
Overhoff arbeitet darum anhand von zehn Aufklärern und einer Aufklärerin – John Locke, Joseph Addison, Hermann Samuel Reimarus, Johann Jakob Bodmer, Christian Fürchtegott Gellert, Benjamin Franklin, Jean-Jacques Rousseau, Johann Bernhard Basedow, Moses Mendelssohn, Mary Wollstonecraft und Immanuel Kant – elf für das Lernen bedeutsame Eigenschaften heraus: Wissbegierde, Anschauung, Vernunft, Einbildungskraft, Aufrichtigkeit, Gemeinnützigkeit, Mitgefühl, Toleranz, Gottvertrauen, Chancengleichheit sowie Selbstdisziplin [1].
Mag dies als bildungspolitisch inspirierter Essay hingehen, ist doch der Ansatz wissenschaftlich problematisch. Brüche werden nicht thematisiert, auch nicht die mit der Aufklärungspädagogik zumal in Deutschland immer auch verbundene Debatte um den Nutzen von Lernen und Bildung zwischen individueller Glückseligkeit und der Schaffung von leistungsfähigen Untertanen. Dass auch bei Locke und den anderen hier genannten Autoren eine bürgerliche Zwecksetzung, sprich Arbeitsfähigkeit, jenseits des individuellen Glücks vorhanden war, wird am Ende zwar zugestanden, aber doch eher beiläufig. So ist auch dieses Buch ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn man die wissenschaftlichen Gefilde verlässt und sich in die aktuellen Debatten einmischt: Die Differenziertheit der (bildungshistorischen) Forschungserkenntnisse geht zugunsten einer leicht nachvollziehbaren, publikumswirksamen Aussage verloren. Dass dem Leser, auch mir, einiges davon sympathisch ist, ändert an diesem Grundproblem der Popularisierung wenig.
Soll man darum solche Bücher nicht schreiben? Die Antwort kann im Allgemeinem und im Besonderen lauten: Nein. Allgemein gilt, dass sich Wissenschaften nicht aus dem öffentlichen Diskurs ausklinken sollten. Von daher sind Sachbücher und Zeitungsartikel auch von Bildungshistorikern sinnvoll und nötig, sollten sich aber des Problems der Popularisierung bewusst sein. Diese Reflexion wird aber oft ausgelassen und stattdessen „Wahrheit“ verkauft, so auch hier. Im Besonderen ist aber festzuhalten, dass es wesentlich schlechtere pädagogische Popularisierungstexte gibt als diesen.
[1] Dass im Klappentext daraus unter Hinzuziehung der Neugier, die in der Tradition des pädagogischen Denkens doch eher negativ konnotiert ist, zwölf gemacht werden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.