Wer sich im Feld auskennt und schon einmal den Selbstversuch unternommen hat, Wissen um und für eine Beratung im Gebiet der Erwachsenenbildung zu strukturieren, der weiß, dass dieses Unterfangen kein Leichtes ist. Trotz – oder gerade wegen – diesem Umstand stellen sich Cornelia Maier-Gutheil und Kira Nierobisch der Herausforderung. So beabsichtigen die Autorinnen mit diesem Studientext eine orientierungsspendende Schneise in ein Dickicht divergierender Interpretationen, verschiedener Kategorisierungen und unterschiedlicher Umsetzungsformen einer Beratung in der Erwachsenenbildung zu schlagen, die sich für Studierende, angehende Praktiker/innen und bereits im Feld Tätige gleichermaßen empfiehlt.
Auffallend von Beginn an ist, wie konsequent Beratung als originär (erwachsenen-) pädagogische Praxis diskutiert und mithilfe anwendungsbezogener Beispiele und Verweise fortwährend illustriert wird.
Eine professionstheoretische Verortung von Beratung bleibt hierbei nicht aus – im Gegenteil: Neben klassischen, bildungstheoretischen Ausführungen, Beratung als ein pädagogisches Phänomen zu verstehen sowie zusätzlicher Grundlegungen, Beratung als einen immanenten Lernprozess zu begreifen, suchen Maier-Gutheil und Nierobisch geradezu das Spannungsfeld von Pädagogik und Beratung in Theorie und Praxis – fordern regelrecht dazu auf, sich der Frage nach Zusammenhängen, Schnittmengen aber auch verschiedener Perspektiven und Denktraditionen reflexiv zu stellen.
Trotz der stellenweise erzeugten – und folglich wohl auch durchaus gewünschten – Unruhe zwischen theoretischem Verständnis und praktischer Notwendigkeit, zeichnen die Autorinnen im Verlauf und Aufbau ihrer Publikation das Bild einer gelungenen Symbiose klassischer, theoriegeleiteter Fundierungen mit aktuellen An- und Herausforderungen einer Beratung in der Erwachsenenbildung.
Der nicht ganz unwesentliche Selbstanspruch, Systematik und Nachvollziehbarkeit in ein Feld zu implementieren, das zumeist geprägt ist von Heterogenität und Intransparenz, vollzieht sich hierbei vielschichtig: Zunächst werden grundlegende Differenzierungen zur Form und Ausformung der Beratung (zwischen Person und Organisation, als auch zwischen Beratung und Therapie) skizziert. Daran Anschluss nehmend werden hintergründige (psychologische) Theorien sowie empiriegestützte (pädagogische) Systematisierungsmodelle aufgedeckt.
Dem komplexen Interaktionsgeschehen sind die anschließenden Ausführungen gewidmet, die Beratung in ihren Handlungsformen (Informieren, Anleiten, Beobachten etc.), den Bedingungsfaktoren (Beziehung, Grundhaltung, Methodik und Ablauf), den Handlungsdimensionen (Konkretisierung der jeweiligen Zielbestimmung) und den Konstitutionselementen (zur Herstellung einer „interaktive Praktik“ (62)) abbilden. Ferner stecken die Autorinnen konkrete Themenfelder der Beratung ab (Studien-, Kurs-, Berufsberatung etc.), wodurch sich eine inhaltliche Differenzierung und Verortung nach Kontext und Klientel erschließt.
Das Nachzeichnen aktueller Diskurse und Entwicklungstendenzen im Zuge einer Professionalität und Qualität(-sentwicklung) von Beratung, verschafft einen exemplarischen Einblick in aktuelle Ambitionen und Strömungen im Feld der Erwachsenenbildung. So etwa Bemühungen von (Berufs-)Verbänden, die sich in Anbetracht einer teils weiterhin ausstehenden aber als notwendig erachteten Professionalisierung von Beratung im Auftrag sehen, Konformität und Nachvollziehbarkeit in das weite und zusehends ausdifferenzierte Feld einer Beratung in der Erwachsenenbildung zu integrieren. Positiv fällt auf, dass die Autorinnen dergleichen Tendenzen nicht unreflektiert für sich stehen lassen, sondern, neben einem orientierenden Nutzen, zur Reflektion gegenüber normierender Vorstellungen anregen. Wünschenswert wäre indes gewesen, expliziter darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, wie genau etwaige Bewegungen und Verständigungsprozesse in der (scientific) community zur Beratung in Bildung und Beruf zustande gekommen sind.
Zusätzlichen Mehrwert stellt der kritische Exkurs zur Beratung als Steuerungselement dar, indem die vermeintlich unangenehme aber nicht weniger unwesentliche Dialektik von Pflicht und Freiwilligkeit in einer Beratung angeführt wird. Die Zunahme einer „regulativen Beratung“ (106), die im Zusammenhang eines Anstiegs von Förderungsinstrumenten (Bildungsgutscheine, Gründungsberatung etc.) steht, verdeutlicht unweigerlich den Konflikt und Widerspruch einer „neoliberalen“ (106) Auslegung zu einer primär sozialen Zielvorstellung der Beratung. Der Tendenz einer Beratung als Regulativ wird argumentativ entgegengewirkt, indem nicht nur individuelle Konsequenzen einer solchen Entwicklung beleuchtet, sondern ebenfalls hintergründige Strukturprobleme erfragt werden. Ein Appell der Autorinnen zur kritischen Selbstreflektion im eigenen Rollenverständnis als (Weiterbildungs-) Berater/in erscheint hier nur angebracht.
Wichtig und kursbestimmend sind auch die Ausblicke zur Praxis und Forschung, wenn u.a. dazu angeregt wird, die in den letzten Jahren zwar vermehrt betriebene aber weiterhin zu wenig aufeinander bezogene Beratungsforschung stärker zu vernetzen. Außerdem sind vermeintliche „Goldstandard“-Erhebungen (114) in Gestalt randomisierter Kontrollgruppendesigns methodologisch zu hinterfragen und eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung und Weiterqualifizierung für praktizierende und angehende Berater/innen voranzutreiben.
Die Zielvorstellung zum Buch wird eingangs klar formuliert wenn es heißt, „einen umfassenden Überblick über das weite Feld der Beratung im erwachsenenpädagogischen Kontext zu geben, zentrale Diskurse, Theorien und Entwicklungslinien zu präsentieren, [...] und zum kritischen Nachfragen und Diskutieren einzuladen.“ (10). Letzteres fällt besonders ins Gewicht, da neben dem Aufzeigen wesentlicher Meilensteine in der Entwicklung und Umsetzung einer Beratung unnachlässig dazu angeregt und unterschwellig geradezu daran appelliert wird, sich eigenständig und selbstreferentiell – so, wie es qua Definition der Zielvorstellung zur Beratung selbst zu eigen ist – mit kontroversen Themen und offenen Fragen zu befassen und eigenverantwortlich zu handeln.
Zahlreichen Definitionen zu Grundbegriffen und konstitutiven Themen vertiefen und verdichten an entscheidenden Stellen das Verständnis für und das Wissen um eine Beratung im Feld der Erwachsenenbildung und verleihen der Publikation Struktur, Tiefe und Anschlussfähigkeit. Ebenso hilfreich sind die konsolidierenden Zusammenfassungen, praxisbezogenen (Fall-)Beispiele, thematischen „Kleinexkurse“, kreativen und abwechslungsreichen Reflexionsfragen sowie weiterführenden Literaturempfehlungen, die ebenfalls einladen, den Blick über den „literarischen Tellerrand“ zu richten. Nicht zu vergessen sind die online zur Verfügung gestellten Lernmaterialien, die einen zusätzlichen Zugang zur Thematik eröffnen.
EWR 15 (2016), Nr. 2 (März/April)
Beratungswissen für die Erwachsenenbildung
Reihe: Studientexte für Erwachsenenbildung
Bielefeld: W. Bertelsmann 2015
(136 S.; ISBN 978-3-7639-5652-4; 19,90 EUR)
Andreas Wahl (Münster)
Zur Zitierweise der Rezension:
Andreas Wahl: Rezension von: Maier-Gutheil, Cornelia / Nierobisch, Kira: Beratungswissen für die Erwachsenenbildung, Reihe: Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann 2015. In: EWR 15 (2016), Nr. 2 (Veröffentlicht am 24.03.2016), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978376395652.html
Andreas Wahl: Rezension von: Maier-Gutheil, Cornelia / Nierobisch, Kira: Beratungswissen für die Erwachsenenbildung, Reihe: Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann 2015. In: EWR 15 (2016), Nr. 2 (Veröffentlicht am 24.03.2016), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978376395652.html