In den ersten vier theoretisch-konzeptionellen Kapiteln des Bandes fragt Andrea Goldenbaum nach Wegen der Innovation und Möglichkeiten der Implementation des „Buddy-Projekts“ (buddy, amerikanisch = Kumpel, guter Freund), einem Programm zum Sozialen Lernen. Dessen Einführung in Schulen der Länder Niedersachsen und Hessen wurde von einer durch die Stiftung Vodafone in Auftrag gegebenen und finanzierten Untersuchung begleitet, in deren Rahmen vermutlich diese Dissertation (2011 an der FU Berlin) entstand. Die Autorin setzt sich mit Sozialem Lernen in Schulen auseinander, diskutiert Begriff und Zielsetzungen, erörtert soziales Lernen im Unterricht, im außerunterrichtlich-innerschulischen Bereich und im außerschulischen Bereich, konkretisiert eine Heuristik des sozialen Lernens (68) und gibt einen Überblick über internationale und nationale Programme.
Die Zielsetzung des Buddy-Projekts besteht in der Förderung des sozialen Lernens und der Prävention von Gewalt auf personaler und organisationaler Ebene. Lehrkräfte und Sozialpädagogen sollen als Buddy-Coaches moderieren, beraten und unterstützen. Schüler/innen sollen besondere Haltungen erwerben und Kompetenzen aufbauen, z.B. Gesprächsführungskompetenz, Kontaktfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Reflexionsfähigkeit. Schüler/innen sollen verantwortlich und demokratisch handeln. Das Programm zeichnet sich (nach Goldenbaum) durch Lebensweltorientierung, Peer-Education und systemisches Denken aus. Es funktioniert als Werkzeugkiste mit verschiedenen Inhalten und Anwendungsfeldern (63 ff). Andrea Goldenbaum geht auf ihren Innovationsbegriff ein, nennt Arten der Innovation und definiert Schulinnovation als „Verbesserungsinnovation“. Sie gibt einen Überblick über die schulbezogene Implementationsforschung, über Strategien und Phasen der Implementation und modelliert einen idealtypischen Implementationsverlauf (92). Sie nennt Einflussfaktoren auf schulische Innovationsvorhaben (115), legt systemtheoretisch beeinflusste Überlegungen zur Schule als Organisation dar (116ff) und erörtert die Bedeutung von Entscheidungsprozessen. Im vierten Kapitel (131ff) geht sie auf das Training für Lehrkräfte zur Arbeit im „Buddy-Projekt“ ein, skizziert Möglichkeiten, eigene Praxisprojekte zu entwickeln und nennt Hilfen bei der Projektumsetzung. Sie skizziert den Innovationsgehalt (135f) und die besondere Eignung des „Buddy-Projekts“ für die Untersuchung (137).
In den Kapiteln fünf bis acht legt sie ihre Fragestellungen dar, geht auf die Methode der Untersuchung ein, erläutert ihre Befunde und diskutiert diese. Dabei fällt auf, dass Andrea Goldenbaum schulische Innovationen mit der Aneignung und Durchführung eines Projekts (hier des „Buddy-Projekts“) gleichsetzt. Sie führt zwar ein Gesamtmodell der Implementation von Innovationen vor, geht aber in ihrer Untersuchung vor allem auf schulischen Einflussfaktoren (141) ein. Somit richtet sie ihre Aufmerksamkeit in der Folge nicht auf reale Ansätze, Verläufe und Ergebnisse des Buddy-Projekts in einzelnen Schulen, sondern auf Wirkfaktoren bei Schulinnovationen. Sie konzeptionalisiert diese in einem „Teilmodell der Beeinflussungsdimensionen auf die Implementation einer Schulinnovation“ (156) und zieht dieses zur Untersuchung des Implementationserfolg einer Schulinnovation im Bereich des sozialen Lernens (159) heran. Durch die Engführung ihrer Fragestellung auf Wirkfaktoren schafft sie Voraussetzungen dafür, Befragungen zu verschiedenen Zeitpunkten durchzuführen. Mir scheint es so, dass das „Buddy-Projekt“ mit seinen Zielen, Inhalten, möglichen Projektansätzen und antizipierten Verläufen in unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Prozessen und den dabei auftretenden Schwierigkeiten und Konflikten nicht in den Blick gerät. Weil die jeweiligen Ansätze und damit verbundenen Prozesse der Implementation des „Buddy-Projekts“ nicht bedacht werden, sondern dieses Programm mehr oder weniger als feste Größe hantiert wird, verzichtet die Wissenschaftlerin darauf, ein Modell der Wirkfaktoren für die jeweiligen Verläufe zu antizipieren und für eine Untersuchung heranzuziehen.
Weil die untersuchten Variablen der Implementation kaum im Zusammenhang mit realen Abläufen in der jeweiligen Ausgestaltung des „Buddy-Projekts“ stehen, gewinnt Andrea Goldenbaum zwar Ergebnisse, kann aber zu dem im Titel angekündigten Thema des Innovationsmanagements nur bedingt Aussagen treffen. Das, was am sozialen Lernen bedeutsam ist, nämlich die Gestaltung eines Lernprozesses im Rahmen von Schule, wird nicht operationalisiert. Stattdessen werden Einflussfaktoren auf die Implementation auf verschiedenen Systemebenen (Lehrkraft, Einzelschule, Schulsystem) (115) angenommen und konkretisiert (z.B. Entscheidungsprämissen mit Blick auf Programme, Personen (z.B. fachliche Expertise, soziale Position) und Strukturen (pädagogische Führung, Zeitinvestitionen, Steuergruppe), deren Bezug zum „Buddy-Projekt“ und der Art seiner jeweiligen Durchführung an den verschiedenen Schulen undeutlich bleiben. Das Wissen um Implementation als Prozess wird auf die Idee verkürzt, zu verschiedenen Zeitpunkten auf der Grundlage von Fragebögen an die Schulleitung und die Lehrkräfte verschiedener Schulen Befragungen durchzuführen und auszuwerten (161ff). Andrea Goldenbaum erklärt ihre Erhebungsinstrumente, die gewählten Skalen und das statistische Vorgehen (170ff), führt gekonnt Messungen auf der Grundlage ausgewiesener Skalen durch und wertet sie aus. Es bleibt aber undeutlich, welchen Zusammenhang die mit den Skalen erfassten Variablen mit dem realen Verlauf der Innovationsprozesse haben. Passt das „Buddy-Projekt“ zu den besonderen Problemlagen in einzelnen Klassen? Passt es zur Schulkultur der Schulen? Welche Aspekte aus dem Projekt werden aufgegriffen resp. ignoriert? Welche Ereignisse treten im Verlauf der Arbeit mit dem „Buddy-Projekt“ auf? Solche Fragen werden nicht gestellt. Das von ihr angenommene Modell der Schritte schulischer Innovation wird nicht mit dem Prozessgeschehen im „Buddy-Projekt“ in Verbindung gebracht.
Aus der Perspektive der Konstruktion von Messverfahren mag die Schrift bedeutsam sein; unter der Fragestellung, wie man Innovation in die Schule bringt, Innovation erfolgreich durchführt und das prozesshafte Geschehen anleitet, überwacht und begleitet, erfährt man wenig. Daher ist der Band für Mitglieder von Schulverwaltungen, Schulleitungen und Lehrkräfte nicht so nützlich, wie es der Titel verspricht.
EWR 12 (2013), Nr. 5 (September/Oktober)
Innovationsmanagement in Schulen
Eine empirische Untersuchung zur Implementation eines Sozialen Lernprogramms
Wiesbaden: Springer VS 2012
(320 S.; ISBN 978- 3-531-19424-0; 39,95 EUR)
Hanna Kiper (Oldenburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Hanna Kiper: Rezension von: Goldenbaum, Andrea: Innovationsmanagement in Schulen, Eine empirische Untersuchung zur Implementation eines Sozialen Lernprogramms. Wiesbaden: Springer VS 2012. In: EWR 12 (2013), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978+353119424.html
Hanna Kiper: Rezension von: Goldenbaum, Andrea: Innovationsmanagement in Schulen, Eine empirische Untersuchung zur Implementation eines Sozialen Lernprogramms. Wiesbaden: Springer VS 2012. In: EWR 12 (2013), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2013), URL: http://klinkhardt.de/ewr/978+353119424.html