
Die Studie wurde exemplarisch an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel durchgeführt, da deren Hauptfokus auf die Professionalisierung von Berufstätigen im Bereich von Kunst und Kultur ausgerichtet wurde. [1] Analysiert wurden in dieser Institution die Programmplanung und Angebotsentwicklung sowie die Konzeption von beruflicher Weiterbildung für Tätige in kulturellen Fachbereichen, um Prozesse zu Institutionalisierung und Professionalisierung nachzuzeichnen.
Im Zentrum des Forschungsinteresses standen ebenfalls die gesellschaftliche Stellung von Kunst und Kultur als bedeutsame Bildungsbereiche und der reflexive Umgang mit diesen Tätigkeitsfeldern durch professionelle Weiterbildung (an der Akademie) sowie die Spezifizierung von Zielgruppen des Bildungsangebots. Fallanalytisch wurde in der Akademie erhoben, welche Lehrprogramme vorliegen und für welche Adressat:innen wissenschaftliche berufliche Weiterbildungen in außeruniversitären Institutionen angeboten werden. Ein weiterer Forschungsblick wurde auf die Gestaltung der Akademie als Bildungsort gelegt und die Frage gestellt, wie eine strukturierte Wissensvermittlung erfolgen kann, um eine umfassende Professionalisierung zu erbringen, jedoch mit angemessener Berücksichtigung der Elemente Kunst und Kreativität. Zur Generierung der Daten wählten die Forschenden eine systematische Programmanalyse, in der ein Vergleich der Programme der Jahre 2011 und 2016 gezogen wurde. In Ergänzung dazu wurden qualitative Interviews mit Teilnehmenden und Programmplanenden/Kursleitenden realisiert sowie quantitative Befragungen mittels Fragebögen durchgeführt, die im Rahmen der jeweiligen Veranstaltungen von den Teilnehmenden vor Ort ausgefüllt wurden.
Das Sammelwerk umfasst fünfzehn Beiträge von neun Autor:innen. Man liest von einer allgemeinen bildungswissenschaftlichen Perspektive auf den Kunst- und Kulturbereich und seiner Bedeutsamkeit als breit gefächertes Tätigkeitsfeld mit sich ausdifferenzierenden Berufsgruppen - etwa in der Kunst, der Pädagogik, der Migration oder Wirtschaft - bis zu einer detaillierten Offenlegung der einzelnen Studiensegmente. Der Aufbau des Buches ist somit stringent und nachvollziehbar. In den ersten Kapiteln des Sammelbandes werden die Besonderheiten des Gegenstandes definiert (9-68). Nachfolgend wird eine allgemeine Einführung in das Metier Kunst und Kultur gegeben sowie die theoretische Hinführung zum vielseitigen Tätigkeitsfeld (z.B. Kunstbereich, Kulturinstitutionen, Management und Pädagogik) diskutiert, ineinandergreifend mit damit verbundenen wissenschaftlichen beruflichen Weiterbildungen (z.B. Studiengänge oder Kurse zu Management und Werbung).
Anschließend widmen sich die Ausführungen den Anbietenden, wie etwa Kunsthochschulen, als Beispiel Studienbereich Musik (mit begrenzten Plätzen), Universitäten, etwa das Studium Kulturmanagement (meist jedoch nicht berufsbegleitend) oder Akademien (exemplarisch die Akademie in Wolfenbüttel) (69-92). Es folgen eine Erläuterung des methodischen Zugangs (141-216) und des Projektablaufs. Im weiteren Verlauf werden die Interpretationen der Ergebnisse aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, wie Bildungsmanagement (217-231), Programme (233-326), Programmplanende (327-411), Kursleitende (413-430) sowie Teilnehmende (431-474). Steffi Robak als Projektleitung spannt ad finem einen übergreifenden Bogen zu den Darlegungen aller Teilstudien der am Projekt Beteiligten. Der von ihr verfasste und sehr detaillierte Schlussteil (475-566) mündet in eine analytische Bündelung der einzelnen Perspektiven und Ergebnisse (Perspektivverschränkungen) (477-507) sowie in Koppelungen der Aspekte, hier etwa biografische oder tätigkeitsstrukturelle Komponenten. Die Studie umfasste zwei Perspektiven, auf der einen Seite die Akademie als Planende und Anbietende der Programme und auf der anderen Seite die Zugänge, Sichtweisen sowie Lern- bzw. Aneignungsprozesse der Teilnehmenden.
Zur Perspektive der Teilnehmenden werden von Lena Heidemann, Jessica Preuß und Christian Kühn auf Basis eines Mixed-Methods-Designs mit qualitativen Interviews und einer quantitativen Befragung unter anderem folgende Ergebnisse präsentiert: Die Teilnehmenden sind meist freiberuflich/selbstständig und fast zur Hälfte in Mehrfachbeschäftigungen anzufinden (445). Sie sind hauptberuflich tätig als Künstler:innen im engeren Sinn, in der künstlerisch-kulturellen Produktion, in der kulturellen Bildung und Vermittlung oder im Management von Kunst und Kultur, oft in Verbindung oder mit Nähe zum Bildungsbereich (443). Die Arbeitssituationen sind meist geprägt von unsicheren und/oder befristeten Arbeitsverhältnissen, Selbstständigkeiten, Anstellungen im Rahmen von Projekten oder per Werkverträgen, in Summe von prekären Lebenssituationen und nur ein Drittel der Befragten kann das gesamte Einkommen hieraus erzielen (437). Insgesamt zeigt sich eine komplexe Teilnehmendenstruktur. Viele nehmen wiederholt an Weiterbildungen teil. Ausschlaggebende Motive sind neben beruflichen Hintergründen, wie Professionalisierungsstreben oder Erwerb von neuem Wissen und Kompetenzen, etwa bei einem Tätigkeitswechsel, auch biografische Strategien, beispielsweise sich dadurch ein Netzwerk aufbauen zu können (560).
Wie stellt sich nun das Bildungskonzept der Bundesakademie dar? Die Planenden entwickeln die Angebote konvergent zu Bildungsbedarfen und Bedürfnissen der Zielgruppe und den hauseigenen Bedingungen, jedoch ebenfalls mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Transformationen im kulturellen Segment. Die Herausforderungen sind, die verschiedenen Zugänge im breiten Tätigkeitsbereich Kunst und Kultur zu bündeln und die heterogenen Gruppen zu erreichen; des Weiteren, diese zu verbinden und sowohl für die einzelnen Sparten und Domänen des Berufsfeldes spezifische Angebote bereitzuhalten als auch gemeinsame Programme für alle Tätigkeitsfelder zu verankern (555). Die Bildungsakademie als Anbietende ist in Folge bestrebt, erweiterte Berufsprofile einzubeziehen und neue Arbeitsfelder zu generieren (562), damit ein breitgefächertes Angebot zur Verfügung steht. Das erfordert einen interdisziplinären Zugang von Seiten der Planenden. Als wesentlichen Punkt sieht man in der Programmplanung, wissenschaftliche Standards für die Weiterbildungsangebote zu verankern. Die Akademie ist bestrebt, die Balance zwischen wissenschaftlicher Theorie und künstlerisch-gestalterischem Handeln zu finden und zu halten; folglich der Praxis als Ausgleich ohne starre Strukturen einen Raum zu geben. Das bedeutet für die Akademie, Komplexitäten in Planung, Konzeption und Umsetzung zu bewältigen, da im Hintergrund immer auch ein ökonomischer Rentabilitätsdruck zu beachten ist (547).
Eines jedoch ist beiden Seiten gemeinsam, den in der Akademie Mitwirkenden und den Teilnehmenden an den Weiterbildungen, nämlich die Leidenschaft (476). Das ist die Kraft, die Tätige im Bereich Kunst und Kultur - trotz aller Widrigkeiten - vorantreibt, sich weiterhin zu professionalisieren, in diesem Berufsfeld zu bleiben, und die Akademie als Bildungsanbietende, die ihnen dafür bestmögliche Voraussetzungen offerieren möchte. Dieser biografisch gewachsene Spirit konnte als ein gemeinsamer Nenner ausgemacht werden; ich sehe das als eine zu würdigende Leistung des Projektes.
Das Ziel der Veröffentlichung scheint zu sein, dass jeder Beitrag für sich stehen kann, die Kapitel auch einzeln lesbar sind. Der Veröffentlichung hätte jedoch eine kursorische Straffung gutgetan, es gibt mehrfach Redundanzen. Allzu oft wird etwa auf die Bedeutung der Studie hingewiesen oder der Status Quo in der Kunst-und-Kultur-Landschaft aufgezeigt sowie der Verlauf und das Ziel der Untersuchungen beschrieben.
Die Studie kann als wegweisend eingestuft werden, da sie einer Sparte ein Gesicht gibt, deren gesellschaftliche Tragweite bis dato eher marginale Beachtung geschenkt wurde. Die Perspektive in der Verbindung zwischen Kunst bzw. Kreativität und Beruflichkeit unterstreicht dabei den Bedeutungsgehalt für die Erwachsenenbildung. Kunst und Kultur sind die Spiegel der Zeit, das Gewissen der Gesellschaft (10) sowie ein heterogenes Betätigungsfeld innerhalb der Erwachsenen- und Weiterbildung. Im Rahmen der Projektergebnisse konnte diese Relevanz verdeutlicht werden. Daher gebührt den Forschenden Wertschätzung sowie der Veröffentlichung Beachtung. Die Autor:innen haben einen wichtigen Beitrag für die berufliche wissenschaftliche Bildung geschaffen, nicht nur im Bereich Kunst und Kultur, sondern übergreifend auch für weitere Einrichtungen der beruflichen Erwachsenen- und Weiterbildung.
[1] https://www.bundesakademie.de/akademie/ueber-uns/ [17.8.2024]