In den letzten Jahren sind mehrere Einführungen in die Erwachsenenbildung neu erschienen oder überarbeitet worden, so von Rolf Arnold (Erwachsenenbildung. Hohengehren 1988, 52006), Peter Faulstich und Christine Zeuner (Erwachsenenbildung. Weinheim 2002, 22006), Hermann J. Forneck und Daniel Wrana (Ein parzelliertes Feld. Bielefeld 2005), Jochen Kade, Dieter Nittel und Wolfgang Seitter (Einführung in die Erwachsenenbildung/ Weiterbildung 1999, 22007), Jan Weisser (Einführung in die Weiterbildung. Weinheim 2002) und Jürgen Wittpoth (Einführung in die Erwachsenenbildung. Opladen 2003, 22006). Die Erwachsenenbildung erscheint als ein relativ unbestimmter, sich schnell wandelnder Bildungsbereich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Institutionentypen, pädagogischer Konzepte, Praktiken der Aneignung durch die Teilnehmer(innen) und nicht zuletzt auch theoretischer Zugänge. Zugleich aber muss eine Einführung über die bloße Abbildung von Vielfalt und theoretischen Differenzen hinauszugehen, um eine Perspektive zur Rekonstruktion der Vielfalt und der konkurrierenden Theorien zu gewinnen. Dies gilt auch für den vorliegenden Band. Er gliedert sich in drei Bereiche (A: Zugänge; B: Historische Konzepte und aktuelle Theorien; C: Forschungsfelder und Handlungsbereiche), ergänzt durch einen „Ausblick“ auf immer wiederkehrende Paradoxien und Tendenzen. Die vier Bereiche artikulieren sich in 13 Kapiteln von ungefähr gleicher Länge, sodass das Buch von seinem Format her vorzüglich als Grundlektüre für einen einsemestrigen Einführungskurs in der Hochschule geeignet ist.
Teil A wird durch das erste Kapitel („Begriffserläuterungen“) gebildet. In ihm wird der Wandel in der Grundbegrifflichkeit von der „Volksbildung“ über die „Erwachsenenbildung“ und „Weiterbildung“ zum „Lebenslangen Lernen“ nachvollzogen. Es werden die Ansprüche dargestellt, die mit diesen Begriffen verbunden sind, und Einwände referiert. Die Autorin entscheidet sich für den Begriff der Erwachsenenbildung als theoretischen Grundbegriff, weil mit ihm im Gegensatz zum Begriff der Weiterbildung keine „Eingrenzung auf die Vermittlung und Aneignung unmittelbar berufsrelevanten Wissens“ (16) verbunden ist und er nicht, wie der Begriff des Lebenslangen Lernens, Kindheit und Jugend mit umfasst. Erwachsenenbildung bezieht sich „auf das institutionell organisierte und das nicht-organisierte Lehren und Lernen Erwachsener, das berufsbezogene Qualifizierung ebenso wie allgemeine Bildung betrifft.“ (16f.)
Teil B zeichnet wichtige Theoriediskussionen nach; er beginnt mit Kapiteln zu den Zielen und Begründungen von Erwachsenenbildung. Am Anfang steht der aufklärerische Glaube und Appell an die vernünftige Gestaltung der Welt und der damit verbundene Anspruch der „Bildung für alle“. Hier wie auch in anderen Kapiteln zeichnet die Einführung historische Entwicklungen in der Forschung und Bildungspraxis nach, die zu Differenzen führen, die das Fach immer wieder beschäftigen und auf diese Weise weiter entwickelt werden, ohne jeweils ganz zu verschwinden. Die Theoriediskussion erscheint so als eine immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Anspruch der Aufklärung, zu einer vernünftigen Welt sich allgemein bildender Subjekte beizutragen.
Es folgen drei Begründungen für Erwachsenenbildung: Bildung als Anpassung an berufliche, kulturelle und soziale Veränderungen, als Kompensation von Defiziten, wie es der Zielgruppenansatz ausgeführt hat, und als primär ökonomisch begründete Investition in die Zukunft. Die weiteren Kapitel behandeln „deutungsanalytische“ (Symbolischer Interaktionismus und konstruktivistische Ansätze) und „modernisierungstheoretische“ (Theorien der reflexiven Modernisierung, der Wissensgesellschaft und der learning society) Sichten auf Erwachsenenbildung, systemtheoretische Beschreibungen der Erwachsenenbildung im Anschluss an Luhmann sowie diskursanalytische und machttheoretische Analysen in der Folge Foucaults.
Teil C behandelt einzelne Forschungsbereiche und Handlungsfelder: Adressaten und Teilnehmer; Lernen; Wissen und Kompetenzen; Institutionen, Organisationen und Lernorte; Erwachsenenbildung als Beruf. Auch hier erweist sich der Rückbezug auf den Anspruch der Aufklärung als fruchtbarer Fokus. Ob es in Teil B um die Bedeutung von Theorien geht, die wie der Deutungsansatz in der Tradition des symbolischen Interaktionismus stehen (34ff.), um die Diskussion der Theorien der reflexiven Modernisierung (42ff.) oder um Diskursanalysen (60ff.), oder in Teil C um die Forschungen zur Teilnahme an Bildung (71ff.), um Formen des Lernens (88f.), um die Differenz von Bildungs- und Anwendungswissen (96ff.) und um den Umgang mit Nicht-Wissen (102ff.): Immer wieder zeigt es sich, dass die Erwachsenenbildung sich mit der Frage auseinandersetzt, welche Bedeutung Bildung für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung hat. Lernen wird als „selbstreflexiver Vorgang“ (94) gefasst, den es zu unterstützen gilt und dessen Möglichkeiten und Grenzen sowohl theoretisch reflektiert als auch empirisch untersucht werden müssen.
Das Buch liefert einen vorzüglichen Einblick in die vielfältigen Zugänge zur Theorie der Erwachsenenbildung und in die wichtigsten Forschungsbereiche. Es fehlen jedoch Kapitel zu den zentralen Feldern erwachsenenpädagogischen Handelns; insofern täuscht der Titel von Teil C. Kapitel 12 erwähnt als „Kernaufgaben beruflichen Handelns“ das Lehren, die makrodidaktische Planung als klassische Aufgabe hauptberuflicher Mitarbeiter in Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die Beratung sowie neue Aufgaben wie das Projektmanagement, die Bildung von Netzwerken oder die Entwicklung arbeitsplatznaher Qualifizierungen; in die damit zusammenhängenden Forschungsbereiche wird nicht eingeführt.
Das Buch ist in einer gut lesbaren Sprache verfasst und mit hilfreichen Marginalien versehen, die eine Orientierung erleichtern. Obwohl eine Vielzahl von Themen auf knappem Raum behandelt wird, bemüht sich die Autorin weitgehend erfolgreich, auch komplexe Sachverhalte für Anfänger nachvollziehbar zu erläutern. Dennoch wird teilweise ein erziehungswissenschaftliches und sozialwissenschaftliches Grundwissen vorausgesetzt, etwa wenn Begriffe wie der der „realistischen Wende“ (11) oder auch der der Ontologie (18) nicht erklärt werden. Auch werden komplexe Theorien auf sehr kurzem Raum erläutert. Für die Systemtheorie Luhmanns und die erwachsenenpädagogische Rezeption dieser Theorie stehen immerhin noch eine Handvoll Seiten zur Verfügung; für die subjektwissenschaftliche Lerntheorie in der Nachfolge Holzkamps muss dann aber schon weniger als eine Seite reichen. Es sind dann nur noch kondensierte, relativ unanschauliche Zusammenfassungen der wichtigsten Aussagen und Argumente möglich. An manchen Stellen können wohl nur diejenigen mit den entsprechenden Passagen etwas anfangen, welche die referierten Studien kennen (vgl. etwa die Zusammenfassung der Befragungsstudien zum professionellen Handeln, 120). Fachkundigen bietet Nolda eine sehr brauchbare Zusammenfassung der wichtigsten Forschungen.
Jedes Kapitel schließt mit Fragen ab, die man beantworten können sollte, wenn man ein Kapitel gelesen hat. Diese Fragen sind meistens sehr hilfreich. Manchmal aber beziehen sie sich auf nur wenige Aussagen, so etwa wenn es heißt, die Leserin/ der Leser sollte „die wesentlichen Argumente der Kritiker der Systemtheorie“ (59) kennen; diese Argumente wurden im Text in nur vier Sätzen zusammengefasst. Ob die Leser/innen mit der Beantwortung einer solchen Frage auch die Argumente verstanden haben, ist fraglich.
Die ersten drei Teile schließen jeweils mit einer Literaturliste ab, Teil A mit einer guten Zusammenstellung einführender und grundlegender Literatur, Teil B mit einer knappen Liste von nur vier Titeln zur Theoriediskussion, Teil D mit einer etwas längeren Liste zur konkreten Erwachsenenbildungsforschung. Bedenkt man die Länge der Teile (Teil A enthält ein Kapitel, Teil B und C je fünf Kapitel), so fällt das Missverhältnis zwischen der Differenziertheit der Aussagen und des Umfangs der Hinweise auf weiterführende Literatur auf.
Insgesamt handelt es sich um ein sehr brauchbares Buch. Es ist für fachlich informierte Leser ein großer Gewinn, weil es das Fach theoretisch fokussiert und doch in seiner Vielfalt strukturiert. Für das Studium ist es ebenfalls sehr zu empfehlen; nicht vielleicht für das reine Selbststudium – dafür sind die Informationen teilweise zu knapp und unanschaulich –, aber doch als Grundlage für Seminare und Vorlesungen, in denen die einzelnen Kapitel vertieft werden können.
EWR 8 (2009), Nr. 2 (März/April)
Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008
(149 S.; ISBN 978-3-534-17518-5; 14,90 EUR)
Thomas Fuhr (Freiburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Thomas Fuhr: Rezension von: Nolda, Sigrid: Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.03.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978353417518.html
Thomas Fuhr: Rezension von: Nolda, Sigrid: Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.03.2009), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978353417518.html