EWR 10 (2011), Nr. 1 (Januar/Februar)

Markus Brenk / Anton Salomon (Hrsg.)
SchulportrÀtforschung und Schulentwicklung
Grundlegung, Modelle, Projekte, Instrumentarien
Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag 2010
(210 S.; ISBN 978-3-6315-8791-1; 19,80 EUR)
SchulportrĂ€tforschung und Schulentwicklung Der vorliegende Band thematisiert und fokussiert das SchulportrĂ€t und die damit verbundene Forschung, auch im Hinblick auf die Schulentwicklung. Zum einen erfolgt eine Akzentuierung auf das SchulportrĂ€t als eine wissenschaftlich fundierte Erfassungsform schulischer Wirklichkeit, und zum anderen wird mit Hilfe von SchulportrĂ€ts das Aufgabenfeld der Schulentwicklung eröffnet. Der Band erhebt den Anspruch durch die Gesamtheit der BeitrĂ€ge auch Instrumentarien fĂŒr die Schulentwicklung bereit zu stellen. Durch die Gliederung in drei thematische Teile (Teil 1: Grundlegungen, Teil 2: Exempla, Modelle, Projekte, Teil 3: Checklisten und Instrumentarien) lassen sich die enthaltenen Texte verstĂ€ndlich und systematisch lesen und erarbeiten. Der Band wendet sich an Schulforscher und auch an Schulen, da diese ĂŒber SchulportrĂ€ts die Möglichkeit haben eigene, speziell auf ihre BedĂŒrfnisse zugeschnittene Konzepte zu entwickeln. Durch seine Komposition wird die wissenschaftliche Herangehensweise mit der Möglichkeit des Selbstentwurfs einer Schule verkoppelt und die Gesamtheit der BeitrĂ€ge zielt auf eine handlungswissenschaftliche Perspektive.

Der erste Teil befasst sich mit grundlegenden Fragestellungen zum SchulportrĂ€t in der erziehungswissenschaftlichen Forschung. Einleitend und informierend ist hier die HeranfĂŒhrung von Ingrid Kunze und Meinert A. Meyer, welche eine einordnende Begriffsbestimmung vornehmen, die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen sowie Formen und Intentionen des SchulportrĂ€ts prĂ€sentieren. Die Texte von Wilhelm Wittenbruch und Markus Brenk konkretisieren die Arbeit der SchulportrĂ€tforschung dahingehend, dass sie auch die AktualitĂ€t und Relevanz im momentanen Diskurs ĂŒber Schule festhalten. Ergebnisse der Lehr- und Lernforschung untermauern demnach zwar die KomplexitĂ€t und Wichtigkeit von Unterrichtsprozessen, doch verharren sie in der lernerfolgsorientierten und empirisch festzuhaltenden Sichtweise von Schule. Als entgegenwirkende oder ergĂ€nzende Maßnahme dazu wird hier das SchulportrĂ€t vorgeschlagen, da es eine breiter gedachte und ganzheitlichere Perspektive auf Schule und die in ihr stattfindenden Prozesse ermöglicht. Ganzheitlichkeit wird durch die Mischung verschiedener Erhebungs- und Auswertungsmethoden angestrebt, d.h. durch eine Methodentriangulation, die etwa teilnehmende Beobachtung, Interviews, Fragebogenerhebung, Gruppendiskussion sowie Dokumentenanalyse umfasst. Auf diese Weise können sowohl qualitative, als auch quantitative Forschungsmethoden miteinander verknĂŒpft werden. So soll gewĂ€hrleistet werden, dass durch die Arbeit mit dem SchulportrĂ€t die Mehrdeutigkeit sozialer Prozesse in der Schule berĂŒcksichtigt wird. Dies eröffnet besonders fĂŒr die Schulforschung neue Perspektiven. Des Weiteren soll die Methodentriangulation helfen, differenziertere theoretische und praktische Erkenntnissen zu generieren, welche dann auch in der Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern eine Rolle spielen könnten. Michael Lönz befasst sich anschließend mit der Selbstdarstellung von Schulen durch ein SchulportrĂ€t und geht nĂ€her auf die pĂ€dagogisch verantwortete Selbstdarstellung ein. Mit Bezug darauf erwĂ€hnt Michael Lönz auch die Selbstdarstellung von Schulen im Internet und nimmt sich ein konkretes Beispiel, nĂ€mlich die Gemeinschaftsgrundschule Hasenberg in Remscheid zur nĂ€heren Betrachtung vor. Die Quintessenz bleibt jedoch, dass diese Form der Darstellung zwar Daten und Fakten zur Schule liefert, jedoch kaum eine Aussage ĂŒber das Schulleben tĂ€tigt.

Konkreter wird es im zweiten Teil des Bands, da hier Modelle und Projekte vorgestellt werden, welche an Schulen schon durchgefĂŒhrt wurden. Die SchulportrĂ€tforschung wird hier (u.a. von Franz Hammerer und Oskar Dangl sowie Reinhard Feldl) unter BerĂŒcksichtigung von Schulentwicklung betrachtet. Der erste Beitrag betont die Relevanz von Schulraumentwicklung als Anstoß fĂŒr Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen, um so rĂ€umliche Um- und Neugestaltungen und neue rĂ€umliche Arrangements auf die BedĂŒrfnisse der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler zuzuschneiden. Hervorgehoben wird hier die große Bedeutung von InteraktivitĂ€t und wissenschaftlicher Begleitung. Zudem wird ein Diskurs aufgegriffen, der sich aktuell auch in der Schulforschung wiederfindet: Die Bedeutung des Raums ist fĂŒr schulische Prozesse mehr oder weniger unumgĂ€nglich. Franz Hammerer erörtert diese Bedeutung anhand von Praxisbeispielen. Ein Projekt wird mit Hilfe von Abbildungen und Bildern, im Stile einer Vorher-Nachher-Ansicht, prĂ€sentiert, um so Raumentwicklung als Motor fĂŒr Unterrichtsentwicklung zu verdeutlichen. Der Begleittext untermauert, dass der Raum und seine VerĂ€nderung zur Optimierung von schulischen Lernsituationen beigetragen haben. Dem Leser wird auch Einsicht in AuszĂŒge von Beobachtungsprotokollen, welche als pĂ€dagogische TagebĂŒcher vom Lehrpersonal angefertigt wurden, und deren Auswertung gewĂ€hrt. Somit sollte festgestellt werden, ob die Realisierung der rĂ€umlichen Verordnungen Differenzierungs- und Individualisierungsmaßnahmen stĂŒtzen oder ob durch die Neugestaltung erst welche geschaffen wurden. Durch diese Darstellungsweise erhĂ€lt der Leser Kenntnis davon, wie die verwendeten Materialien (Beobachtungsprotokolle und Bilddokumente) als Anstoß fĂŒr die Optimierung von RĂ€umen und Schulmöbeln dienten. Am Ende des zweiten Teils wird die Arbeit mit dem SchulportrĂ€t noch einmal retrospektiv und perspektivisch betrachtet.

Die im ersten und zweiten Teil des Bands dargestellt SchulportrĂ€tarbeit findet ihren Abschluss im dritten und letzten Teil, in dem direkt einsetzbare Instrumentarien aus dem Bereich der SchulportrĂ€tforschung vorgestellt werden. Begriffe wie „kooperativer Dialog“ und „Reflexives Lernen“, die sich wie ein roter Faden durch den Band ziehen, werden im dritten Teil aufgegriffen, da es sich beim Reflexiven Lernen um ein Programm handelt, das durch die SchulportrĂ€tarbeit gefördert werden soll. Die Instrumentarien, die zur Durchsetzung dieses Programms zur VerfĂŒgung stehen, sind in einer anschließenden Liste aufgefĂŒhrt. Einige davon dienen nur zur Sammlung von Daten, anderen kommt bereits eine interpretative Funktion zu. Zu den jeweiligen Instrumentarien sind Zielsetzung, Kontext und Ablauf festgehalten sowie jeweils Beispiele angefĂŒhrt. So gleicht die Liste einer Methodensammlung fĂŒr die Erstellung eines SchulportrĂ€ts und wird fĂŒr die Praxis vermutlich sehr hilfreich sein.

Bildungsstandards und Lernstandserhebungen wurden nach den PISA-Studien als zwei wichtige Steuerelemente eingefĂŒhrt. Allerdings entsprechen diese beiden Elemente eher einer verengten Sicht von SchulpĂ€dagogik, die danach fragt, wie vorgegebene Ziele erreicht werden können. Wird nach einer Weiterentwicklung von Schule gefragt, bieten die vorliegenden AusfĂŒhrungen zum SchulportrĂ€t auf jeden Fall ein hohes Potenzial, um Schule von der Schulpraxis ausgehend und mit Hilfe eines wissenschaftlichen Methodenmix weiterzuentwickeln. Des Weiteren ist AktivitĂ€t ein Wesensmerkmal des schöpferischen Selbstaufbaus und die Umgestaltung von KlassenrĂ€umen und SchulgebĂ€uden fördert eben diese AktivitĂ€t der SchĂŒlerinnen und SchĂŒler, die sich in neuen Lernumgebungen als Handelnde begreifen können. So leistet die SchulportrĂ€tarbeit auch einen großen Teil fĂŒr die Schulentwicklung.

Das SchulportrĂ€t erfasst die Einzelschule als Ganzes, gelangt so zu einer informativen Außendarstellung und durch die diskursive Zusammenarbeit von Praktikern und Theoretikern werden die Praktiker in ihrem Handeln bestĂ€rkt. Weiterhin dienen die Ergebnisse, welche aus den SchulportrĂ€ts gewonnen werden, der Verbesserung der pĂ€dagogischen Arbeit vor Ort. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, so die Herausgeber, dass die realen Prozesse der Schulentwicklung nicht auf Kosten einer positiven Außendarstellung im Sinne einer Werbekampagne vernachlĂ€ssigt werden.

Der Band eignet sich gut, um ein einfĂŒhrend erklĂ€rendes Bild von der SchulportrĂ€tarbeit zu erhalten. Er erlĂ€utert die Funktionen und Vorgehensweisen von SchulportrĂ€tarbeit und macht darauf aufmerksam, dass sie nur dann zu einem konstruktiven Ergebnis kommt, wenn die Motive, die Intentionen und das genutzte Methodenrepertoire permanent nachvollziehbar und reflektiert dokumentiert werden. Insofern gibt der Band auch Handlungsanleitungen, falls ein eigenes SchulportrĂ€t geplant ist. Die Autoren betonen jedoch zu Recht, wie wichtig die Kooperation der Einzelschule mit entsprechend geschulten Wissenschaftlern ist, denn die im Rahmen der Methodentriangulation zusammengetragene DatenfĂŒlle könnte das Schulpersonal schnell ĂŒberfordern.
David Brick (Essen)
Zur Zitierweise der Rezension:
David Brick: Rezension von: Brenk, Markus / Salomon, Anton (Hg.): SchulportrĂ€tforschung und Schulentwicklung, Grundlegung, Modelle, Projekte, Instrumentarien. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag 2010. In: EWR 10 (2011), Nr. 1 (Veröffentlicht am 16.02.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978363158791.html