
In der Einleitung entwickelt die Verfasserin dieses Problemverständnis, referiert ausführlich den Forschungsstand, erläutert ihre Methode und stellt die Gliederung ihrer Arbeit vor. Insbesondere ihre aus der Sicht der Schul- und Bildungsgeschichte vorgetragene Kritik am Konfessionalisierungsparadigma (13f) überzeugt und ist ein schönes Beispiel, wie konkrete einzelwissenschaftliche Forschung unzulässige Verallgemeinerungen zu relativieren vermag.
Im ersten Teil, der den Titel „Die drei ‚Potenzen’ in Schlesien 1520-1630“ trägt, stellt die Verfasserin die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im nachreformatorischen Schlesien dar und greift dabei eine Begriffsprägung von Jacob Burckhardt auf. Mit den drei Potenzen bezeichnet dieser den Staat, die Religion und die Kultur als die drei wesentlichen, eine Gesellschaft prägenden Merkmale. Diese Einteilung von Burckhardt ist für die vorliegende Arbeit wichtig und gestattet es der Verfasserin, ihr das Schulwesen in den gesellschaftlichen Kontext einbettendes Verständnis darzustellen. Es fehlt allerdings eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Einteilung. An dieser Stelle hätte man sich ein einführendes Kapitel gewünscht, das diese Einteilung (für deren Berechtigung ja viel spricht und die geeignet ist, einen solchen Teilbereich wie das Bildungswesen in seiner Bedingtheit von den Aspekten der Gesellschaft zu verstehen) auch theoretisch begründet und damit für weitere Arbeiten eine Grundlage legen könnte. Da dies nicht geschieht, fungieren die drei Potenzen eher als eine begriffliche Klammer und nicht als ein den Gegenstandsbereich systematisch begründendes theoretisches Instrumentarium.
In den beiden folgenden Kapiteln (Städtische Bildungsinitiativen. Theologen im Dienste der res publica und „Aristokratische“ Schulen. Elitebildung an den schlesischen Gymnasien) wird mit historischer Tiefenschärfe und enormer Quellenkenntnis der konkrete Ablauf der Prozesse dargestellt. So wird zum einen die historische Entwicklung einzelner Schulen nachgezeichnet und zum anderen auch in Form kleiner Biographien das Leben bedeutender Pädagogen geschildert. So gelingt der Autorin z.B. eine eindrucksvolle Darstellung von Leben und Werk des Goldberger Gymnasialrektors Valentin Trozendorf. Der Einfluss von Philipp Melanchthon auf das schlesische Schulwesen wird anhand des Briefwechsels zwischen diesen beiden Gelehrten überzeugend nachgewiesen.
Im fünften Kapitel über die „Bildung eines schlesischen Landesbewusstseins“ werden dem Ansatz eines integrativen Verständnisses folgend die Einflüsse des Bildungswesens auf das staatliche und kirchliche Leben dargestellt. Indem das Weiterwirken und Einflussnehmen der ehemaligen Schüler in wichtigen Positionen von Staat und Kirche nachgezeichnet werden, wird das komplizierte Wechselspiel der Konfessionen im Rahmen der Institutionen eindrucksvoll nachgezeichnet. Deutlich wird die starke moralische Fundierung des Schulwesens, die sich klar am Nutzen für das Gemeinwohl orientierte.
In einem Fazit in deutscher und polnischer Sprache wendet sich die Verfasserin abschließend an Bildungsforscher aus beiden Ländern und betont damit, dass die Erforschung der Kulturgeschichte Schlesiens ein Anliegen für Wissenschaftler aus Polen und Deutschland sein sollte.
Resümierend kann festgestellt werden, dass es der Verfasserin gelingt, auf umfassender Quellenbasis, die sich zudem auf die Auswertung bisher nicht berücksichtigter Archivalien aus schlesischen Archiven stützt, detaillierte Studien zu liefern. Überzeugend kann sie ihre These von der Interdependenz schulischer, kirchlicher und staatlicher Institutionen darlegen, die sich alle am Wohl des Gemeinwesens orientieren. „Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und darauf aufbauend der Dienst an der mit res publica oder patria umschriebenen Allgemeinheit galten als die höchsten Werte, die an den Schulen vermittelt wurden und die herausragende Vertreter des zeitgenössischen Geisteslebens erfolgreich in die Praxis umsetzten“ (307). Diese Studien werden jedoch durch Bezugnahme auf die Begriffe der drei Potenzen nicht in einen systematisch überzeugenden Zusammenhang gestellt. Würde es gelingen, diese auf Burckhardt zurückgehende Drei-Potenzen-Lehre als eine kohärente Theorie zu begründen, dann hätte man ein Modell geschaffen, das für weitere historische Untersuchungen des Bildungswesens gewiss fruchtbar wäre.