
Das Buch umfasst drei Themenblöcke. Zunächst wird die strukturelle Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Sozialisationskontext Familie unter Zuhilfenahme aktueller Studien dargelegt. Auf dieser Basis werden verschiedene MigrantInnengruppen mit der Mehrheitsgesellschaft und differenziert nach „geschlechtstypischen“ Aspekten verglichen und daraufhin eine Bestandsaufnahme der schulischen Situation von MigrantInnen vorgenommen. Im letzten Abschnitt sollen Perspektiven für eine geschlechtergerechte interkulturelle Pädagogik angeführt werden, deren Notwendigkeit sich anhand der beschriebenen heterogenen deutschen Gesellschaft und der damit verbundenen Bedarfe begründet.
Die Autorinnen weisen zu Beginn auf Forschungslücken in verschiedenen Bereichen hin und üben Kritik an populärwissenschaftlichen Interpretationen von Forschungsergebnissen, z.B. an der verkürzten Wiedergabe von Kontexten, in denen MigrantInnen verstärkt mit Gewaltdelikten oder als zu passiv im Verlauf der Integration charakterisiert werden. Dem setzen sie eine große Variabilität und Bandbreite dynamischer MigrantInnenidentitäten entgegen und zeigen, dass MigrantInnen bereits durch den Migrationsprozess selbst aktiv an der Gestaltung neuer sozialer Räume arbeiten. Im Prozess der Migration komme es aber auch auf die Akkulturationsleistung der Mehrheitsgesellschaft, in die immigriert wird, an. Denn – so wird deutlich – die Ausgestaltung der Integration hängt von dem Aufwand ab, den das Einwanderungsland zu diesem Zweck betreibt. Die Autorinnen gehen kritisch auf die in den Medien und Teilen der feministischen Bewegung anzutreffende Tendenz, die MigrantInnen mit einer „Kultur“ in Verbindung zu bringen, die sowohl „fremd“ als auch „traditionell“ und somit „rückständig“ sei, ein. Sie stünde im Gegensatz zur „westlichen Modernität“ und müsse einen „Kulturkonflikt“ unter den MigrantInnen auslösen.
Hier und auch an anderer Stelle zeigen die Autorinnen Problembewusstsein im Zusammenhang mit dem Kulturbegriff. Dennoch schaffen sie es nicht, der unsachgemäßen Verallgemeinerung von Alltagspraxen und Weltanschauungen, sowie den darin enthaltenen angenommenen geschlechtsspezifischen Verhaltensregeln oder auch religiösen Spezifika auf den Grund zu gehen. Sie operieren selbst, wenn auch differenzierter als anderswo, besonders im ersten Teil des Buches mit diesem Begriff und rechtfertigen dies mit dem speziellen Kniff der Vergleiche unterschiedlicher MigrantInnengruppen (z.B. in Bezug auf Herkunftsland und Einreisealter) und mit Einheimischen, die eine große Vielschichtigkeit der Gruppen zu Tage bringen. Differenziert zeigen die Autorinnen, dass viele Migrantinnen „eine nicht mit westlichen Kriterien von Emanzipation zu beschreibende Modernität leben“ (58). Dies hat zur Folge, dass die polare Sicht einer westlichen emanzipierten Frau der Aufnahmegesellschaft auf der einen Seite und einer in patriarchalischen Familienstrukturen lebenden unterdrückten Migrantenfrau auf der anderen korrigiert werden muss. Unter anderem wird später der Intersektionalitätsansatz dazu genutzt, das Zusammenwirken verschiedener sozialer Dimensionen, wie Geschlecht, Herkunft und Schicht, zu betrachten. Sehr kurz wird das Thema Adoleszenzbewältigung unter teilweise erschwerenden Bedingungen im Falle von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung angesprochen. Auch hier zeigt sich, dass Forschungsbedarf besteht.
Im zweiten Abschnitt wird ein Überblick über die Forschungsergebnisse im Hinblick auf MigrantInnen im Sozialisationskontext Schule in Deutschland gegeben. Zunächst kommen die Autorinnen zu dem nicht überraschenden Ergebnis, dass MigrantInnen im Schulsystem benachteiligt sind, was daran zu erkennen ist, dass sie kontinuierlich schlechter abschneiden, als ihre Altersgenossen aus dem Aufnahmeland. Wird hingegen nach Herkunftsregion oder Geschlecht der MigrantInnen differenziert, ergeben sich nochmals einige Unterschiede. Es werden zwar in diesem Kontext wichtige Begründungszusammenhänge auch aus der Geschlechterforschung (z.B. Bettina Hannovers Analysen zur „Entwicklung der Geschlechtsidentität“ (94) im Rahmen des LBS-Kinderbarometers) erwähnt, jedoch nicht weiter vertieft, da sie nicht „migrationsbezogen“ differenzierten. Solch ein Blickwinkel wäre für die geschlechterperspektivische Betrachtung im letzten Kapitel aber durchaus gewinnbringend gewesen. An gleicher Stelle kommt ein anderes grundlegendes Problem zum Tragen, das wie bei dem Begriff „Kultur“ zwar in seiner Kritikwürdigkeit anklingt, zu dem jedoch keine klare Linie zu erkennen ist. Es handelt sich um die getrennte Betrachtung der Geschlechter. Auch hier deutet sich ein häufig diskutiertes Dilemma an: Können Forschende das Phänomen der Zweigeschlechtlichkeit übernehmen ohne zugleich Gefahr zu laufen am Prozess der Fortschreibung von Geschlechterpolaritäten beteiligt zu sein? Sie können, wie die Autorinnen in diesem Abschnitt zeigen, indem sie im Sinne Hagemann-Whites „doppelt hinschauen“ und zunächst die Perspektive auf die Praxis der Zweigeschlechtlichkeit beibehalten, um anschließend die Ergebnisse nicht als Selbstverständlichkeiten hinzunehmen, sondern differenzierende Erklärungsmodelle hinzuzuziehen. Im Buch wird z.B. auf den Erklärungsansatz des „Stereotype Threat“ hingewiesen, der in Schule und Unterricht ablaufende soziale und psychologische Prozesse, die auf Erfolge und Misslingen im schulischen Bereich Einfluss nehmen in den Blick nimmt und Effekte institutioneller Diskriminierung (etwa im Zuge von Alltagsannahmen) erklären kann.
Im letzten Kapitel geht es schließlich um geschlechtergerechte bzw. geschlechterbewusste und interkulturelle Pädagogik, wobei der Begriff „geschlechterbewusst“ überraschenderweise als problembehaftet gekennzeichnet wird und im weiteren Verlauf des Buches nur noch mit dem Ausdruck „geschlechtergerecht“ operiert wird. Hier wird sich also nicht nur – wie in bereits zuvor erschienenen Werken – mit Migration und Schule beschäftigt, sondern es werden auch andere Dimensionen der sozialen Ungleichheitskategorien und speziell das Geschlecht in den Blick genommen. Die Autorinnen erwähnen dabei, dass eine Beschäftigung mit den Unterschieden zwischen Frauen unter der Berücksichtigung von verschiedenen Kategorien wie z.B. Ethnie/„Race“, Behinderung oder Alter generell nicht neu ist und nicht erst seit dem „Modern-Werden“ des Intersektionalitätsansatzes Berücksichtigung findet. Es wird ein Überblick über die neuere Geschlechterforschung gegeben, indem grundlegende Theorien von Männlichkeit (Connell) und Weiblichkeit (u.a. Weber) sowie der Konzepte „Doing Gender“ und „Doing Difference“ diskutiert werden. Daran anschließend erhält die Leserin bzw. der Leser einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte der interkulturellen Pädagogik in Deutschland. Darauf folgt eine Zusammenführung der Erkenntnisse aus neuerer Geschlechtergeschichte und interkultureller Pädagogik. Allerdings bleibt es häufig bei einer abwechselnden Betrachtung der Themenkomplexe ohne dass sie wesentlich miteinander in Beziehung gesetzt werden.
Auf die Chancen und Vorteile von heterogenen Kontexten – auch für die Menschen ohne Migrationshintergrund, die in einer heterogenen Gesellschaft leben – wird kaum eingegangen. Lediglich im Fazit sprechen die Autorinnen von Kindern und Jugendlichen aus MigrantInnenfamilien, die über die interkulturelle Kompetenz verfügen „an der es der pädagogischen Professionalität oft mangelt“ (238). Wenn aber 30% aller Heranwachsenden in Einwandererfamilien aufwachsen, ist dies eine beunruhigende Aussage über pädagogische Einrichtungen, die zeigt, wie bedeutsam eine geschlechtergerechte interkulturelle Pädagogik ist. Angesichts dieses hohen Anteils könnte man auch die Erkenntnis ableiten, dass sämtliche gesellschaftlichen Bereiche mit heterogenen Sozialisationskontexten in Berührung kommen und alle sozialen Felder Heterogenität und Individualität aufweisen. Darum ist eine geschlechtergerechte, interkulturelle pädagogische Ausrichtung nicht nur, wie der Buchtitel suggerieren könnte, bei der Arbeit auf bestimmtem Terrain bedeutsam, sondern müsste, wie im Buch angemerkt, jenseits des Aufwachsens auf alle pädagogischen Bereiche ausgeweitet werden.