Die Einrichtung von Steuergruppen an Schulen zielt u. a. darauf ab, Schulentwicklung zu initiieren, schulinterne Veränderungsprozesse zu steuern und schulische Innovationsprozesse zu unterstützen. Die aktuell vorliegenden Publikationen zu dieser Thematik lassen sich auffächern in erstens normative Plädoyers für die Einrichtung von Steuergruppen zur Förderung von Schulentwicklung, zweitens praxisnahe und handlungsbezogene Anregungen bzw. Anleitungen für Steuergruppen sowie drittens Beschreibungen und (Erfahrungs-) Berichte von Entwicklungsprozessen durch Steuergruppen an Einzelschulen. Berkemeyer und Holtappels erweitern dieses Spektrum mit dem von ihnen herausgegebenen Sammelband, in dem sie theoretische Verortungen der Steuergruppe und empirische Befunde nationaler Studien und einer internationalen Untersuchung zusammentragen. Damit stellt die Publikation „erstmalig theoretische wie empirische Erkenntnisse zusammen und diskutiert vor diesem Hintergrund die Rolle schulischer Steuergruppen im Prozess des Change Management“ (7). Nach einer knappen Einführung in die Thematik widmen sich vier Beiträge auf 84 Seiten theoretischen Ansätzen der Steuerung von Schule, fünf Beiträge stellen auf 121 Seiten empirische Forschungsergebnisse vor. Sechs der acht Autoren bzw. Autorinnen können auf ihre am Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Universität Dortmund erworbene Expertise bzw. durchgeführten Forschungsarbeiten zurückgreifen.
Theoretische Ansätze zur Steuerung von Schule
Unter dem Titel „Schulentwicklungsprozesse und Change Management. Innovationstheoretische Reflexionen und Forschungsbefunde über Steuergruppen“ gibt Heinz Günter Holtappels zunächst einen theoriegeleiteten Einblick in die Anforderungen an die Steuerung der einzelnen Schule, die im Sinne Fends als pädagogische Handlungseinheit zu betrachten ist. Im Anschluss daran stellt er organisations- und systemtheoretische Ansätze zur Schule als lernende Organisationen dar. Vor dieser theoretischen Hintergrundfolie zeigt Holtappels auf, inwiefern Change Management als Voraussetzung für Schulentwicklung gelten kann. Die entsprechenden Managementaufgaben weist er auf der Basis theoretischer Annahmen und (eigener) empirischer Befunde in erster Linie der Schulleitung zu; darüber hinaus zeigt er auch Rollen, Funktionen und Aufgaben der Steuergruppe in Schulentwicklungsprozessen auf. Abschließend liefert Holtappels empirische Erkenntnisse über Verbreitung, Aufgabenprofile und Wirksamkeit schulischer Steuergruppen aus überwiegend von ihm bzw. am IFS durchgeführten Studien. Dieser letzte Abschnitt des Beitrags irritiert angesichts dessen Einordnung in den Theorieteil des Sammelbands.
Hans-Günter Rolff legt in seinem Beitrag „Steuergruppen als Basis von Schulentwicklung“ einen Leitfaden für die Praxis schulischer Steuergruppen vor. In neun Abschnitten werden u. a. formale, personale und organisationale Vorschläge und Anregungen für die Einrichtung und Arbeit von Steuergruppen geliefert. Der Beitrag ist zum einen in anwendungsorientierter Perspektive zu lesen, zum anderen eröffnet er in schulentwicklungstheoretischer Perspektive Kriterien für schulische Steuergruppen, die sich operationalisieren und empirisch prüfen lassen.
Die Autoren Nils Berkemeyer, Thomas Brüsemeister und Tobias Feldhoff wollen mit ihrem Beitrag „Steuergruppe als intermediäre Akteure in Schulen. Ein Modell zur Verortung schulischer Steuergruppen zwischen Organisation und Profession“ Anregungen für die weitere empirische Erforschung von Steuergruppen geben. Nach einer Betrachtung schulischer Steuergruppen aus organisationalen und professionstheoretischen Perspektiven stellen die Autoren einen „Mischansatz“ vor, der beide Perspektiven integriert „und somit am ehesten für die Beschreibung schulischer Steuergruppen geeignet erscheint“ (62). Neben diesem, die theoretische Auseinandersetzung bereichernden Ansatz, wären im Rahmen des Sammelbandes zwei eigene theoretische Beiträge wünschenswert gewesen, die sich ausführlicher der organisations- und professionstheoretischen Deutung von Steuergruppen gewidmet hätten.
Elmar Philipp richtet sich in seinem Beitrag „Die Steuergruppe steuert – und irritiert. Problemskizze und Strategieempfehlungen aus Beratersicht“ an Mitglieder von Steuergruppen. Ähnlich praxisorientiert wie zuvor Hans-Günter Rolff liefert er professionelle Umgangsweisen zur Prävention von bzw. Intervention bei Verunsicherungen und Schwierigkeiten, die mit der Einrichtung von Steuergruppen an Schulen einher gehen können. Nach konkreten und hilfreichen Anregungen zur internen Teamentwicklung der Steuergruppe liefert Philipp drei „Entwicklungsempfehlungen“, durch deren Umsetzung die „intern-externe Teamanbindung“ (91), d. h. die Interaktion zwischen Steuergruppe und dem übrigen Kollegium, gelingen soll.
Empirische Forschungsergebnisse
Nils Berkemeyer und Heinz Günter Holtappels stellen in ihrem Beitrag „Arbeitsweise und Wirkungen schulischer Steuergruppen. Empirische Studie zur Steuerung der Schulentwicklungsarbeit im niedersächsischen Projekt ‚Qualitätsentwicklung in Netzwerken’“ quantitative Befunde aus der genannten Untersuchung vor. Diese beziehen sich auf Strukturen, Organisation und Rahmenbedingungen, Funktionen und Aufgaben, Akzeptanz sowie Wirksamkeit schulischer Steuergruppen und Qualitätsentwicklung durch Steuergruppenarbeit. Die Darstellung der Befunde erfolgt nachvollziehbar, äußerst differenziert und geht teilweise über die formulierten Fragestellungen hinaus, indem z. B. über Einschätzungen zur Qualität der Steuergruppenfortbildung und externe Unterstützung schulischer Steuergruppen berichtet wird. Mit ihren deskriptiven und multivariaten Analysen liefern Berkemeyer und Holtappels sowohl fundierte Informationen für erfolgreiche Steuergruppenarbeit als auch Hinweise auf „Schwachstellen der Arbeit und womöglich gar der Gesamtkonstruktion schulischer Steuergruppen“ (136), die für die weitere theoretische, empirische und praktische Auseinandersetzungen mit Steuergruppen nutzbar und gewinnbringend sind.
Tobias Feldhoff untersucht in seinem Beitrag die „Qualifizierungsmaßnahmen schulischer Steuergruppen im Rahmen des Modellvorhabens ‚Selbstständige Schule’ in Nordrhein-Westfalen“ (139). Nach einer Einordnung der Qualifizierungsmaßnahme „Lehrerfortbildung“ in das deutsche Schulsystem stellt der Autor das aus acht Qualifizierungsbausteinen bestehende Fortbildungskonzept für die Mitglieder schulischer Steuergruppen im genannten Modellprojekt vor. Im Anschluss daran zeigt er auf der Basis theoretischer Ansätze und empirischer Befunde Chancen und Grenzen der Wirksamkeit von Fortbildungen auf. Inwiefern diese klar strukturierte und informative Darstellung dabei hilft, die von Feldhoff im Folgenden berichteten Ergebnisse „besser einordnen zu können“ (145), erschließt sich nicht vollständig: So geben die – durchaus interessanten – Befunde Auskunft über die subjektiven Einschätzungen der Steuergruppenmitglieder zur Qualität der Qualifizierungsmaßnahme, zur Bedeutung der Qualifizierungsbausteine der Fortbildung zum Lernzuwachs und zur Verbesserung der Bereiche der Steuergruppenarbeit durch die Fortbildung. Diese Ergebnisse sind eher als (Selbst-) Evaluation der im Modellvorhaben durchgeführten Fortbildungen zu verstehen, denn als Wirkungsanalysen.
Sandra Fitzen stellt in ihrem Beitrag den „Entwurf eines Modells zur Beschreibung schulischer Steuergruppen“ mit dem Ziel vor, Akzeptanz und Wirksamkeit von Steuergruppen an Grundschulen zu untersuchen. Das entwickelte Rahmenmodell berücksichtigt organisationspsychologische, schulentwicklungs- und gruppentheoretische Annahmen sowie Erkenntnisse der Teameffektivitätsforschung und umfasst neben den beiden genannten abhängigen Variablen die unabhängigen Variablen Gruppe, Umwelt und Aufgaben. Nach einer knappen Darstellung der Untersuchungsanlage stellt die Autorin quantitativ-empirische Befunde vor, die sich auf Grundschulen des Modellvorhabens „Selbstständige Schule NRW“ beziehen. In sechs Abschnitten liefert Fitzen aufschlussreiche Ergebnisse zu Zusammensetzung, Regeln und Arbeitsweise, Aufgabenverteilung, Einschätzungen zu Qualitätsaspekten, Einschätzungen zu Verantwortungsübernahme und Steuerung in Schul- und Qualitätsprozessen sowie schließlich Einschätzungen zu Akzeptanz und Wirksamkeit schulischer Steuergruppen. Unklar bleibt, warum die Autorin keine Befunde zu den im Modell genannten Umwelt-Variablen darstellt und diese auch im abschließend vorgestellten empirischen Modell zur (weiteren) Untersuchung schulischer Steuergruppen keine Berücksichtigung finden.
Der folgende Beitrag von Kathrin Dedering „Change Management durch Projekte zur Qualitätsentwicklung? Eine Analyse am Beispiel eines internationalen Netzwerkprojekts“ thematisiert Steuergruppen nur noch am Rande. Im Mittelpunkt steht die Beantwortung der Frage, inwiefern das Projekt „Qualitätsentwicklung von Schulen auf Basis internationaler Qualitätsvergleiche“ der Bertelsmann Stiftung einen Beitrag zum Change Management an Einzelschulen leisten kann. Nach einer Vorstellung des im Projekt entwickelten und erprobten Instruments zur Qualitäts- bzw. Entwicklungssteuerung sowie dessen Zielsetzungen legt die Autorin ihr Forschungsdesign dar. Die ausgewählten Ergebnisse der durchgeführten quantitativen und qualitativen Untersuchungen widmen sich in drei Abschnitten den Entwicklungsaktivitäten an den Schulen, den Einflussfaktoren auf den Erfolg des Projekts und den positiven Einflussfaktoren. Die Befunde verbleiben zwar auf deskriptiver Ebene, ermöglichen jedoch die Herausarbeitung von schulischen Kriterien, die den Erfolg des eingesetzten Steuerungsinstruments fördern bzw. behindern können.
Im letzten Beitrag des Sammelbands widmet sich Nils Berkemeyer unter dem Titel „Change Management durch regionale Steuergruppen? Theoretische Verortung und empirische Befunde“ zunächst dem Konzept der Regionalisierung in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion. Nach der Vorstellung von zwei Typen regionaler Steuergruppen, die im Rahmen der Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ und „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ gebildet wurden, werden interdisziplinäre Ansätze zur Regionalisierung skizziert und zu einem heuristischen Analyseraster für Regionalisierungsprozesse im Schulsystem gebündelt. Im Anschluss daran liefert Berkemeyer empirische Befunde zu regionalen Steuergruppen, die den beiden genannten Modellprojekten entstammen, bezogen auf die Dimensionen Zusammensetzung, Qualität der Zusammenarbeit, Unterstützung, Kontakte und Leistungen. Die mit Vorsicht interpretierten Ergebnisse weisen regionale Steuergruppen als „Agenten bzw. Agenturen des Wandels“ (218) aus. Leider nehmen die grundsätzlich interessanten empirischen Befunden relativ wenig Bezug zur durchgeführten theoretischen Verortung regionaler Steuergruppen.
Insgesamt bietet der Sammelband allen Adressaten – Schulforschern, Schulentwicklern der Administration und Praktikern – gute Einblicke in Chancen und Möglichkeiten ebenso wie Grenzen und Schwierigkeiten der Arbeit und Wirkung schulischer Steuergruppen. Darüber hinaus erscheinen die dargestellten theoretischen Ansätze und empirischen Befunde hilfreich für die weitere Auseinandersetzung und Erforschung von Steuergruppen an Schulen und Change Management. Auch wenn die Einteilung des Buches in Theorie- und Empirieteil nicht stringent durchgehalten wurde, die Einordnung der beiden anwendungsorientierten Beiträge von Rolff und Philipp in den Theorieteil des Bandes nicht ganz passend erscheint und einige Fehler (u. a. bei der Rechtschreibung, in der Syntax und der Beschreibung von Abbildungen) zu verzeichnen sind, bleibt festzuhalten, dass der Sammelband seinen eigenen, auf dem hinteren Buchdeckel genannten Ansprüchen gerecht wird: „Während Praktiker einen Spiegel ihrer Arbeit zur Verfügung gestellt bekommen, der sie in ihrer Arbeit bestätigen und anregen kann, enthält er für die Bildungsadministration Begründungszusammenhänge und steuerungsrelevantes Wissen. Für die Forschungsgemeinschaft stellt er eine Einführung in einen gesonderten Forschungsbereich der Schulentwicklungsforschung dar, den es zu diskutieren und weiterzuentwickeln gilt.“
EWR 7 (2008), Nr. 3 (Mai/Juni)
Schulische Steuergruppen und Change Management
Theoretische Ansätze und empirische Befunde zur schulinternen Schulentwicklung
Weinheim/MĂĽnchen: Juventa 2007
(221 S.; ISBN 978-3-7799-1693-2; 19,50 EUR)
Andrea Goldenbaum (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Andrea Goldenbaum: Rezension von: Berkemeyer, Nils / Holtappels, Heinz GĂĽnter (Hg.): Schulische Dteuergruppen undChange Management, Theoretische Ansätze und empirische Befunde zur schulinternen Schulentwicklung. Weinheim/MĂĽnchen: Juventa 2007. In: EWR 7 (2008), Nr. 3 (Veröffentlicht am 03.06.2008), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978377991693.html
Andrea Goldenbaum: Rezension von: Berkemeyer, Nils / Holtappels, Heinz GĂĽnter (Hg.): Schulische Dteuergruppen undChange Management, Theoretische Ansätze und empirische Befunde zur schulinternen Schulentwicklung. Weinheim/MĂĽnchen: Juventa 2007. In: EWR 7 (2008), Nr. 3 (Veröffentlicht am 03.06.2008), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978377991693.html