolgen. ZuverlĂ€ssig und genau könnten die Daten wiederum nur eingetragen werden, wenn bei der Eingabe ein VerstĂ€ndnis fĂŒr die spĂ€teren Abfragen vorhanden sei.
- Phase: Auswertung der Datenbank. Diese Phase könne sich mit der zweiten ĂŒberschneiden, sobald Daten zu Bereichen vollstĂ€ndig vorliegen. AbschlieĂend könnten mittels der Datenbanksprache SQL Abfragen formuliert werden, die die Antworten auf die Forschungsfragen enthalten.
Dem entgegenwirkend befassen sich neben Teilen der Einleitung das dritte und vierte Kapitel des Buches mit informationstechnischen Grundlagen von Datenbanken. ZunĂ€chst aber wird im zweiten Kapitel dem Historiker bekanntes Terrain betreten: Hier wird der Inhalt des âDFG-Forschungsprojekt âKatholische Missionsschulen in Deutschland 1887-1940ââ auf etwas mehr als 30 Seiten vorgestellt, wozu der Forschungsstand, der historische Kontext, die Forschungsfragen und die Schilderung der Quellen gehören.
Bei der Formulierung der Forschungsfragen weisen die Autoren bereits auf die neuen Möglichkeiten hin, die das Werkzeug (vgl. z. B. 215) Datenbank biete, um komplexe Fragen zu beantworten. So lĂ€gen ĂŒblicherweise in der historischen Bildungsforschung quantitative Daten nur als âMassendaten zu Schulen und SchĂŒlern in Zeitreihenâ (53) vor, die keine differenzierten Aussagen zu VerĂ€nderungen unter den SchĂŒlern oder einzelnen SchĂŒlerkarrieren erlaubten (vgl. ebd.). Dagegen lassen sich mit der Datenbank natĂŒrliche Personen zu jedem Zeitpunkt identifizieren. Das bedeutet, man kann einzelne SchĂŒler und Lehrer oder Klassen- bzw. KursverbĂ€nde zu einem bestimmten Datum identifizieren, aber ebenso ĂŒber die Zeit hinweg individuelle Karrieren und kollektive Zusammensetzungen studieren. Damit sei âerstmals ⊠die Rekonstruktion von Quer- und LĂ€ngsschnitten durch den Schuljahresverlaufâ (54) möglich.
Das dritte Kapitel behandelt die erste Phase, den interdisziplinĂ€ren Prozess des Modellierens einer Datenbank: âDie Anwender formulieren zunĂ€chst ihre Hauptanforderungen, die die Entwickler in ein erstes ER-Modell umsetzenâ(59). Dabei erfasse dieses Entity-Relationship-Datenmodell âdie Dinge der wirklichen Welt und ihre Beziehungen zueinanderâ(60). Ăbersetzt man âDingeâ in âEntitĂ€tenâ und âBeziehungenâ in âRelationenâ, so erschlieĂt sich die AbkĂŒrzung âER-Modellâ als Entity-Relationship-Modell (59ff). In (Anwender)verstĂ€ndlicher Sprache werden die wichtigsten Begriffe erlĂ€utert und mit hilfreichen Diagrammen veranschaulicht.
Im Ăbergang vom dritten zum vierten Kapitel vermischen sich, dem Inhalt geschuldet, die Phasen. So wird erlĂ€utert, wie die Daten eingegeben und Relationen definiert werden können mit Blick auf die Abfragelogik. Dazu wird die relationale Tabellenstruktur von Grund auf erlĂ€utert, damit die Anwender die ValiditĂ€t von Ergebnissen spĂ€terer Abfragen einschĂ€tzen können (vgl. 87). Abfragen und Operationen werden dann in der zweiten HĂ€lfte des vierten Kapitels erlĂ€utert und schlussendlich mit dem fĂŒnften Kapitel am Anwendungsfall konkretisiert.
Damit erfolgt der Eintritt in die dritte Phase und es wird gezeigt, âwie es mit Hilfe der Missionsschulen-Datenbank möglich ist, zentrale Fragen der historischen Bildungsforschung aufgrund komplexer Auswertungen gespeicherten Datenmaterials historisch prĂ€ziser als bisher zu beantwortenâ (131). Als zentral definieren die Autoren Fragen nach dem Bildungswachstum, nach Anspruch und Funktion von Schulen, nach individuellen und kollektiven SchĂŒlerkarrieren. Das Titelversprechen einlösend zeige sich die Optimierungsmöglichkeit darin, âLĂ€ngsschnitterhebungen und Bildungsbiographien höchst differenziert [zu] erfassen und aus[zu]werten â und dies mit allen zu berĂŒcksichtigenden Bedingungsfaktoren, auch die durch Eltern, Lehrer und die Schulorganisation gesetztenâ (213).
Dass die datenbankgestĂŒtzte Forschung einen regen, vorausschauenden und engen Austausch zwischen Entwicklern und Anwendern benötigt, wird immer wieder betont (10ff, 87ff, 217ff). Das Buch will hierĂŒber aufklĂ€ren und liefert einen Beitrag, diesen Prozess zu harmonisieren, da die Funktionsweise von Datenbanken und ihre Erstellung anhand eines konzeptuellen Datenmodells nachvollziehbar erlĂ€utert werden. Obwohl dem Buch ein Register fehlt, lĂ€sst es sich dank des ĂŒbersichtlichen Aufbaus und des detaillierten Inhaltsverzeichnisses auch als Handbuch gebrauchen. Insbesondere das Entity-Relationship-Diagramm im Anhang kann als Vorlage fĂŒr verwandte Forschungsabsichten verwendet werden.
Durch diese gelungene Vermittlung zwischen den beiden Welten der Informatiker und (Bildungs-)Historiker mag es auch gelingen, potentielle Quellen von âleidvolle[n] Erfahrungenâ (22) zu umgehen, wodurch letztendlich der Forschungsprozess eine Optimierung erfĂ€hrt. Damit kann ferner der Weg geebnet werden in der âhistorischen Forschung insgesamtâ (222) vermehrt Datenbanken einzusetzen, um deren Berechnungs- und Auswertungspotenziale zu nutzen und dadurch auf eine zweite Weise Forschung zu optimieren.