Dabei greift das Buch vier Perspektiven auf:
- In einem ersten Teil „wird die Disziplin Grundschulpädagogik als empirische Forschungsdisziplin in den Kontext der empirischen Lehr-Lernforschung eingeordnet“ (8). Dabei zeichnet Wolfgang Einsiedler die Entwicklung von einer eher programmatisch argumentierenden Grundschulpädagogik zu einer empirisch arbeitenden Grundschulforschung nach, wobei insbesondere auf die Ablösung der Normorientierung durch die – Nachbardisziplinen bewusst in den Blick nehmenden – forschungsbasierten Handlungsoptionen verwiesen wird, während Frank Hellmich – den Argumentationsfaden aufgreifend – mit expliziter Bezugnahme auf den Bildungsauftrag der Grundschule aktuelle Forschungsperspektiven entfaltet, ohne ihre Desiderata zu verschweigen. Als das Beispiel par excellence sind anschließend von Wilfried Bos und Sabine Hornberg das Forschungsdesign und ausgewählte Befunde der IGLU-Studie zusammengefasst.
- Im zweiten Teil „werden quantitative Forschungsmethoden vorgestellt und in Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen des Erkenntnisgewinns im Bereich der Disziplin Grundschulpädagogik diskutiert“ (9). In diesem Rahmen wägen Andreas Hartinger aus grundschuldidaktischer und Ilonca Hardy aus pädagogisch-psychologischer Sicht die Relevanz experimenteller Studien hinsichtlich ihrer Effektivität ab. Beide kommen zu der Schlussfolgerung, dass der „experimentelle Ansatz (...) ein zentraler Ansatz der Grundschulforschung“ (119) sei und „Ergebnisse aus Experimentalstudien ... Aufschluss über wichtige Bereiche der Unterrichtspraxis in der Grundschule“ (139) gäben, wenn – und das gilt für beide als unumstößliche Voraussetzung – relationale Lehr-Lern-Bedingungen in angemessener Weise Berücksichtigung fänden. Der Einfluss derartiger Kontextvariablen wird von Christine Pauli in ihrem Beitrag „Unterrichtsbeobachtung“ thematisiert, während Knut Schwippert auf potentielle Fehlerquellen bei der Interpretation empirisch gewonnener Daten aufmerksam macht. Abschließend stellen Detlef H. Rost, Jörn R. Sparfeldt und Dominique Peipert eine „Checkliste“ zur Beurteilung empirisch-pädagogischer Studien vor, deren Anwendung den Anspruch erhebt, über die Solidität empirisch angelegter Forschungsarbeiten entscheiden zu können.
- Der dritte Teil stellt „Möglichkeiten des Einsatzes qualitativer Forschungsmethoden“ (10) vor. Elke Inckemann betont in diesem Kontext explizit die Strukturlegetechnik als methodisches Vorgehen zur Generierung und Veranschaulichung Subjektiver Theorien. Franz B. Wember hebt mit Bezug auf die Integrationsthematik die Relevanz von Einzelfallanalysen hervor, die vor allem dann notwendig wären, wenn – auf ein bestimmtes Kriterium bezogen – die zu untersuchende Stichgröße relativ klein sei oder – beispielsweise hinsichtlich der Lernvoraussetzungen – keine Vergleichsgruppe rekrutiert werden könne.
- Im vierten Teil „werden Möglichkeiten der Verknüpfung qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden“ (10) erörtert. Hier zeigen Maria Fölling-Albers und Astrid Rank unterschiedliche Optionen der methodischen Verknüpfung auf während sich Sabine Martschinke, Gisela Kammermeyer und Bärbel Kopp explizit auf das Forschungsprojekt KILIA beziehen und Barbara Moschner, Uta Wagener, Andrea Anschütz und Stephan Wernke die Notwendigkeit der Methodentriangulation gerade in der Forschungsarbeit mit Grundschulkindern betonen, da Antworten oder Reaktionen von Kindern häufig situativ oder emotional gefärbt seien.
Nicht nur, dass die Ausführungen zu den quantitativen Zugängen einen doppelt so großen Umfang wie jene über die qualitativen Methoden einnehmen, so erscheint auch deren Auswahl mit der ausschließlichen Fokussierung auf Einzelfallanalysen und die Strukturlegetechnik als eine deutliche Begrenzung, die erst im Zusammenhang mit der Triangulationsfrage und den mit ihr aufgeworfenen Hinweisen auf die Methoden der Beobachtung und Befragung relativiert wird. Ungeachtet dieser Anmerkung stellt der Herausgeberband mit seinen anregenden, in sich geschlossenen und dennoch thematisch eng miteinander verbundenen Beiträgen einen bisher fehlenden Gesamtzusammenhang der grundschulpädagogischen Forschung dar, der den aktuellen Stand einschließlich inhaltlicher und methodischer Desiderata sowie deren Erklärungen dokumentiert und zugleich Anregungen für weitere Forschungen gibt. Insofern kann er einerseits zur Selbstvergewisserung der Disziplin beitragen, andererseits Studierenden und Hochschullehrenden Anregungen für eigene Projekte und Studien im Bereich der Lehr-Lernforschung geben. Insgesamt: Ein Buch, das innerhalb der universitären Lehramtsausbildung einen zentralen Platz einnehmen kann und eine Ergänzung um weitere grundschulpädagogische Themenfelder verdient hat.