EWR 10 (2011), Nr. 2 (MĂ€rz/April)

Eberhard Jung
Kompetenzerwerb
Grundlagen, Didaktik, ÜberprĂŒfbarkeit
MĂŒnchen: Oldenbourg Verlag 2010
(238 S.; ISBN 978-3-486-59073-9; 24,80 EUR)
Kompetenzerwerb Der Titel des Buches „Kompetenzerwerb – Grundlagen, Didaktik, ÜberprĂŒfbarkeit“ von Eberhard Jung spiegelt die drei inhaltlichen Pfade dieser Publikation wider. Der Leser darf sich auf eine ZusammenfĂŒhrung der Themen Kompetenz, Kompetenzentwicklung (1. Pfad), Aneignungsprozesse von Kompetenz (2. Pfad) sowie Kompetenzdiagnostik (3. Pfad) freuen. Jung erhebt hierbei den Anspruch, beispielsweise bekannte berufspĂ€dagogische Kompetenzkonstrukte (64) zu ergĂ€nzen bzw. zu erweitern, indem er den Kompetenzerwerb aus der Perspektive der didaktischen UnterstĂŒtzung und diagnostischen Einordnung umfassend herleitet, analysiert und beschreibt.

Er bleibt jedoch keinesfalls bei seiner Fachheimat Wirtschaftswissenschaft und Didaktik der ökonomischen Bildung stehen, anderen Disziplinen wird bei der Darstellung des Kompetenzerwerbs ebenso begegnet. Auf diese Weise wird unter anderem die Bedeutung domĂ€nenĂŒbergreifender Vergleiche deskriptiver Kompetenzebenen aufgezeigt, die zur Reduktion von KomplexitĂ€t der Kompetenzmodelle (109) dienlich sein kann. Eine weitestgehend interdisziplinĂ€re Perspektive taucht immer wieder im Buch auf und macht dieses Werk auch fĂŒr Vertreter anderer Fachdidaktiken interessant.

Kompetenz ist schließlich ein Modethema, dass in allen FĂ€chern gleichermaßen Beachtung findet. Jung spricht daher bei Kompetenzen von gattungsspezifischen Alleinstellungsmerkmalen (V) und betrachtet in diesem Sinne seine Publikation als Grundlagenwerk, dass fĂŒr unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen genutzt werden kann (VI).

Das Buch richtet sich hierbei an „Lehramtsstudierende und Lehrende auf allen Stufen des Bildungssystems sowie alle, die sich vertieft mit dem Begriff der Kompetenz und deren Erwerb als pĂ€dagogischen Leitbegriff beschĂ€ftigen.“ (Klappentext) Durch die kontinuierlich gut verstĂ€ndliche und geordnete Struktur des Werkes, kann es fĂŒr den Einsatz als Lehrbuch im Studium durchaus empfohlen werden. Zahlreiche, den Text auflockernde und auch wiedergebende Abbildungen sowie grau hinterlegte Textzusammenfassungen tragen zur einfachen Handhabung des Inhalts und dessen VerstĂ€ndlichkeit bei. Das Buch wird durch einen Index abgerundet.

Der Inhalt lĂ€sst sich, wie bereits oben erwĂ€hnt, in die drei Bereiche Grundlagen, Didaktik und ÜberprĂŒfbarkeit einteilen. Diese beschreitet Jung hintereinander im Rahmen der dieses Buch einteilenden 10 Kapitel. Die einzelnen Kapitel sind zudem als eigenstĂ€ndige Teile verfasst (6), die folgende Fragestellungen beantworten sollen: „Was ist Kompetenz? Welche Bedeutung besitzt der Kompetenzerwerb in der heutigen Zeit? Auf welche Weise werden Kompetenzen erworben? Welchen Anforderungen hat eine Kompetenzdidaktik zu entsprechen? Gibt es Lehr-Lernarrangements, die sich fĂŒr den Kompetenzerwerb in besonderer Weise eignen? Wie lĂ€sst sich Kompetenzerwerb ĂŒberprĂŒfen?“ (6).

Nach einer das Buch beschreibenden Einleitung, beschÀftigt sich Jung in Kapitel 2 mit allgemeinen kompetenztheoretischen Grundlagen. Hier gelingt es ihm anschaulich, den Begriff aus einer allgemein wissenschaftlichen Perspektive zu reflektieren und durch anschauliche Abbildungen auf die wesentlichen, das Kapitel prÀgenden Inhalte zu reduzieren.

Das Kapitel 3 wird durch eine Diskussion zu dem Begriffspaar Wissens- versus Kompetenzgesellschaft eingeleitet (37). So meint Jung, dass wir uns in einer Kompetenzgesellschaft befinden, die die alltÀglichen facettenreichen Herausforderungen zu bewÀltigen hat und Wissen die Grundlage ist, diesen Herausforderungen stand zu halten.

Hierauf aufbauend diskutiert Jung im Kapitel 4 den Kompetenzbegriff in der pĂ€dagogischen Theoriebildung. Besonders hervorzuheben ist hier die Vorstellung des aktuellen Diskurses zur pĂ€dagogischen Theoriebildung. Bezug wird hierbei vor allem auf die Kompetenzentwicklung im Rahmen der Diskussion der beruflichen Handlungskompetenz genommen. Der Leser erhĂ€lt hier eine Übersicht ĂŒber berufs- und wirtschaftspĂ€dagogischen AnsĂ€tze von Achtenhagen/Baethge, Edelmann/Tippelt sowie Rauner.

In Kapitel 5 werden partielle Kompetenzkonzepte reflektiert. Sie beschreiben eine Gruppe von Herausforderungen, die von Jung als „SonderdomĂ€ne“ bezeichnet werden. Die innewohnende besondere Zielsetzung ordnet die Ganzheitlichkeit von Kompetenzerwerbsprozessen unter (84). Die hieraus folgende Kritik ist charakteristisch fĂŒr die Reflexion der Kompetenzforschung in diesem Werk. Jung weist auf die Notwendigkeit hin, dass trotz der Disziplinvielfalt bzw. der unterschiedlichen spezifischen TeildomĂ€nen eine einheitliche „Kompetenzgrammatik“ entwickelt werden sollte, die von allen Fachrichtungen gleichartig verstanden und genutzt wird.

Der erste Pfad des Buches, der sich mit Kompetenz und Kompetenzentwicklung beschĂ€ftigt, wird dann mit einer Diskussion in Kapitel 6 zur Klieme-Expertise abgeschlossen. Jung rundet dieses Kapitel mit einem eigenen zweidimensionalen Kompetenzmodell, kombiniert mit vier Niveaustufen (zur KomplexitĂ€tsreduktion) fĂŒr ökonomische geprĂ€gte Lebenssituationen, ab und lĂ€sst dieses auch auf der deskriptiven Ebene offen fĂŒr andere Fachdisziplinen.

Die Kapitel 7, 8 und 9 beschreiten dann den didaktischen Pfad des Buches. Im Zentrum stehen jeweils die Artikulation des Kompetenzerwerbs, Kompetenzmodelle ausgewĂ€hlter fachdidaktischer Disziplinen und didaktisch-methodische Aspekte des Kompetenzerwerbs. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenstellung der Kompetenzmodelle der der ökonomischen Disziplin im weitesten Sinne benachbarten DomĂ€nen der politischen Bildung, der Geographie und des Lernbereichs Beruf-Haushalt-Technik-Wirtschaft. An allen Modellen kritisiert Jung, dass empirisch-diagnostische Ziele fehlen (139). Um diesem Gebiet jedoch in seinem Werk Rechnung zu tragen, schließt Jung in seinem letzten Kapitel genau hier an.

Die ÜberprĂŒfbarkeit des Kompetenzerwerbs als didaktisch-methodischer Aneignungsprozess wird hier vorgestellt. Die Kompetenzdiagnostik im Sinne des durch die Klieme-Expertise initiierten pĂ€dagogisch-didaktischen Modernisierungsprozesses genießt hier höchste AktualitĂ€t (183). Am Beispiel der Arbeits- und Berufsfindungsprozesse fĂŒhrt Jung diese Kompetenzdiagnostik praktisch und fĂŒr den Leser anschaulich durch. Einer Vignette Ă€hnlich kann die abstrakte theoretische Kompetenzdiagnostik auf lebensweltliche Situationen bezogen reduziert und leicht verstĂ€ndlich betrachtet werden. Mit diesem Beispiel schließt das Buch ab und rundet die drei beschrittenen Pfade ab.

Es kann resĂŒmiert werden, dass das Buch von Eberhard Jung einen wesentlichen Beitrag zum Thema Kompetenz leistet. Gerade auch die DomĂ€ne der ökonomischen Bildung, in der Jung beheimatet ist, kann von der umfassenden Betrachtung des Kompetenzerwerbs profitieren.
Ilona Ebbers (Siegen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Ilona Ebbers: Rezension von: Jung, Eberhard: Kompetenzerwerb, Grundlagen, Didaktik, ÜberprĂŒfbarkeit. MĂŒnchen: Oldenbourg Verlag 2010. In: EWR 10 (2011), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.04.2011), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978348659073.html