Die Notwendigkeit, Schule und Unterricht zukünftig inklusiv(er) zu gestalten, scheint in den aktuellen erziehungswissenschaftlichen, vor allem der schul- und der sonderpädagogischen Diskussionen eine unhinterfragte Prämisse zu sein; wenngleich eine Vielzahl von Unklarheiten und Unschärfe die fachwissenschaftliche Debatte charakterisieren. Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass die UN-Behindertenrechtskonvention, die vielfach als (bildungspolitische) Begründung für entsprechende Reformen und Erwartungen der Inklusion im Schul- und Bildungssystem herangezogen wird, offenlässt, wie Inklusion – und daran anknüpfend inklusive Pädagogik, inklusive Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie inklusive Bildung und Erziehung – genau zu verstehen ist bzw. definiert wird. Dieses Desiderat wird von den Herausgeber_innen der drei Bände einhellig als problematisch erachtet, da sowohl für die praktische Umsetzung als auch für die wissenschaftlich-analytische Auseinandersetzung ein klar definierter normativer Bezug fehlen. Ein solcher erscheint notwendig, um die aktuellen Praxen und Strukturen beurteilen und darauf aufbauend entwickeln zu können. Diese Offenheit der UN-Behindertenrechtskonvention erschwert, so der Einwand vieler Beiträge, die in den drei hier vorzustellenden und zu vergleichenden Sammelbänden publiziert sind, die Gestaltung einer inklusiven Schule und eines entsprechenden Unterrichts.
Dieses Desiderat, dies zieht sich wie ein roter Faden durch die drei Herausgeberbände, wiegt umso schwerer, wenn es um Fragen der Umsetzung von Inklusion in der Sekundarstufe geht. Diese Schulstufe zeichnet sich im deutschsprachigen Raum durch eine selektive bzw. segregierende – oder exklusive – Grundstruktur aus. Anders als in der Grundschule, die neben einem „regulären Bildungsgang“ unterschiedliche Formen des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs kennt, werden ab der Sekundarstufe mehrere Bildungsgänge unterschieden, die in einem hierarchischen Verhältnis zueinanderstehen, sich durch verschiedene Leistungserwartungen an ihre Schülerschaft auszeichnen und je eigene Bildungszertifikate vergeben. Wenngleich eine Vielzahl der deutschen Bundesländer die Anzahl der Schultypen in den vergangenen 10 Jahren reduziert hat, indem zumeist Haupt- und die Realschulen zusammengefasst und als neue Schulform neben dem Gymnasium und Sonderschulen etabliert wurden, bleibt die Anzahl der Bildungsgänge vielfach; und damit die selektive und zugleich exklusive Grundstruktur des deutschen Schulsystems erhalten – vergleichbares gilt für Österreich.
Diese Grundstruktur, so der Tenor der Beiträge in den drei Werken, verbunden mit dem Fachlehrer_innenprinzip, führt zu einer spezifischen bzw. widersprüchlichen Situation der Gestaltung eines inklusiven Unterrichts bzw. einer inklusiven Schule. Die drei Bände wenden sich mit unterschiedlichen Ansprüchen, Zielsetzungen und Perspektiven diesem Desiderat zu, das vor allem die deutschsprachige Diskussion um Inklusion im Kontext von Schule und Unterricht kennzeichnet. Während die zwei Bände „Inklusion im Sekundarbereich“ (Kiel) und „Inklusive Pädagogik in der Sekundarstufe“ (Biewer, Böhm, Schütz) den Forschungs- und Diskussionsstand des deutschsprachigen Raums sowie des europäischen und / oder angloamerikanischen Raums darlegen, fokussieren Riegert und Musenberg die Herausforderung der Gestaltung von inklusivem Fachunterricht; dabei ist es ihnen gelungen, eine Vielzahl von Fachdidaktiker_innen, Lehrpersonen und Inklusionspädagog_innen zu gewinnen, die die Möglichkeiten und Herausforderungen eines inklusiven Fachunterrichts entlang der verschiedenen Schulfächer darlegen und exemplarisch Möglichkeiten darstellen.
Der Herausgeberband „Inklusive Pädagogik in der Sekundarstufe“ von Gottfried Biewer, Eva Theresa Böhm und Sandra Schütz wurde in Anlehnung an eine an der Universität Wien durchgeführte Ringvorlesung zum gleichnamigen Themenfeld konzipiert und gliedert sich in drei Themenbereiche: „Bildungspolitische und wissenschaftliche Herausforderungen“, „Neue Aufgaben für Bildung und Erziehung“ und „Die Rolle der Lehrkraft im Wandel“. Der Band zeichnet sich durch Beiträge aus dem deutsch- sowie dem englischsprachigen Raum aus, wobei letztere in deutscher Sprache verfasst sind.
In einem als einführenden Beitrag zu verstehenden ersten Abschnitt legen die Herausgeber_innen die Herausforderungen einer inklusiven Pädagogik sowie ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung dar. Letztere sehen sie wesentlich in einer unklaren Begriffsbestimmung bzw. fehlenden Definition, die eine Bestimmung des Status quo im nationalen und internationalen Vergleich erschwert. Dieses Desiderat zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge und wird in seiner Bedeutung diskutiert. So hebt Ilektra Spandagou in ihrem Beitrag „Inklusive Pädagogik als Herausforderung für Policy und Praxis – internationale und vergleichende Aspekte“ hervor, dass fehlende Definitionen es unter anderem erschweren, die Bildungsbeteiligung, die bestehende und neu gestaltete schulische Strukturen und Rahmenbedingungen eröffnet, zu evaluieren, vor allem dort, wo Inklusion in Konkurrenz zu weiteren Forderungen an Schule und Unterricht steht. Paty Paliostosta und Michelle Proyer zeichnen in ihrem Beitrag aktuelle Entwicklungen aus England nach. Anhand der Kategorie „Behavioural, Emotional and Social Difficulties“ zeigen sie exemplarisch auf, wie individualisierende Verständnisse von Behinderung vorgenommen und als Legitimation für den Ausbau von Sonderangeboten herangezogen werden und in Verbindung mit Ökonomisierungsprozessen neue Formen der Exklusion hervorbringen. Einen kritischen Blick auf die italienische Inklusionspraxis in der Sekundarstufe werfen Dario Ianes und Heidrun Demo. Neben einem Überblick zum Stand der Inklusion auf struktureller und praktischer Ebene der Schulen sowie einer Skizze der positiven Ergebnisse langjähriger Inklusionserfahrungen heben sie kritische Aspekte hervor. Diese stehen wesentlich im Zusammenhang mit dem „Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma“ [1], das mit einer im medizinischen Modell verankerten Diagnostik bearbeitet wird. Dies führt dazu, so die Autor_innen, dass Lehrpersonen vielfach nur dann differenzierte Angebote bereitstellen, wenn eine entsprechende Diagnose vorliegt, nicht aber den Unterricht insgesamt auf heterogene Lernausgangslagen umgestalten. Im zweiten Teil des Bands, „Neue Aufgaben für Bildung und Erziehung“, werden mit Fokus auf je unterschiedliche Formen der Beeinträchtigung – sozial-emotionale Entwicklung, Hören und Kommunikation sowie intellektuelle Beeinträchtigung und Autismus – in Form von Erfahrungsberichten und Literaturübersichten (erfolgreiche) Beispiele der Gestaltung eines inklusiven Unterrichts sowie dessen Herausforderungen dargelegt. Die Beiträge im abschließenden Abschnitt „Die Rolle der Lehrkräfte im Wandel“ stellen theoretische wie exemplarische Ausführungen jener Herausforderungen dar, die sich einer inklusiven Pädagogik in der Sekundarstufe stellen. Dabei nehmen die Widersprüche, die das Anliegen auszeichnen eine zentrale Rolle ein. Der Beitrag von Elizabeth B. Kozleski und Molly Baustien Siuty hebt die politische Bedeutung des Lehrer_innenhandelns hervor und formuliert ein Angebot, die herrschenden Normen und Kulturen, die ihm zugrunde liegen zu reflektieren. Ewald Kiel und Sabine Weiß kritisieren den bildungspolitischen Prozess der Umsetzung von Inklusion selbst und argumentieren, dass dieser dazu beiträgt, dass Lehrpersonen die Idee der Inklusion skeptisch betrachten. Insgesamt bietet der Band einen Ein- und Überblick der Herausforderungen einer inklusiven Pädagogik in der Sekundarstufe sowie wissenschaftlicher Herangehensweisen und Fokussierungen der systematischen Annäherung an diese.
Ewald Kiel kritisiert in der Einleitung des Bands „Inklusion in der Sekundarstufe“, dass die Forderung nach Inklusion mit einem „Zusammenbruch der bisher geltenden Wertsysteme, die durch Leistungsorientierung und Homogenisierung gekennzeichnet sind“ (13) einhergeht, ohne dass bisher ein tragfähiges neues, inklusives, Wertesystem entwickelt oder etabliert wurde. Dieses Desiderat sowie die vielfach „programmatische Literatur“, die Inklusion „auf [das] gute[n] Wissen“ (13) und Anstrengungsbereitschaft reduziert, wird in den fünf Beiträgen des Bandes aufgegriffen: Sabine Weiß geht der Frage nach, „Was bedeutet Inklusion für das Anforderungsspektrum von Lehrerinnen und Lehrern in der Sekundarstufe?“. Ihre Ausführungen basieren auf einer empirischen Studie, in der Lehrpersonen unterschiedlicher Schulstufen- und Schulformen in Gruppendiskussionen, die inhaltsanalytisch ausgewertet wurden, befragt wurden, welche Kompetenzen sie für die Arbeit als Lehrperson für wichtig erachten. Weiß kann aufzeigen, dass Lehrpersonen personale, soziale und fachliche Kompetenzen je nach schulischem Bildungsgang, in dem sie tätig sind, unterschiedlich werten und gewichten. In dem Beitrag „Gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf – ein empirischer Überblick“ gibt Markus Gebhardt einen Einblick in ausgewählte deutsch- und englischsprachige Forschungsergebnisse, die er in ihrer Bedeutung für den deutschsprachigen Bildungsraum erläutert. Der Aufsatz von Rolf Werning und Ann-Kathrin Arndt widmet sich der „Unterrichtsgestaltung und Inklusion“. Entlang von drei Thesen stellen sie empirische Ergebnisse und theoretische Konzepte für eine inklusive Unterrichtsgestaltung dar. Sie resümieren unter anderem, dass der strukturelle Rahmen der Leistungsorientierung Formen der Individualisierung und der inneren Differenzierung in der Sekundarstufe erschwert ebenso wie der Grad der Abstraktheit der unterrichtlichen Inhalte und die hohe Relevanz von Fachbegriffen; vor allem ab der 7. Klassenstufe. Barbara Koch und Annette Textor widmen sich dem Themenfeld der inklusiven Schulentwicklung. Eine Kernaussage ihres Beitrags ist, dass inklusive Schulentwicklung in dem segregierenden System durch die Strukturen selbst begrenzt wird. Sie unterscheiden Schulentwicklung auf der Ebene des Schulsystems und der Einzelschule. „Professionalisierung für Inklusion – Impulse für die Lehrer/-innenbildung der Sekundarstufe“ ist der Titel des Beitrags von Bettina Amrhein. Die Autorin kritisiert, dass die Lehrer_innenbildung wesentlich an der selektiven Schulstruktur ausgerichtet ist. Wenngleich die Aufsätze für sich genommen einen Einblick in die aktuellen Diskussionen zur Inklusion in der Sekundarstufe 1 geben und verschiedene Facetten beleuchten, so bleibt offen, ob und inwiefern sie einen Beitrag zur Entwicklung eines neuen Wertesystems, wie in der Einleitung gefordert, leisten können und worin dieser liegen könnte.
Der mit knapp 500 Seiten umfangreichste der drei Bände „Inklusiver Fachunterricht in der Sekundarstufe“ von Judith Riegert und Oliver Musenberg widmet sich explizit fachlichen und didaktischen Fragen einer inklusiven Unterrichtsgestaltung der Sekundarstufe. Selbstkritisch heben die Herausgeber_innen im Rahmen eines einführenden Beitrags hervor, dass sie den Fokus der Ausführungen auf zieldifferenten Unterricht legen, der vor allem mit den Förderschwerpunkten Lernen und Geistige Entwicklung in Relation zu den weiteren Bildungsgängen der Sekundarstufe vorliegt. Zieldifferentes Unterrichten erfordert eine Betrachtung von Vermittlung, Curriculum, Inhalten und Lernzielen, so das Autor_innenteam. Ein weiteres Ziel des Bandes sehen sie in einem Bruch mit programmatischen Verkürzungen und normativen Aufladungen der Diskussion zur inklusiven Schule und zum inklusiven Unterricht. Dabei heben sie hervor, dass allein Verweise auf reformpädagogische Prinzipien und konstruktivistische Ansätze nicht ausreichen, um Fragen eines inklusiven Fachunterrichts zu klären. Vielmehr plädieren sie für die vermehrte Betrachtung der „Vermittlung zwischen Sache und Subjekt“ (16) der fachdidaktischen Diskussion. Sie skizzieren die inklusionsdidaktischen Ansätze von Feuser [2; 3] und Seitz [4], denen gemeinsam ist, dass sie den Unterrichtsgegenstand als einen gemeinsamen verstehen. Vor diesem Hintergrund wird die Frage aufgeworfen, ob und inwiefern diese mit fachdidaktischen Ansprüchen und Konzepten der schulischen Unterrichtsfächer zu verknüpfen sind. Die Perspektive eines inklusiven Fachunterrichts sehen die Herausgeber_innen in einem Zusammenspiel von Sonderpädagogik und Fachdidaktik respektive in der Verbindung von Fachlichkeit mit subjektiver Sinnhaftigkeit. Sie heben hervor, dass beide Perspektiven notwendig sind und in der zu führenden Diskussion erhalten und miteinander verknüpft werden sollten. Nach einem weiteren einführenden Beitrag von Vera Moser und Stefan Kipf, mit dem Titel „Inklusion und Lehrerbildung – Forschungsdesiderata“, werden Fragen der Inklusion entlang unterschiedlicher Schulfächer dargelegt. So wird der Abschnitt zu „Politik und Sozialkunde“ durch einen einführenden theoretischen Beitrag von Peter Massig eingeleitet, der ein Modell der Kompetenzorientierung im Politikunterricht vorstellt. Dieser Einführung folgen zwei Beiträge, in denen politische Bildung am Beispiel des Themas Menschenrechte anhand eines außerschulischen Lernorts sowie einer exemplarischen Unterrichtsstunde illustriert wird. Während der Praxisbeitrag von Uta George vor allem die Relevanz und Bedeutung des Themas für Menschen mit Lernschwierigkeiten herausstellt, wird im zweiten Beispiel von Anna-Maria Plehn auf differente Lernvoraussetzungen und deren Verbindung im Unterricht eingegangen. Fokussiert wird dabei zweierlei: Unterricht, in dem alle Schüler_innen an einem Thema arbeiten und Möglichkeiten, die der Unterrichtsgegenstand je nach Lernzugang eröffnet. Dabei bleibt offen, wie die unterschiedlichen Perspektiven und Lernwege im Unterricht aufeinander bezogen werden und miteinander geteilt werden können. Einen Bezug zum dargestellten Modell eines kompetenzorientierten Politikunterrichts und weitere Bezüge werden zwischen den Teilen dieses Kapitels nicht hergestellt. Die Aufsätze zum Unterrichtsfach Englisch unterscheiden sich durch drei Perspektiven: neben einer fachdidaktischen (Monika Floyd) und einer sonderpädagogischen (Andreas Köpfer) werden konkrete Überlegungen für die Bearbeitung des Unterrichtsthemas „London“ vorgestellt; dabei deuten sich bei allen drei Autor_innen Verbindungen zwischen fachdidaktischen und (sonder-)pädagogischen Perspektiven auf den Gegenstand an: So werden Differenzierung und Individualisierung als auch der Erwerb fachlicher Kompetenzen als zentrale Anliegen der Fach- sowie der (sonder-)pädagogischen Perspektive dargelegt. In dem dezidierten Unterrichtsbeispiel von Rumjana Bokowsky wird die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld London anhand von Fußballvereinen unter anderem entlang ihrer Symbole dargelegt, mit denen sich die Schüler_innen auseinandersetzen können. Diese exemplarischen Betrachtungen zu den Schulfächern Englisch und Politik / Sozialkunde verdeutlichen sowohl die Zielsetzung des Bandes als auch die Herausforderungen, die sich in der Theoriebildung zum inklusiven Fachunterricht stellen: Die Verbindung unterschiedlicher teildisziplinärer Perspektiven auf inklusiven Fachunterricht stellt das Kernanliegen des Bandes dar. Dabei zeigt sich, dass eine Herausforderung darin liegt und vermutlich auch zukünftig liegen wird, die unterschiedlichen Perspektiven stärker aufeinander zu beziehen, um theoretische Modelle inklusiven Fachunterrichts zu generieren. Mit dem Band ist ein eindrückliches Beispiel hierfür vorgelegt worden, das einen Einblick in die Diskussion des Fachunterrichts aus sonderpädagogischer und fachdidaktischer Perspektive eröffnet, verbunden mit Beispielen und Ideen für die praktische Gestaltung inklusiven Fachunterrichts.
Ein Vergleich der drei vorliegenden Herausgeberwerke zeigt, dass sich diese dem Themenfeld Inklusion im Kontext der Sekundarstufe aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zugleich mit verschiedenen Ansprüchen nähern. Über die einzelnen Beiträge hinweg wird die selektive respektive exklusive Struktur der Sekundarstufe in ihrer Bedeutung und Begrenzung didaktischer Entwicklungsmöglichkeiten deutlich. Diese Dominanz eines Verständnisses von Segregation in Verbindung mit dem Fachlehrer_innenprinzip stellt eine zentrale Herausforderung dar, die jenseits der Frage von inklusivem Fachunterricht zu bearbeiten sind – und doch entscheidende Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für diesen darstellen. Resümierend kann dabei festgehalten werden, dass die drei Bände Inklusion im Kern als schulpädagogische und didaktische Themen bearbeiten, die in engem Zusammenhang mit den Strukturen und Rahmenbedingungen des Schulsystems, der Lehrer_innenbildung und ihrer Professionalität stehen. Wenngleich dies im Grundsatz nicht verwundern mag, so zeigt es doch auch, dass das Wie schulischer Inklusion das viele Jahre währende Ob abgelöst hat. Des Weiteren zeugt die Autorenschaft der drei Bände davon, dass Inklusion als Thema nicht mehr allein als sonder- respektive inklusionsspezifisches bearbeitet wird, sondern auch von der Schulpädagogik und den Fachdidaktiken aufgegriffen wird. Dabei wird deutlich, dass sich nicht nur unterschiedliche teildisziplinäre Diskurse dem Themenfeld widmen, sondern Annäherung und Bearbeitung auch entlang verschiedener meta-theoretischer Konzepte erfolgen; allerdings ohne, dass die eingenommenen Perspektive durchgängig expliziert würden. Diese fachliche Diversität kann als Beleg für die Entwicklung, Differenzierung und Etablierung eines wissenschaftlichen Diskursfeldes verstanden werden, in dem unterschiedliche Positionen um Definitionen und Machtansprüche miteinander konkurrieren [5].
Zusammen geben die Bände einen guten Einblick in den Forschungsstand sowie die praktischen Herausforderungen der Umsetzung und Annäherung an das Ziel der Gestaltung einer inklusiven Schule und eines inklusiven Unterrichts. Sie weisen auf die Notwendigkeit einer theoretischen, einer empirischen, aber auch (bildungs-)politischen Bearbeitung des Themenfeldes hin. Zugleich laden sie dazu ein, den angestoßenen Diskurs entlang erziehungswissenschaftlicher Zugänge und meta-theoretischer Bezüge zu systematisieren.
[1] Kornmann, R.: Von der prinzipiell nie falschen Legitimation negativer Ausleseentscheidungen zum Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma oder: Gibt es überhaupt Perspektiven für eine förderungsorientierte Diagnostik? In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft 1994, 17(1), 51-59.
[2] Feuser, G.: Allgemeine integrative Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik. In: Behindertenpädagogik 1989, 28(1), 4-48, http://bidok.uibk.ac.at/library/feuser-didaktik.html. [Zugriff: 23.12.2016]
[3] Feuser, G.: Momente entwicklungslogischer Didaktik einer Allgemeinen (integrativen) Pädagogik. In: Eberwein, H. / Knauer, S. (Hg.): Handbuch Integrationspädagogik. Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen lernen gemeinsam. Weinheim / Basel: Beltz 2009, 280-294.
[4] Seitz, S.: Inklusive Didaktik: Die Frage nach dem „Kern der Sache“. Zeitschrift für Inklusion-online.net, 2006 (1), 1-24. http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/184/184 [Zugriff: 23.12.2016]
[5] Bourdieu, P.: Homo academicus. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992.
EWR 16 (2017), Nr. 1 (Januar/Februar)
Sammelrezension zum Thema Inklusion in der Sekundarstufe
Inklusion im Sekundarbereich
Reihe: Inklusion in Schule und Gesellschaft, Band 2
Stuttgart: Kohlhammer 2015
(165 S.; ISBN 978-3-17-026385-7; 27,99 EUR)
Inklusive Pädagogik in der Sekundarstufe
Stuttgart: Kohlhammer 2015
(178 S.; ISBN 978-3-17-029727-2; 27,00 EUR)
Inklusiver Fachunterricht in der Sekundarstufe
Stuttgart: Kohlhammer 2015
(456 S.; ISBN 978-3-17-025203-5; 59,99 EUR)
Tanja Sturm (Basel)
Zur Zitierweise der Rezension:
Tanja Sturm: Rezension von: Kiel, Ewald (Hg.): Inklusion im Sekundarbereich, Reihe: Inklusion in Schule und Gesellschaft, Band 2. Stuttgart: Kohlhammer 2015. In: EWR 16 (2017), Nr. 1 (Veröffentlicht am 02.02.2017), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978317026385.html
Tanja Sturm: Rezension von: Kiel, Ewald (Hg.): Inklusion im Sekundarbereich, Reihe: Inklusion in Schule und Gesellschaft, Band 2. Stuttgart: Kohlhammer 2015. In: EWR 16 (2017), Nr. 1 (Veröffentlicht am 02.02.2017), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978317026385.html