Eine seit Jahrzehnten in Deutschland beobachtbare Veränderung in der Entwicklung unserer Kinder, die in der Pädagogik als „Veränderte Kindheit“ bezeichnet wird und durch ein Schwinden der Sinne sowie andere psychomotorische und soziale Besonderheiten (Singlehaushalte, Ein-Kind-Familien etc.) charakterisiert ist, haben folgerichtig zu einem „Wandel in der Schülerschaft“ geführt, der sensiblen Beachtungsbedarf einfordert und der von der gesellschaftlichen Institution Schule verlangt, sich auf diese veränderten Bedingungen wirkungsvoll einzustellen. Den drei Autorinnen fällt in diesem Zusammenhang das besondere Verdienst zu, die Kompetenz von Lehrern durch ein drittes Standbein stärken zu wollen. Sie fordern neben der fachdidaktischen und fachspezifischen Kompetenz die Berücksichtigung und Stärkung einer Verhaltenskompetenz, die eine Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit ebenso umschließt, wie die Fähigkeit, eigenes Verhalten in seinen Wirkungen einschätzen und bei Bedarf ändern zu können. Aus diesem Anlass haben Dietlinde H. Heckt, Barbara Jürgens und Gabriele Krause ein Trainingsmodell zur praxisbezogenen Pädagogenausbildung an der Technischen Universität Braunschweig entwickelt, in dessen Zentrum eben das Kommunizieren, das Kooperieren und das Lösen von Konflikten steht, damit
• „diejenigen, die für Aus- und Weiterbildungsangebote zuständig sind, nicht länger behaupten können, es gäbe keine praktikablen Modelle (beispielsweise zur Bearbeitung des Theorie-Praxis-Problems in der Pädagogik);
• ähnliche Modelle an vielen Hochschulen entstehen und Trainings sozial-kommunikativer und auch methodischer Kompetenzen endlich zum genuinen Bestandteil der Lehrerausbildung werden;
• eine intensive Diskussion über pädagogische Trainings in Gang kommt, die nicht zuletzt zu Qualitätsstandards führt“ (9).
Mit dem Braunschweiger Modell wurde der Versuch unternommen, auf der Grundlage vorhandener Erfahrungen ein theoriegeleitetes, aber praxisorientiertes Modell für pädagogische Trainings zu entwickeln, das „durch gemeinsam entwickelte Qualitätsstandards und Offenheit geprägt wird“ (14). Es besteht im Kern aus drei Basistrainings, dem Kommunikationstraining (Heckt 1996), dem Konflikttraining (Krause 2000) und dem Training sozialer und kommunikativer Kompetenzen (Jürgens 1998), die von ihren Zielen, Inhalten, Prinzipien, Methoden und Organisationsformen beschrieben sind. Schade, dass hierbei das WIE etwas zu kurz kommt. Wir können uns vorstellen, dass die potentiellen Leserinnen und Leser gern mehr darüber erfahren hätten, WIE z. B. „das Erklärungsmodell eingeführt wird“ (78), WIE „die Teilnehmer Kriterien für selbstsicheres, unsicheres und aggressives Verhalten erarbeiten“, oder WIE „Situationstypen ausgehandelt werden“ (81) usw. Die genaue Angabe der organisatorischen Details entschädigt da nicht, wenngleich diese darüber Auskunft geben, wie aus dem 1998 eingerichteten „freiwilligen ergänzenden Studienangebot für Studierende der Lehrämter und der Erziehungswissenschaft“ schließlich ein tragfähiges Modell wurde.
Für die wissenschaftliche Sicherstellung der theoretischen Basis des Modells und für den Ausbau seiner praktischen Anwendung wäre es von Vorteil, wenn Veröffentlichungen, die nach 2000 erschienen und nicht berücksichtigt worden sind, herangezogen werden könnten. Wir denken dabei an das Standardwerk „Kommunikationspädagogik“ von Helmuth K. Geißner, erschienen 2001, oder an Arbeiten wie „Die Unterrichtskommunikation“ von Michael Becker-Mrotzek/Rüdiger Voigt (2001), an die Sammelbände „Sprechsprachliche Kommunikation“, herausgeben von Lutz Christian Anders und Ursula Hirschfeld (2003), und „Analyse und Vermittlung von Gesprächskompetenz“, Gisela Brümmer/Michael Becker-Mrotzek (2004), sowie an „Was ist guter Unterricht“ von Hilbert Meyer (2004) und andere.
Letztlich bleibt eine gewisse Skepsis, dass die einzelnen Trainings ohne eine verbindende theoretische Reflexion auf sich selbst fixierte, isolierte Teilkomponenten eines wesentlich komplexeren Gesamtzusammenhanges bleiben. Wer glaubt, mit dieser Schrift ein Übungshandbuch in der Hand zu halten, irrt. Es empfiehlt sich, in dieses Buch zu schauen und die vielfältigen Anregungen, welche die Autorinnen für ihre Trainings vorlegen, aufzugreifen, anzuwenden und weiter zu entwickeln. Und es liefert die Vorlage, um über das Theorie-Praxis-Problem in der deutschen Schul- und Hochschulpädagogik ausführlicher zu diskutieren, als dies in der vorliegenden Rezension möglich war.
EWR 6 (2007), Nr. 3 (Mai/Juni 2007)
Kommunizieren, Kooperieren, Konflikte lösen
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2006
(144 S.; ISBN 978-3-7815-1386-0; 14,90 EUR)
Jobst Mehlan / Wolfgang Dalk (Rostock)
Zur Zitierweise der Rezension:
Jobst Mehlan / Wolfgang Dalk: Rezension von: Heckt, Dietlinde H. / Krause, Gabriele / JĂĽrgens, Barbara: Kommunizieren, Kooperieren, Konflikte lösen. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 3 (Veröffentlicht am 12.06.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978378151386.html
Jobst Mehlan / Wolfgang Dalk: Rezension von: Heckt, Dietlinde H. / Krause, Gabriele / JĂĽrgens, Barbara: Kommunizieren, Kooperieren, Konflikte lösen. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 3 (Veröffentlicht am 12.06.2007), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978378151386.html