
Dieser persönliche Einstieg bereitet das Feld für das erste Kapitel, in dem methodologische Fragen und methodisches Vorgehen erörtert sowie ethische Aspekte der Forschung adressiert werden. Im Zentrum stehen Fallstudien von Englischdozentinnen, die Auskunft darüber geben sollen, wie biographischer Hintergrund, feministisches Selbstverständnis und professionelle Reflexion die Lehr- und Unterrichtspraxis prägen. Vorangestellt werden zwei Forschungsdesiderate, derer sich die Studie annimmt. Zum einen werden zwei wichtige Bereiche miteinander in Beziehung gesetzt, die in der südafrikanischen Bildungsprogrammatik eine prominente Rolle spielen: Die Förderung eines auf Geschlechtergerechtigkeit und Anerkennung linguistischer Vielfalt beruhenden Bildungssystems sowie die Einbeziehung afrikanischer feministischer Stimmen, die bislang im westlichen feministischen Mainstream Diskurs zu wenig Berücksichtigung fanden. Die Auswahl der Dozentinnen berücksichtigte individuelle Diversität in Bezug auf ethnische und soziale Herkunft sowie Alter als auch die universitäre Diversität des südafrikanischen tertiären Bildungssektors. Gemeinsam war allen Befragten eine feministische Orientierung. Perumals Untersuchung ist von der Annahme geleitet, dass sich die sozio-ökonomischen, geo-politischen, historisch-kulturellen Unterschiede auf die konkrete Kurspraxis auswirken. Von besonderem Interesse war daher die Frage nach dem Umgang mit den Spannungen zwischen feministischem Bezug als einem oppositionellen, in der Mainstream Pädagogik marginalisierten Diskurs und dem Lehren einer privilegierten Sprache, die mit sozialer Mobilität und Statuszuwachs in Verbindung gebracht wird. Diese Spannung, so der Gedankengang, spiegle in gewisser Weise die im Lehrenden-Studierenden-Verhältnis inhärente Hierarchie. Die angesprochenen Anliegen und Fragen wurden mittels biographischer Erhebungen, teilnehmender Unterrichtsbeobachtung und mehrstündigen Interviews bearbeitet.
Das zweite Kapitel, in welchem das theoretische Instrumentarium für die Analysen bereit gelegt wird, bezieht sich vor allem auf den internationalen, stark angloamerikanisch dominierten Diskussionsstand in den folgenden Bereichen: im Bereich der Identitätspolitik, der feministischen Pädagogik, der Mehrsprachigkeit und der feministischen Sprachkritik.
Am Beispiel der feministischen Theorieentwicklung verdeutlicht Perumal die Spannung zwischen Identität und Differenz. Zu den Referenzen zählen Sheila Benhabib, Judith Butler, Manuel Castells, Stuart Hall, bell hooks, Audre Lorde und Iris Marion Young. Das den weiteren Überlegungen zugrunde gelegte pädagogische Konzept postuliert eine enge Beziehung zwischen Lehren und Lernen und ist durch die Bezüge zwischen feministischer und kritischer Pädagogik bestimmt. Zu den zentralen Referenzen zählen an dieser Stelle die Autoren Paulo Freire, Henry Giroux und Peter McLaren. Thematisiert wird das der pädagogischen Beziehung inhärente Machtverhältnis, die Bedeutung der student voice und die Überzeugung, Pädagogik könne eine Rolle bei der Herbeiführung gesellschaftlicher Veränderungen führen. Für die feministische Pädagogik kann dies neben der Betonung des dialogischen Prinzips und der Dialektik von Lehren und Lernen auch bedeuten, dass traditionell weiblich konnotierte Eigenschaften der Fürsorge und Pflege veranschlagt werden.
Da Afrikaans mit dem Erbe der Apartheid in Verbindung gebracht werde, entschieden sich viele Studenten für Englisch, das zunehmend als Mittel zum Empowerment, als Mittel des sozialen Aufstiegs, aber auch der Stärkung des eigenen und des Gruppenbewusstseins gelte. Die offizielle Sprachpolitik verlange die grundsätzliche Anerkennung von Mehrsprachigkeit, betone das Recht auf das Erlernen der Muttersprache und fordere von den Lehrenden, dass sie lokale Standards anerkennen und mit den kulturellen Dimensionen von Kommunikation umgehen können. In der Praxis ergeben sich allerdings zahlreiche Probleme, die von der Autorin vor dem Hintergrund der Beziehung zwischen pädagogischer Praxis und soziolinguistischer Theorie, die sie in der wissenschaftlichen Debatte bislang nicht hinreichend berücksichtigt findet, diskutiert werden.
So vorbereitet, geht Perumal mit dem dritten Kapitel an die Analyse des empirischen Materials. Es geht ihr hierbei um eine Erkundung der persönlichen und professionellen Identitäten der ausgewählten Dozentinnen. Zugrunde liegen autobiographische Essays, die im Internet abgerufen werden können. In diesem Kapitel werden einerseits die demographischen, sozio-kulturellen und politischen Besonderheiten der südafrikanischen Gesellschaft deutlich, andererseits aber strukturelle Ähnlichkeiten mit anderen Gesellschaften thematisiert. So nehmen die Befragten geschlechtlich markierte Unterschiede und Hierarchien wahr, die von ihnen entweder als naturalisierte oder als gesellschaftlich hergestellte thematisiert werden. Im nächsten Schritt beschreibt die Autorin Formen der Entwicklung eines feministischen Bewusstseins und typologisiert dieses anhand des Materials. Im folgenden dritten Schritt werden die praktischen Konsequenzen ausgeleuchtet und die Frage in den Blick genommen, welche Auswirkungen auf die Praxis sich aus der veränderten sozialen Identität ergeben.
Das erziehungswissenschaftliche Kernstück des Buches ist das fünfte Kapitel, in dem es um das komplexe Gefüge der jeweiligen Identität der feministischen Dozentin geht. Den Rahmen bilden auch hier poststrukturalistische Theorien und ihre feministischen Adaptationen des Identitätskonzepts. Alle befragten Dozentinnen zeigten sich der engen Identitätskonstruktionen für weibliche Lehrende bewusst und entwickelten unterschiedliche Strategien, sich zu den an die Metapher der Mütterlichkeit gekoppelten Erwartungen zu verhalten. Hier steht also das Verhältnis zwischen Autorität und Sorge zur Diskussion. Zur Autorität wird noch ein weiterer Begriff ins Verhältnis gesetzt, der der Auktorialität. Dieser bezeichnet die Einbeziehung persönlicher Erfahrungen in den Lehrkontext. Besonders die befragte „schwarze“ Dozentin, die an einer „weißen“ Universität lehrt, betont dabei die Notwendigkeit von Zurückhaltung und Vorsicht: Die Lehrende sollte nicht zu viel von sich preisgeben, um sich nicht angreifbar zu machen und um nicht unprofessionell zu erscheinen. Andere Dozentinnen setzen persönliche Erfahrungen als edukative Strategien bewusst ein, um Lernprozesse zu befördern, und wieder andere sehen einen Zusammenhang zwischen Leaderhip und Empowerment. Ein weiteres Thema ist die Frage nach dem Umgang mit studentischer Auktorialität. In gewisser Weise fällt hierunter auch das Problem des Plagiarismus, vor allem aber geht es Perumal darum, einen Bezug zu den Erfahrungen der Studierenden herzustellen, ihnen eine Stimme zu geben, sie dazu zu ermuntern, einen Standpunkt zu entwickeln und nicht passive Konsumenten des akademischen Diskurses zu sein. Dies gilt, so wird im weiteren Verlauf der Erörterung deutlich, nicht unkonditional. So wichtig die Berücksichtigung der persönlichen Erfahrung in der feministischen Pädagogik auch ist, so ist sie doch immer an die Lehrinhalte zurück zu binden und eine fundierte Auseinandersetzung mit den akademischen Positionen erst zu entwickeln. In diesem Kontext werden die institutionellen „Wahrheitsspiele“ und ihre Validierungen diskutiert. Bei allem Bemühen um die Herstellung eines egalitären, demokratischen Kursklimas sollte nicht vergessen werden, dass das pädagogische Verhältnis ein hierarchisches ist, strukturiert durch Machtbeziehungen. Dieser Aspekt wird nochmals ausführlich erörtert im Abschnitt „Körper als Objekte pädagogischer Machtbeziehungen“. In dieser von Foucault inspirierten Analyse geht Perumal ausführlich auf die Kategorien „Hautfarbe“, „Geschlecht“ und „Alter“ ein und untersucht die Relationen, die sich aus ihrem Zusammenspiel ergeben. Perumal illustriert dies anhand der institutionellen Erfahrungen der von ihr befragten Dozentinnen. Im folgenden Abschnitt wird das feministische professionelle Selbstverständnis auf die Anforderungen der gegenwärtigen Universitätsstruktur bezogen. Im abschließenden Abschnitt dieses mehr als einhundert Seiten umfassenden Kapitels bezieht sich Perumal nochmals kritisch auf die oft unhinterfragte Unterscheidung zwischen traditioneller und feministischer Pädagogik, indem sie auf das grundsätzlich begrenzte Repertoire pädagogischer Machttechniken hinweist.
Im sechsten und letzten Kapitel reflektiert Perumal den Forschungsweg, kommentiert die Erträge und benennt lose Enden.
Identity, Diversity and Teaching for Social Justice ist nicht nur und nicht in erster Linie eine aufschlussreiche Länderstudie. Es handelt sich dabei vielmehr um einen Beitrag zur Klärung systematischer Fragen, die in den tertiären Bildungseinrichtungen aller modernen Gesellschaften eine Rolle spielen. Die Klammer zwischen den unterschiedlichen Ebenen ist die Sprache, die hier im Sinne der kritischen Erziehungswissenschaft auf ihre Verstrickung in Machtverhältnisse und ihre Identität stiftende Dimensionen befragt wird: Wie mit Mehrsprachigkeit und Heterogenität umgehen? Welche Rolle spielt das Geschlecht der Lehrenden und Studierenden? Welche Beziehung besteht zwischen feministischer Theorie und Praxis bzw. wie beeinflusst eine feministische Orientierung die konkrete Kurspraxis? Wie passen Organisations- und Akteurslogiken zusammen? Wie sind biographische Erfahrungen und professionelle Identität miteinander verschränkt? Aber auch auf der methodischen Ebene ist die Arbeit interessant, da die Möglichkeiten und Grenzen qualitativer Methoden sowie die Bedeutung theoriegeleiteter Erhebung und Auswertung thematisiert werden. Nicht zuletzt ist das Zugänglichmachen der autobiographischen Essays zu begrüßen, wodurch der Anschluss für vergleichende Analysen ermöglicht wird.
Diese systematischen Bezüge, die an den internationalen sozial- und erziehungswissenschaftlichen Diskurs anschließen, verleihen der Schrift auch für die deutschsprachige Auseinandersetzung um Integration, demographische Veränderungen im tertiären Bildungssektor und das Selbstverständnis von Dozentinnen Bedeutsamkeit.