Erstens umfasst die inhaltliche Zusammenstellung der einzelnen Kapitel sowohl psychologisches, pädagogisches als auch fachdidaktisches und fachübergreifendes Grund-, Überblicks- und Hintergrundwissen. Die Binnengliederung des Bandes erfolgt entsprechend unter drei Perspektiven, nämlich der auf das Kind gerichteten psychologischen Perspektive (Kapitel 2-3), der auf die Grundschule als Institution gerichteten unterrichtsorganisatorischen Perspektive (Kapitel 4-5) und der auf die Unterrichtsinhalte gerichteten fachdidaktischen Perspektive (Kapitel 6-9). Für die einzelnen Kapitel ist es den Herausgebern dabei ausnahmslos gelungen, ausgewiesene Experten und Expertinnen für ihren jeweiligen Schwerpunkt zu gewinnen. Der Band beinhaltet eine Einleitung und acht Kapitel:
- Lernen, Entwicklung und Umwelt (Maria Fölling-Albers);
- Lernen und Motivation (Barbara Moschner);
- Leben und Lernen im ersten Schuljahr (Renate Hinz);
- Unterrichtsklima und soziale Interaktion in der Schulklasse (Horst Bartnitzky);
- Schriftspracherwerb (Wilhelm Topsch);
- Mathematikunterricht im ersten Schuljahr (GĂĽnter Graumann);
- Schulstart Sachunterricht (Astrid Kaiser);
- Bewegung, Wahrnehmung und Gestaltung (Tassilo Knauf).
Aufgrund des etwas größeren Seitenumfangs ist es den Autoren möglich, Forschungsergebnisse nicht nur knapp zusammenzufassen, sondern sie auch in ihren Entstehungskontexten darzustellen sowie zentrale Fragestellungen und Methoden aufzuzeigen. Dies erleichtert die Nachvollziehbarkeit und das Verstehen und gibt den Leserinnen und Lesern wertvolle Hinweise für das Weiterlesen. Die Konzeption spricht sowohl Leserinnen und Leser mit Vorkenntnissen an, als auch diejenigen, die sich zwar für die Schulform Grundschule spezialisieren bzw. spezialisiert haben, aber aufgrund anderer Studienschwerpunkte eher „fachfremd“ an bestimmte Beiträge herangehen. Beispielsweise erhalten Sachunterrichtsstudierende in dem Beitrag von Astrid Kaiser eine in der Sachunterrichtsdidaktik bisher nur unzureichend beleuchtete Perspektive auf den sachunterrichtlichen Schulanfang, und gleichzeitig werden Leserinnen und Leser ohne sachunterrichtsdidaktische Vorkenntnisse motivierend in grundlegende Konzeptionen des Faches eingeführt (148-165). Ähnliches gilt für die anderen fachdidaktischen Beiträge zum „Schriftspracherwerb“, zum „Mathematikunterricht“ sowie für den fachübergreifenden Beitrag zum Thema „Bewegung, Wahrnehmung und Gestaltung“. Positiv anmerken möchte ich, dass die Herausgeber sich dafür entschieden haben, einen klaren Fokus auf die Hauptfächer zu legen und darüber hinaus die Basiselemente menschlicher Entwicklung im Bereich „Bewegung, Wahrnehmung und Gestaltung“ aufzunehmen, die sich in sämtlichen Fächern der Grundschule widerspiegeln. Diese Konzentration auf grundlegende Unterrichtsinhalte erscheint insbesondere angesichts der Aufgabenfülle sinnvoll, mit denen sich gerade Berufsanfänger mit der Übernahme eines 1. Schuljahres konfrontiert sehen, und trägt somit sicherlich zu einer gewissen Entlastung bei. Mit der positiven Betonung dieser Schwerpunktbildung soll natürlich nicht die Relevanz der übrigen Fächer in Frage gestellt werden, die ohne Zweifel in anderen Werken herausgearbeitet wird.
Als kritische Frage stellt sich mir lediglich, warum die eher pädagogisch orientierten Beiträge von Renate Hinz und Horst Bartnitzky unter der Kategorie „Unterrichtsorganisation“ geführt werden, obwohl beide weit darüber hinaus gehen und eine große Spannweite grundschulpädagogischer Themenbereiche bearbeiten, wie beispielsweise Fragen um die Eingangsstufe, individuelle Förderpläne, offene und individualisierte Unterrichtsformen, Leistungsbewertung, inklusiven Unterricht, Klassenklima, Gestaltung der ersten Schultage, Unterrichtsstörungen etc. All diese Themen können durchaus unter einem weiten Begriff von Unterrichtsorganisation gefasst werden. Da sie jedoch originäre Bereiche der Grundschulpädagogik abdecken, hätte sich eine entsprechende Bezeichnung – auch unter professionsstrategischer Sicht – angeboten.
Die psychologische Perspektive mit den Beiträgen von Maria Fölling-Albers und Barbara Moschner erhält einen wichtigen Stellenwert in diesem Band, was ich als besonders gelungen hervorheben möchte, weil häufig die Grundlagen für das Lernen, für die Lernentwicklung, für die Motivation und Selbstkonzeptentwicklung in vielen Veröffentlichungen zum Schulanfang etwas zu kurz kommen und hier viele weiterführende Hinweise auf empirische Studien gegeben werden. Angesichts der hohen Anforderungen für den Umgang mit Heterogenität – gerade zum Schulstart – wäre in diesem Sinne möglicherweise eine Erweiterung des Bandes um einen oder zwei Beiträge aus den anderen Nachbarschaftsdisziplinen der Sozial- und Sonderpädagogik bereichernd gewesen.
Die Stärken dieses Bandes zum Schulstart liegen in der breiten interdisziplinären und gleichzeitig konzentriert ausgewählten Zusammenstellung der einzelnen Inhalte sowie in der konsistenten, leserfreundlichen Konzeption und Gestaltung. Insgesamt kann ich deshalb dieses Buch uneingeschränkt für die erste und zweite Ausbildungsphase zur Qualifizierung künftiger Grundschullehrkräfte sowie für Lehrerinnen und Lehrer in der Schulpraxis empfehlen.