An diese Forschungslücke setzt Markus Weil mit seiner als Dissertation vorgelegten Untersuchung an, in der er sich mit Weiterbildungskooperation in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) beschäftigt. Die Fokussierung auf Weiterbildung und auf KMU begründet der Autor dabei vor allem mit der prekären Forschungslage. So beziehe sich das berufs- und wirtschaftspädagogische Kooperationsverständnis in der Regel auf die berufliche duale Erstausbildung, kaum jedoch auf die Weiterbildung, die in Betrieben aber eine wichtige Rolle spiele. Insbesondere KMU (solche mit weniger als 250 Mitarbeitenden) sind dabei von herausragendem Interesse, weil sie meist über keine eigene Weiterbildungsabteilung verfügen, folglich bezogen auf ihre Weiterbildungsaktivitäten in hohem Maße auf Kooperation mit unterschiedlichsten Akteuren angewiesen sind. Von der Beschäftigung mit Weiterbildungskooperation in KMU erhofft sich Weil daher eine besondere Vielfalt, die es ermöglicht, nicht nur unterschiedliche und „besonders kleingliedrig“ (22) Konzepte von Weiterbildungskooperation zu erfassen, sondern dabei vor allem die Akteurssicht, also die der Betriebe und Mitarbeitenden hervorzuheben. Das zentrale Erkenntnisziel seiner Untersuchung besteht für Weil jedoch darin, die empirisch vorfindbare Weiterbildungskooperation systematisch zueinander ins Verhältnis zu setzen und mit dieser vorgenommenen Verhältnisbestimmung eine Perspektive für die berufs- und wirtschaftspädagogischen Konzepte entwickeln zu wollen. Die Arbeit will also weniger eine „Anleitung“ für KMU sein, wie sie ihre Weiterbildungskooperation „besser“ machen können, als vielmehr eine theoretische Perspektive für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik eröffnen. Ihr Erkenntnisinteresse ist dadurch weniger anwendungsorientiert denn grundlagentheoretisch inspiriert. Der Autor bearbeitet seine Fragestellung in vier großen, systematisierenden, in sich sehr differenzierten Schritten, die den Kapiteln zwei bis fünf entsprechen. Er geht dabei methodisch kontrolliert und sehr sorgfältig vor.
In einem ersten Schritt (Kapitel 2) geht es ihm zunächst darum zu prüfen, inwiefern sich der Begriff der Weiterbildungskooperation als brauchbares Konzept erweist, aus welchen Facetten und Dimensionen er sich zusammensetzt und wie er in aktuelle Diskurse der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, aber auch der Erwachsenenbildung/Weiterbildung einzuordnen ist. Hierfür wählt er mit einer disziplinären, einer weiterbildungs-, einer kooperations- und einer KMU-spezifischen Sicht vier verschiedene Zugänge, vor deren Hintergrund er Weiterbildungskooperation diskutiert und die den zu untersuchenden Forschungsgegenstand in seiner Vielgestaltigkeit umreißen. Gleichzeitig hat er mit diesen Zugängen sein Analyseraster entfaltet, das auch für die beiden folgenden Schritte von Bedeutung sein wird.
Im zweiten Schritt (Kapitel 3) gibt der Autor einen Überblick über den Stand der Forschung zum Thema, die sich ihm als „zergliederte Forschungslandschaft“ (83) präsentiert. Mit Hilfe der vier Zugänge gelingt es ihm jedoch, diese systematisch darzustellen und somit das Thema „Weiterbildungskooperation“ zu kontextualisieren und weiter zu differenzieren. Mit dem Ziel, vorliegende Forschungsergebnisse inhaltlich wie methodisch gegenüberzustellen, bearbeitet Weil inhaltsanalytisch eine Reihe von einschlägigen Studien, die Bezüge zur Thematik der Weiterbildungskooperation aufweisen (ohne dass diese aber im Mittelpunkt der Studien stünde) und sich quantitativer, qualitativer und kombinatorischer Verfahren bedienen. Das Ergebnis der Analyse bestätigt zwar den Eindruck der zergliederten Landschaft, insofern etwa, als alle Studien unterschiedliche Definitionen von Weiterbildung, Kooperation und KMU verwenden. Für Weil ist dies jedoch weniger ein Mangel als vielmehr Beleg für eine notwendige mehrdimensionale Sicht, die er zunächst in drei verschiedenen Perspektiven, einer individuellen, einer betrieblich-institutionellen und einer überbetrieblichen bündelt.
Diese drei Perspektiven strukturieren den folgenden Schritt (Kapitel 4), in dem er eine eigene empirische Untersuchung vorstellt, die sich aus einem quantitativen und einem qualitativen Teil zusammensetzt. Sie zielt vor allem darauf, ein „differenzierteres Bild der empirischen Realität der Weiterbildungskooperation in KMU“ (142) zu erhalten und Begründungsmuster aus Sicht der Betriebe zu rekonstruieren, deren Verständnis die Kooperationstätigkeit in hohem Maße beeinflusst (was in Form von anschaulichen Leitmotiven wie „Wissen gemeinsam nutzen“ (177) oder „Probieren geht über Studieren“ (179) herausgearbeitet wird), nicht jedoch darauf, reale Kooperation zu beobachten. Aus diesem Grund stehen offene (Experten-)Interviews mit Weiterbildungsverantwortlichen von acht Betrieben aus sehr unterschiedlichen Branchen (von der Autowerkstatt über die Apotheke bis hin zum Tiefbau) im Mittelpunkt, deren Aussagen zu aussagekräftigen Betriebsporträts verdichtet werden. Den systematischen Bezugrahmen bilden erneut die bereits im zweiten Kapitel entwickelten vier Zugänge. Die im Zusammenhang mit einem größeren Schweizer Forschungsprojekt erhobenen quantitativen Daten dienen Weil zum einen als Hintergrundfolie, vor der die acht „Vertiefungs-Fälle“ nach bestimmten Kriterien ausgewählt wurden (z.B. hohe Weiterbildungsaktivität, breites Kooperationsspektrum), zum anderen als Interpretationshilfe bei der inhaltsanalytischen Auswertung der Experteninterviews (z.B. bezogen auf Themen wie Weiterbildungsstrategie, Weiterbildung und informelles Lernen, Kooperation). Zentrales Ergebnis der Datenanalyse sind drei Spannungsverhältnisse, mit denen sich die Weiterbildungskooperation in KMU auf der individuellen, der betrieblich-institutionellen und der strukturell-politischen Ebene beschreiben lässt.
Im letzten Schritt (Kapitel 5) geht Weil dann noch einmal dezidiert auf die als Mikro-, Meso- und Makro-Ebene bezeichneten Ebenen ein. Im Unterschied zu den vier Zugängen vom Anfang stellen sie eher ein „immanentes Muster“ (210) dar, das als Ergebnis der Primär- und Sekundäranalyse hervorgetreten ist. Quer zu den Ebenen unterscheidet Weil außerdem noch Dimensionen, die sich – bezogen auf das Verständnis von Weiterbildungskooperation –zwischen Dynamik (statisches bis dynamisches Verständnis) und Abstraktion (konkretes bis abstraktes Verständnis) bewegen. Vor allem die Verschränkung der Ebenen und Dimensionen sollen Anknüpfungsmöglichkeiten für von außen herangetragene Konzepte bieten: „Die Verdichtung der Ergebnisse ermöglicht Erklärungs- und Deutungsmuster für die vorhandenen Zugänge und ist als Kategorisierung der bislang identifizierten Ansätze zu verstehen“ (235). Anknüpfungspunkte für die Beruf- und Wirtschaftspädagogik sieht der Autor in folgenden drei Themenbereichen, die er abschließend dann noch einmal ausführlich erörtert:
- In einer disziplinären Anbindung: Hier geht es um den Bezug der Weiterbildungskooperation zu Konzepten der Lernortkooperation, des Bildungsnetzwerkes und des Wissenstransfers.
- In einer konzeptionellen Spezifizierung: Hier geht es um die BezĂĽge der Weiterbildungskooperation innerhalb und zwischen der Mikro-, Meso- und Makroebene.
- In einer perspektivischen Betrachtungsweise: Hier geht es um das Wechselverhältnis der Weiterbildungskooperation zwischen pädagogischen und ökonomischen Handlungslogiken.
Trotz der komplexen Materie und der sehr differenzierten und fein verästelten Analyse kann die Leserin dem „roten Faden“ der Ausgangsfragestellung und der Argumentation stets folgen. Dazu tragen vor allem auch Kapitel und Teilkapitel abschließende Zusammenfassungen sowie die äußerst hilfreichen wie gut dargestellten Tabellen und Grafiken des Autors bei, die eine sinnvolle Ergänzung zum ansonsten gut lesbaren Text darstellen. Sie bringen den jeweiligen Zwischenstand und die Analyseergebnisse sehr gut auf den Punkt. Und auch der umfangreiche Anhang bewirkt, dass die Untersuchung jederzeit transparent bleibt.